Originaltitel: Mad Max: Fury Road__Herstellungsland: Australien__Erscheinungsjahr: 2015__Regie: George Miller__Darsteller: Tom Hardy, Charlize Theron, Nicholas Hoult, Zoë Kravitz, Rosie Huntington-Whiteley, Riley Keough, Nathan Jones, Megan Gale, Hugh Keays-Byrne, Josh Helman, Debra Ades, Abbey Lee, Richard Norton u.a. |

What a lovely day: Nach 30 Jahren erblickt ein neuer „Mad Max“-Film das Licht der Leinwand, dieses Mal mit Tom Hardy in der Titelrolle
Seit 1999 hatte George Miller, Regisseur der originalen „Mad Max“-Trilogie, die Idee einer weiteren Fortsetzung des Films, versuchte das Projekt seit 2003 in die Tat umzusetzen, doch erst 2015 erblickt „Mad Max: Fury Road“ das Licht der Leinwand, ohne Mel Gibson als Hauptdarsteller, der unter anderem aus Altersgründen ausschied.
Denn der vierte „Mad Max“ spielt zeitlich zwischen dem ersten und dem zweiten Teil, zu einer Zeit, nachdem der Kollaps der Welt sich bereits vollzogen hat und Max Rockatansky (Tom Hardy) droht dem Wahnsinn anheim zu fallen. Er durchstreift die postapokalyptische Ödnis, wird aber von den Häschern des Warlords Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) geschnappt und eingesackt. Ein Fluchtversuch aus dem Lager misslingt, den George Miller etwas überhektisch und unbeholfen inszeniert, ähnlich schwach auch die kurzen Flashbacks zu den früheren Verlusten Max‘, die ebenfalls etwas sehr abrupt auf den Zuschauer niederprasseln.
Joe herrscht über sein Reich, indem er das Wasser, eine der wichtigsten Ressourcen kontrolliert. Zwei nahe Städte, ebenfalls fest in Warlord-Hand, verfügen mit Benzin und Patronen jeweils über eine der beiden anderen zentralen Ressourcen und befinden sich im Tauschhandel mit Joe. Während Max noch als lebende Blutkonserve für den schwerkranken Krieger Nux (Nicholas Hoult) im Lager dient, schickt Joe einen Tross unter der Führung von Imperator Furiosa (Charlize Theron) zwecks Handel los. In kurzen, aber prägnanten Strichen skizziert Miller das Gesellschaftssystem des Warlords, der gleichzeitig religiöser Leader mit Walhalla-Mythik ist, das Volk durch Wasserknappheit kurz hält und einen Harem an jungen Frauen hat, die ihm neue Krieger gebären sollen.
Genau diese fünf Frauen hat Furiosa jedoch heimlich an Bord ihres massiven Kriegslasters geschmuggelt und probt die Flucht. Joe und sein Heer nehmen die Verfolgung auf, wobei Nux seine lebende Blutkonserve einfach an sein Auto schnallt. Doch nach einem ersten Scharmützel kann Max entkommen und sich mit Furiosa zusammentun, während man sie über die Fury Road jagt…
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‚Mad‘ Max Rockatansky (Tom Hardy) und Imperator Furiosa (Charlize Theron) als schlagkräftiges Team
„Mad Max 4“ orientiert sich vor allem zweiten und meistgeschätzten Film der Reihe, vor allem an dessen finaler, sehr langer Jagd auf den Tanklaster, die hier mehr oder weniger auf Spielfilmlänge gedehnt wurde, wenn auch mit einigen Ruhepausen. Millers neuer Film ist atemloses Kino mit wenigen Boxenstopps, das einfach und reduziert daherkommt, aber trotzdem nicht eintönig oder gar langweilig bei der dauernden Jagd wird. In den Pausen hingegen entfaltet der Film eine eigenwillige Poesie, etwa wenn er das Zerbrechen der Hoffnung einer Figur oder das Gespräch zwischen einer zarten Frau und einem vom Leben enttäuschten Todkranken in stille, sanfte Momente packt, die einen Kontrast zur martialischen Action des Films bilden, aber dennoch mit ihm harmonieren.
Derartige Szenen teilen sich auf die Figuren des Films auf, wobei Max selbst nicht im Mittelpunkt steht: Die ersten drei Filme haben seine Geschichte und die des Gangs des Welt erzählt, vom Ende der Zivilisation im Erstling über die unmenschliche Postapokalypse in „Mad Max 2“ bis hin zu Hoffnung und Wiederaufbau im dritten Teil. Kleine Anspielungen auf die Vorgänger sind für den Kenner zu finden, notwendig für das Verständnis des Films sind sie aber nicht. Insofern ist „Mad Max 4“ eine Ergänzung, die sowohl ohne Kenntnis der Vorgänger funktioniert als auch diese für sich bestehen lässt, in der Max als mythisch überhöhte Kriegerfigur auftaucht, was vor allem eine Aktion verdeutlicht, die bezeichnenderweise nicht gezeigt wird: Allein und leicht bewaffnet stellt sich Max einigen Verfolgern entgegen, kehrt schließlich mit deren Waffen beladen zurück und das Blut, das in seinem Gesicht klebt, das ist nicht von ihm. Allerdings bleiben auch die anderen Figuren eher markige Archetypen als feingeschliffene Charaktere; die Veränderungen im Verhalten aller Beteiligten, etwa wenn Max vom widerwilligen Helfer zum engagierten Retter wird, ergeben sich zwar stimmig aus der Handlung, sind aber nicht mit besonderem Feinschliff gekennzeichnet und wirken daher manchmal wie Hau-Ruck-Stimmungswechsel.

Gewaltige wie detailreich gestaltete Fahrzeugarmeen bestimmen auch diesen Teil der Reihe
Aber das macht nichts, denn „Mad Max 4“ ist ein ehrlicher Film der groben Kelle, was sich auch in den wuchtigen Actionszenen manifestiert. Dabei beweist Miller Einfallsreichtum, etwa wenn er einen Nahkampf zwischen drei Personen zeigt, die alle jeweils eigene Interessen haben, zwei sind aneinander gekettet, die dritte hat nur einen Arm, während eine Pistole, die Kette und eine Autotür wichtige Requisiten in dem Fight sind. Vor allem aber ist es die bekannte „Mad Max“-Mischung aus rasanten Verfolgungsjagden und gleichzeitigen Kampfhandlungen, die den Film prägt und Miller ist hier klug genug jede Menge Abwechslung zu bieten: Zwar ist Furiosas Kriegslaster eigentlich immer das verfolgte Fahrzeug, doch die Gegner greifen mit immer neuen Strategien und Vehikeln an, von stachelbewehrten Autos über aufgemotzte, schwere Bagger bis hin zu mit langen Stangen versehen Fahrzeugen, die ein Entern durch Heranschwingen ermöglichen. So bleibt die Variation in dem größtenteils handgemachten Actiontreiben bewahrt, bei dem lediglich 20% der Effekte aus dem PC stammen und diese vor allem für Szenen wie gigantische Sandstürme verwendet werden. Die spektakulären Stunts und Autocrash leben dabei von der Inszenierung, vor allem dem wuchtigen Sounddesign, das den Impact jedes Unfalls noch mal auf den Zuschauer überträgt.
Passend dazu ist auch der eingängige wie tönende Soundtrack von Junkie XL („Run All Night“), der gleichzeitig auch intradiegetische Entsprechung findet: Die Fieslinge nehmen zum Aufpeitschen einen Musiktruck mit in die Schlacht, bemannt mit einem gigantischen Lautsprecherturm, vier Trommlern und einem E-Gitarristen, dessen Instrument Feuer spuckt. Das ist nur eine der vielen, extrem abgefahrenen Designideen, die „Mad Max 4“ auszeichnen: Jeder Gegenstand, jedes Fahrzeug, jede Apparatur wurde mit Liebe zum Detail und mit Einfallsreichtum gestaltet, ist bereits ein Blickfang für sich. Dabei hilft, dass „Mad Max 4“ so viel Knete zur Verfügung hatte wie sonst kaum einem Endzeitactionfilm, traditionell eher ein B-Genre, in dem Werke wie „The Book of Eli“ oder dieser hier Ausnahmen sind, die die Regel bestätigen.

Gezeichneter Krieger: Nux (Nicholas Hoult)
Hinter dem Design treten die Schauspieler teilweise in den Hintergrund: Hugh Keays-Byrne („Die Jugger“), bekannt als Toecutter aus dem ersten „Mad Max“, B-Actionstar Richard Norton („China O’Brien 2“) und Wrestler Nathan Jones („The Condemned“) – alle Australier – verschwinden etwas hinter dem Make-Up ihrer Fieslingsfiguren, ähnlich wie schon manche Schurken der Vorgänger, was aber angesichts der großartigen Aufmachung nicht schlimm ist. Auch die Hauptdarsteller sind passagenweise verdeckt: Tom Hardy („The Dark Knight Rises“) hinter einer Metallmaske, Nicholas Hoult („X-Men: First Class“) unter weißer Schminke und Charlize Theron („Prometheus“) unter einer Kriegsbemalung aus Motoröl. Und doch kann jeder der drei noch schauspielerisch genug im Rahmen des Actionvehikels glänzen und Akzente setzen, seine Kriegerfigur zum Leben erwecken. Durchwachsen dagegen die Leistungen der fünf Ehefrauen: Zoë Kravitz („Divergent“) bleibt unauffällig, bei Model Rosie Huntington-Whiteley („Transformers 3“) ist man froh, dass ihre Rolle eher klein ist, während Riley Keough („Magic Mike“) dagegen überraschend stark aufspielt.
Doch wichtiger als die schauspielerischen Leistungen sind hier die Ideen, die man oft angesichts des hohen Tempos kaum mitbekommt. So hat fast jede Figur einen kreativen, manchmal auch absurden Namen (Toast the Knowing, The Bullet Farmer und The Organic Mechanic sind nur einige Beispiele), den man teilweise erst im Abspann erfährt. Andere Einfälle sind dagegen offensichtlicher, etwa die Frauengang, die nach den zahlreichen Männerbünden der Filme und dem Kinderstamm aus „Mad Max 3“ eine logische Ergänzung ist. In Sachen Frauenrollen erweist sich Miller sowieso als sehr fortschrittlich: Kriegerinnen wie Furiosa können Max zwar als kompetenten Helfer gebrauchen, sind aber gleichzeitig nicht auf seine Rettung angewiesen, können es sogar zum Vorteil einsetzen, wenn man(n) sie aufgrund ihres Geschlechts unterschätzt.
Manchmal erlaubt sich George Miller bei „Mad Max 4“ zwar kleine Schnitzer wie die unbeholfenen Trauma-Flashback Max‘, doch hier ist die Poesie der Bilder wichtiger als die Tiefe der Figuren, die Attraktion der Action wichtiger als die Komplexität der Handlung. Ein ebenso tempo- wie einfallsreicher Endzeitactionfilm, dessen Budget man auf der Leinwand sieht, eine rund zweistündige Hatz, die nie ermüdet oder sich wiederholt. Trotz kleiner Schönheitsfehler: Ein echtes Brett, ohne Wenn und Aber.
„Mad Max: Fury Road“ startet am 14. Mai 2015 ungekürzt mit einer Freigabe ab 16 Jahren in den deutschen Kinos.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Warner__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 14.5.2015 in den deutschen Kinos |