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Cracks (aka “Secret of the Girl School”)

Originaltitel: Cracks__Herstellungsland: UK-IE-ES-F__ Erscheinungsjahr: 2009__Produzenten: u.a. Tony Scott und Ridley Scott__ Regie: Jordan Scott__ Darsteller: Eva Green, Juno Temple, María Valverde, Imogen Poots, Sinéad Cusack, Ellie Nunn, Zoë Carroll, Adele McCann, Clemmie Dugdale, Helen Norton, …

Cracks

Das deutsche Cover-Motiv.

Cracks

Das amerikanische Poster-Motiv.

Zum Trailer (engl. OV) geht´s hier!

Innocence isn´t lost. It´s taken…

2009 markierte das inhaltlich wie stilistisch relativ düster und kühl gehaltene Coming-of-Age-Drama „Cracks“ das Kino-Regiedebüt der vormaligen Kurz-, Werbe- und Videoclipfilmerin Jordan Scott – ihres Zeichens keine geringere als die Tochter Ridleys („Alien“), Nichte Tonys („True Romance“) sowie Schwester Jakes („Plunkett and Macleane“). Im Gegensatz zu dem gleichnamigen Roman Sheila Kohlers, der rund eine Dekade zuvor veröffentlicht wurde und auf welchem das Werk basiert, kommt seine cineastische Adaption jedoch nicht in den 1960ern Südafrikas angesiedelt daher – stattdessen verlegten Scott und ihre beiden Drehbuch-Co-Autoren Caroline Ip und Ben Court die (auch seitens ihrer Erzählstruktur ein wenig umgestaltete) Handlung auf eine kleine britische Insel des Jahres 1934…

Resultierend aus ihrem enigmatisch-weltgewandten Auftreten, ihrer freigeistigen Gesinnung sowie recht unorthodoxen Unterrichtsmethoden, hebt sich Miss G (Eva Green) klar von den übrigen Lehrkräften des überaus traditionell geführten Mädcheninternats ab, an welchem sie primär für die Betreuung des (eigener Proklamierung nach: „elitären“) Turmspringer-Teams zuständig ist, deren Mitglieder sie genau dafür ungemein schätzen bzw. teils geradezu verehren. Letzteres lässt sich insbesondere auf Di (Juno Temple) beziehen, die sowohl Miss G´s Liebling als auch resolute Anführerin und Leistungsstärkste der überschaubaren Gruppe ist. Gebannt lauschen die jungen Damen regelmäßig den Geschichten ihrer Lehrerin über deren frühere Erlebnisse auf Reisen durch exotische Länder, sind angetan von ihrem eleganten Gebaren, trainieren fleißig und verinnerlichen ihre verschiedenen Ratschläge und Grundsätze (á la „The most important thing in life is desire!“) gewissenhaft – erhalten also eine Menge Inspiration für ihr künftiges Leben geboten…

Durch die Ankunft einer neuen Schülerin wird diese „Ordnung“ jedoch unerwartet aus dem bisherigen Gleichgewicht gebracht: Die Spanierin Fiamma (María Valverde) ist eine hübsche, gebildete und selbstsichere Aristokratin, die von ihrer Familie aufgrund einer Beziehung zu dem Angehörigen eines „niederen Standes“ aus ihrer Heimat fortgeschickt wurde und nun nahezu umgehend mit der „stutenbissigen“ Di aneinander gerät – zumal sie ebenfalls eine famose Turmspringerin ist, die sogleich neue Standards innerhalb des Teams setzt. Sticheleien und Anfeindungen lässt sie meist wirkungslos ins Leere laufen – während einzelne persönliche Eigenheiten (wie ihre generelle Freundlichkeit) es den anderen indes eher schwer machen, sie irgendwie nicht ausstehen zu können. Simultan beginnt sich auch Miss G zunehmend stärker für die in mehreren Belangen „ungewöhnliche“ Fiamma zu interessieren, fühlt sich ihr gar auf eine spezielle Weise verbunden, was sich rasch bis hin zu einer regelrechten Obsession entwickelt – und das nicht bloß weil sich jene ihr gegenüber ziemlich unnahbar gibt. Eines Nachts, als die Mädchen gerade ein kleines mitternächtliches Fest feiern, kommt es dann allerdings zu einem Vorfall, der eine fatale Ereigniskette in Gang setzt…

Inhaltlich greift „Cracks” fast so viele thematische Ansätze und Betrachtungsweisen auf wie es Möglichkeiten der Auslegung seines Titels gibt: Es geht um solch unterschiedliche Dinge wie die Alltagsgestaltung in einer derart abgeschiedenen und eigentlich streng konservativ geführten Einrichtung, die Vermittlung der vorgesehenen (einen auf die Zukunft vorbereitenden) Werte, Normen und Kenntnisse, die subjektiven Auswirkungen der gesamten Situation auf die Heranwachsenden (z.B. die räumliche und menschliche Trennung von ihren Eltern), um Freundschaft, Loyalität, Einsamkeit, Träume, Sehnsüchte, Ängste, tiefgehende Emotionen, sexuelles Erwachen, Verlust der Unschuld, Missgunst, verletzte Gefühle, Konkurrenzdruck und Hass – aber ebenso um althergebrachte Strukturen (bezogen auf gleich mehrere Kernbereiche), Gruppendynamiken, unvermeidliche Veränderungen im Status Quo, psychologische Belastungen und Auswirkungen äußerer Einflüsse, um die Manipulierbarkeit von Kindern und Jugendlichen sowie um bestimmte schmerzhafte Erfahrungen und Erkenntnisse, die sich im Rahmen des Erwachsenwerdens für gewöhnlich nicht umgehen lassen. Schon allein diese Aufzählung macht es einem deutlich, dass der Film diverse reizvolle Aspekte (teils nicht unbedingt angenehmer Natur) sowohl aufgreift als auch im Folgenden relativ anständig behandelt…

Unabhängig des ersten (noch nicht in die Tiefe reichenden) Eindrucks so mancher Szenen im Einstiegsakt, die an sich (beim Zuschauer) keinerlei konkreten Anlass für Misstrauen oder Unbehagen hervorrufen, entfalten sich die Geschehnisse dennoch von der ersten Minute an in einer kühl anmutenden Grundstimmung eingebettet, welche fortan gedeihlich an Intensität gewinnt sowie im Einklang damit immer unheilschwangere Züge annimmt. Dies fängt bereits bei dem typischen Wetter Großbritanniens an (gedreht wurde vornehmlich in irischen Landen), setzt sich beim Anblick des schnörkellos und unverziert errichteten grauen Internatsgebäudes (inklusive seiner langen, kahlen Korridore) fort und wird darüber hinaus (selbstverständlich) auch noch seitens der stetig zutage tretenden „zwielichtigeren“ Facetten der Story kontinuierlich weiter verdichtet. Selbst bei scheinender Sonne, wenn die Mädchen (z.B.) am nahebei gelegenen See ihre Sprünge üben, wird die Impression von Kälte stets aufrecht erhalten – etwa durch ihr unverkennbares Zittern im Wind nach dem Entsteigen des gewiss nicht gerade warmen Wassers. Die gesamte Beschaffenheit der unter kirchlicher Führung stehenden Einrichtung nährt diese Atmosphäre-Ausprägung zusätzlich: Spaß und Freude werden weder bestärkt noch irgendwie gefördert, die Regeln sind strikt und die vorgesehenen Unterrichtsthemen „trocken“ – selbst die Briefe in Richtung Heimat werden ausschließlich unter Aufsicht geschrieben und nur nach inhaltlicher Absegnung verschickt…

Nicht bloß aufgrund letztgenannter Umstände ist es keinesfalls verwunderlich, dass Miss G´s Gruppe die Freiheiten und Privilegien dermaßen schätzt, welche sie ihnen (basierend auf ihren individuellen Anschauungen und den daraus hervorgehenden Lehrmethoden) zuteil werden lässt. Di hat die Position der Anführerin der sechs jungen Damen übernommen, ist die leistungsstärkste aus ihren Reihen und genießt die meiste Anerkennung – allerdings nur bis zur Ankunft Fiammas, wonach sich diese „Machtverhältnisse“ zu ihrem Ungunsten verschieben und sie sogleich mit gezielten Sticheleien und Anfeindungen darauf reagiert. Dass sie einem dabei nie wirklich unsympathisch wird, ist der sie verkörpernden Juno Temple („Antonement“) hoch anzurechnen, denn rasch wird einem (u.a. dank ihrer kraftvollen, mit feinen Nuancen versehenen Performance) klar, dass ihr Verhalten vorrangig dem Eigenschutz dient, da ihr jene „Stellung“ innerhalb des Internatsgefüges bislang Halt und Kraft gab sowie sich dadurch ihre eigentliche Verunsicherung und Verletzlichkeit dienlich kaschieren ließ. Temple, die einem in regelmäßigen Abständen immer wieder positiv auffällt (siehe auch „Mr. Nobody“ oder „Killer Joe“), verleiht der durchaus angrenzend stereotypen Figur eine erstklassige Balance aus zerbrechlicher Unschuld und gewillter Entschlossenheit – unstreitig wird man von der talentierten Britin im Laufe ihrer Karriere noch eine Menge hören und sehen…

Fiamma entstammt einer wohlhabenden spanischen Adelsfamilie, welche sie nach England „verbannte“, als ihre „unangebrachte Beziehung“ bekannt wurde – allein daraus ergeben sich verschiedene Gegebenheiten, die sie auf Anhieb von ihren Mitschülerinnen abhebt: Sie ist Aristokratin, hat im Zuge ihrer Reisen bereits einiges von der Welt gesehen und kann überdies gar erste konkrete Erfahrungen mit Jungs vorweisen. Dazu dann noch die Tatsachen, dass sie ausgerechnet den entscheidenden Schulsport perfekt beherrscht sowie sehr reich, attraktiv und gebildet ist: Durch Empfindungen wie Neid ausgelöste Spannungen sind da natürlich (quasi) unausweichlich. Zwar lässt sie ihre Umgebung ab und an schon wissen, dass sie im Prinzip ja „Höherwertigeres“ gewohnt ist, erweckt aber nie den Eindruck, sie würde sich für etwas Besseres halten – bemüht sich generell um Anschluss (gibt sich freundlich, teilt per Post erhaltenes Gebäck etc.), bleibt allerdings auch ihrer eigenen Linie treu, macht zum Beispiel nicht bei jeder Gruppenaktivität mit. Unter ihrer „toughen Schale“ verbergen sich jedoch ebenfalls Schwächen und Ängste: Innerlich hält sie an dem Glauben fest, nur kurz in der Einrichtung verweilen zu müssen, leidet in „stressigen“ Situationen unter Atemproblemen – weshalb sie stets eine Art Inhalator bei sich tragen muss – und gerät irgendwann schließlich gar in echte Panik, als sie bemerkt, dass die Dinge um sie herum außer Kontrolle geraten. Erfreulicherweise fand Scott in Gestalt der genauso hübschen, sinnlichen wie mimisch begabten María Valverde („King of the Hill“) die perfekte Besetzung für diese höchst bedeutsame Rolle…

Meist stehen die verbliebenen fünf Mädchen, die im Übrigen gleichermaßen ohne jeglichen Anlass zur Klage portraitiert werden, zwischen den „Fronten“ der dominanten Persönlichkeiten: Anfangs müssen sie sich entscheiden, ob sie Fiamma in ihrer Runde willkommen heißen oder sich stattdessen der ablehnenden Einstellung Dis anschließen – während es später dann um die ungemein wichtige Frage geht, ob sie eher den Vorwürfen der Spanierin oder den Aussagen ihrer Lehrerin Glauben schenken. Sie werden beeinflusst, sind innerlich hin und her gerissen sowie mit einigen Aspekten des Gesamtbilds auch schlichtweg überfordert. Primär wird einem dies über die Figur der von Imogen Poots („Centurion“) gespielten Poppy transportiert – der treusten Wegbegleiterin Dis, die am Ende förmlich an dem Verlust ihrer Ideale zerbricht. Auf gleich mehreren Ebenen entwickelt sich der Reifeprozess der Schülerinnen: Bei all den verschiedenen durchdringenden Emotionen, gerade in ihrem Alter, ist ihre (u.a. durch die Umgebung) unterdrückte Sexualität selbstverständlich ebenfalls ein zentraler Faktor. Unmittelbar zu Beginn berichtet Di einem Priester etwa, dass sie „a lot of lustful thoughts“ hegen würde – und doch sind sie durchweg noch immer „unschuldig und rein“, gehen ausgelassen nackt im nächtlichen See schwimmen oder stellen sich auf dem Zimmer gemeinsam ihre ersten Küsse vor. All dies verleiht den in der zweiten Hälfte zunehmend hervortretenden „düstereren Inhalten“ ein umso stärkeres bedrohliches Gewicht…

Schon beim ersten Auftritt Miss Gs wird einem bewusst, welchen Einfluss sie (offenkundig) auf die „ungefestigten“ Mädchen ausüben muss – denn nicht nur aufgrund ihrer ganzen äußeren Erscheinung (also der Wahl ihrer Kleidung, ihrer Ausdruckskraft und Schönheit) hebt sie sich deutlich von den anderen Autoritätspersonen ab, sondern auch durch ihre von der eigentlich vorgegebenen Norm klar abweichenden Unterrichtsmethoden, den leidenschaftlich erzählten Geschichten sowie frei heraus gesprochenen Meinungen und Ansichten. Doch warum hält sie, speziell nach ihren vielen Reisen und Erlebnissen, ausgerechnet diese Position an diesem Ort inne – was könnte da vorgefallen sein? Leicht lässt sich jedenfalls ihr Interesse an Fiamma erklären, welche ja reich an eigenen „ähnlichen“ Erfahrungen ist – allerdings liegt der tatsächliche Umfang dieser Beachtung unter diversen (nach außen getragenen) Schichten ihrer Persönlichkeit verborgen, deren eigentliche Ausprägung im Folgenden (zusammen mit den Details einer tragisch-verstörenden Wahrheit) immer rascher an die Oberfläche tritt. Eva Green („Casino Royale“) meistert die schwierige Rolle, bei welcher ihr ihre „Gott-gegebene“ elegante, erotische und geheimnisvolle Ausstrahlung übrigens wunderbar ersprießlich zugute kommt, beinahe perfekt – nur gegen Ende weist ihre Performance gewisse (minimale und vereinzelte) Schwächen auf, als ein bestimmter „Punkt“ in G´s mentaler Verfassung überschritten wird…

Für ihr Debütwerk ließ sich Jordan Scott von einer Reihe großer cineastischer Vorbilder inspirieren – unter ihnen „Picnic at Hanging Rock“, „Maedchen in Uniform“, „the Prime of Miss Jean Brodie“ und „Heavenly Creatures“. Reibungslos ist ihr und ihren Co-Autoren Ben Court („Marian, again“) und Caroline Ip („the Hole“) die örtliche wie zeitliche Verlegung der Handlung geglückt: Im Angesicht der sich intensivierenden politischen Lage im Vorfeld des zweiten Weltkriegs empfand ich die isolierte Location im Europa des Jahres 1934 als clever gewählt sowie überdies zu der fragil-unsicheren Basis-Stimmung passend. Trotz einer hohen Dialogqualität und ergiebigen Charakterzeichnung krankt das Skript allerdings an einigen kleineren Verfehlungen, welche dem Film unterm Strich doch ein wenig schaden: In Teilen ist die Story einfach zu „traditionell“ ausgefallen, um einen wirklich packen zu können – was von den „gängigen“ Rivalitäten und Verhaltensweisen unter Internatsschülern bis hin zu der Feststellung reicht, dass manche Elemente recht vorhersehbar geraten sind, wie etwa im Bereich der Einbindung von Fiamma´s Atemproblemen. Abgesehen davon gibt es aber annähernd nichts zu kritisieren: Der Verlauf entfaltet sich ruhig und unüberhastet, die Kamera-Arbeit von John Mathieson („Gladiator“) ist erstklassig und der Score Javier Navarretes („Pan´s Labyrinth“) vorzüglich. Als Regisseurin beweist Scott echtes Talent und erlaubt sich nahezu keine „Anfängerfehler“ – wobei sie aber ruhig auf die (erneut mal wieder) als Metapher herhaltenden Sequenzen „sich in Zeitraffer öffnender Blumenblüten“ hätte verzichten können. Unabhängig solcher Kleinigkeiten gefiel mir der generelle Stil ihrer Umsetzung sowie ihr beseeltes Auge fürs Arrangieren und Einfangen feiner Blicke, Gesten und sonstiger Einzelheiten anstandslos gut – weshalb ich jetzt schon ziemlich gespannt auf ihr nächstes Projekt bin…

Fazit:  „Cracks“ ist ein kraftvolles, komplexes, hochwertig besetztes, exquisit bebildertes und kompetent in Szene gesetztes Drama, welches Themen wie die häufig vorhandene Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit oder die umfassende Bedeutung einer verantwortungsvollen Vorbereitung junger Adoleszenten auf das „wahre Leben“ aufgreift. In erster Linie lebt das Werk von seiner dichten unheilschwangeren Atmosphäre und den tollen Leistungen seines weiblichen Cast-Ensembles – während vereinzelte „Enttäuschungen“ auf Seiten des Drehbuchs ein Ausschöpfen des vollen Potentials der Materie letztlich allerdings (mehr oder minder knapp) verhindern…

starke

Hierzulande ist der Film im April 2012 unter seinem Originaltitel “Cracks” auf DVD und BluRay (aus dem Hause der “DTP Entertainment AG”) veröffentlicht worden – worüber hinaus uns die “Delta Music & Entert. GmbH & Co. KG” ein Jahr später eine Neuauflage unter dem Titel “Secret of the Girl School” bescherte. Beide Versionen sind uncut und weisen eine “FSK16”-Freigabe auf. In Großbritannien wird das Werk indes von “Optimum/StudioCanal” vertrieben.

Stefan SeidlCracks

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Cracks

Copyright der Cover und Pics: DTP Entertainment AG/Delta Music & Entert. GmbH & Co. KG (D) / Optimum/StudioCanal (GB) / IFC Films (US) __ Infos zur deutschen VÖ: Freigabe: FSK-16__ Geschnitten: nein__ Blu Ray/DVD: ja/ja__

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