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The Flesh & Blood Show

Originaltitel: The Flesh & Blood Show__Herstellungsland: Großbritannien__Erscheinungsjahr: 1972__Regie: Pete Walker__Darsteller: Ray Brooks, Jenny Hanley, Luan Peters, Robin Askwith, Candace Glendenning, Tristan Rogers, Judy Matheson, David Howey, Elizabeth Bradley, Rodney Diak, Penny Meredith, Sally Lahee u.a.

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Mediabook Cover B

Mediabook Cover B von “The Flesh & Blood Show”

Es ist eigentlich die reine Unvernunft, mit deren Bestrafung das Slasher-Genre im Laufe der Jahrzehnte zu seiner Formel gefunden hat. Wenn Jugendliche oder junge Erwachsene an einem isolierten Ort von einem Psychopathen gejagt und dezimiert werden, dann haben sie das in der Regel damit verdient, dass sie keine anderen Bedürfnisse in ihren kleinen Spatzenhirnen mit sich tragen als Drogen, Sex und Besinnungslosigkeit.

Nun wäre Pete Walker nicht Pete Walker, wenn er sich einfach mit den gemeinen Slasher-Konventionen begnügen würde. Natürlich hatten die sich zur Entstehungszeit von „The Flesh & Blood Show“ auch noch gar nicht vollständig gebildet. Zwar sind auch die jungen Briten im vorliegenden Proto-Slasher ständig nackt, laut und ordinär, allerdings repräsentieren sie nicht etwa den Selbstzweck der momentbezogenen Party-Kultur, die dann von „Freitag der 13.“ bis „Scream“ im Visier des Killers liegen würde. Vielmehr stehen sie für einen progressiven Zeitgeist der darstellenden Künste, des Aufbruchs und der Veränderung.

Gleich in der Eröffnungsszene liegen zwei Frauen miteinander im Bett, die eine nackt, die andere zumindest halb. Als es an der Tür klingelt, hüpft die Nackte zur Tür und öffnet zögerlich, alles in allem aber doch recht unbefangen die Tür. Innerhalb von nur einer Minute liegt das konservative Weltbild in Bezug auf gleichgeschlechtliche Beziehung und Schamgefühl gleich doppelt in Scherben. Und dann steht da auch noch ein blutender Kerl mit Messer im Bauch vor der Tür; wie sich herausstellt ein alberner Schauspieler, der bloß so tut, als sei er schwer verletzt. Ist den jungen Leuten denn gar nichts mehr heilig?

So verzichtet Walker zwar nicht darauf, seine arglosen Schlachtlämmer am Vorabend der Schlachtung mit Egozentrismus vom Feinsten auszustatten, doch er macht es eine Spur perfider als die meisten seiner Kollegen: Er behauptet nämlich, dass sie bei all dem Nonsens, den sie verzapfen, dennoch ihre Fußstapfen hinterlassen, und wenn es auch nur die Schauspielkultur ist, auf die sie Einfluss nehmen.

Das passt natürlich zur realitätsnahen, groben Inszenierung des Regisseurs und der kontemporär geprägten Auswahl seiner Stoffe, befasst er sich doch stets gerne mit dem England der Gegenwart und zeigt auf, wie Relikte einer altmodischen Vergangenheit verzweifelt versuchen, ihren Einfluss auf die Moderne zu bewahren, der ihnen langsam zu entgleiten droht. Hier ist es nun ein verfallener Theatersaal, errichtet auf einem Pier, der das alte Gebäude symbolisch passend vom Festland und somit von der Zivilisation trennt. Barocke Kulissen und Kostüme modern darin offenbar seit Jahrzehnten vor sich hin. Als die Theaterdarsteller die Kulisse betreten, weht ihnen die Nostalgie verflossener Jahrzehnte entgegen – eine Aura, die den gerümpften Nasen nach zu urteilen nichts Schmeichelhaftes verströmt. Kaum sind sie jedoch eingetroffen, bemächtigen sie sich auch schon des Ortes und erfüllen die Luft mit Jugend. Selbst wenn das bedeutet, dass sich die ein oder andere Statistin auch mal oben ohne quer über die Stühle legt und ein Nickerchen macht.

Eine kurze Sneak Peek auf “The Flesh & Blood Show”

httpv://www.youtube.com/watch?v=biVHGXQlQ3M

Fleisch wird in der „Flesh & Blood Show“ demnach reichlich geboten – zu viel womöglich, im Übrigen auch nach Einschätzung des Regisseurs selbst. Zwar stammt er ursprünglich aus dem Erotik-Bereich, doch wo Übergänge ins Horror- Thriller- und Krimi-Fach geschaffen werden wollen, sollten Altlasten natürlich irgendwann abgestreift werden – was durchaus in Walkers Interesse gewesen wäre, gäbe es da eben nicht die ewigen Vorgaben einer mit Geldern finanzierten Filmproduktion. Einen solchen Übergang hätte eine Kelle blutiger Soße schaffen können, die zu Filmbeginn nach einem Schrei der Marke „Scream Queen“ in die Nordsee vor Cromer suppt, doch mit jedem nachfolgend abgestreiften BH und Höschen sieht Walker seine künstlerische Integrität im Anschluss zu Recht bedroht. Das Resultat: Er inszeniert in diesen Momenten in einem spürbaren Zwiespalt und kurbelt widerwillig ab, was nun mal abgekurbelt werden muss. Praktisch jede Nebendarstellerin darf sich zumindest zu einer Gelegenheit entkleiden; ein Prozess, der nur in wenigen Ausnahmen mit gialloesker Ästhetik entschuldigt werden kann, sondern zumeist durchschaubares Ergebnis einer unentschlossenen Hybridisierung zwischen kommerziellem Schmuddelfilm und halbwegs ambitioniertem Horror-Thriller ist.

Zu den Altlasten ist auch eine etwa zehnminütige 3D-Sequenz gegen Ende zu zählen. Hier wird ein vermeintlicher Höhepunkt per Anaglyph-Brille in die dritte Dimension versetzt. Es handelt sich dabei um einen Zaubertrick, der an längst vergangenes Sensationskino erinnert, mit denen die Filme des Briten eigentlich nichts zu tun haben sollten – und doch ist es auch ein Rückbezug auf die frivole Komödie „Four Dimensions of Greta“ aus der eigenen Filmografie.

Umgekehrt werden sich Gorehounds über mickrige Portionen beschweren. Es gibt den ein oder anderen morbide hergerichteten Leichenfund und auch mal eine Vermummten-Attacke im Stil italienischer Genrefilme (stöhnende Gestalten, die schwer aus einer Maske atmen), doch ansonsten bevorzugt Walker es, den Zuschauer auf dem gleichen Informationslevel zu halten wie die bis dahin Überlebenden. Wenn überhaupt, wird ihnen nur ein Blick auf das Resultat gewährt, nicht auf das crimen flagrans. Dazu passt auch die sehr dunkle Ausleuchtung, in denen die fahlblassen Körper der Akteure gleich doppelt ins Auge springen, sind sie doch praktisch der einzige Blickfang in einem konturlosen Durcheinander aus Gerümpel. Oft wird tief in den Raum gefilmt, ohne dass der Bildkader sich die Tiefe zu nutzen machen könnte. Gestalten, die im Dunkeln lauern, bleiben auch im Dunkeln; man könnte ebenso gut selbst im Theater festsitzen, denn vor dem Fernseher hat man kaum einen besseren Überblick.

Walker ist eben eher einer, der über inhaltliche Kontexte und Dialoge Geschichten erzählt, weniger über visuelle Stimulation. Zu den besten Momenten des Films gehört sicherlich eine Szene in einem Café, als die Theaterbande an ihrer Tischgruppe mächtig Radau macht und plötzlich auf einen alten Mann aufmerksam wird, der mit seinem Hund in einer Ecke sitzt. Der zeigt sich wider Erwarten nicht etwa reserviert, sondern überaus angetan von dem frischen Wind, den die jungen Menschen in seinen Ort bringen. Das Gespräch nimmt dann einen bisweilen unerwarteten Verlauf, mit dem im Grunde der gesamte Subtext des Films exakt auf den Punkt gebracht wird. Hier lässt Walker dann auch die Qualitäten aufblitzen, die er in seinem Spätwerk zu äußerst soliden Themenfilmen mit gesellschaftskritischen Untertönen verarbeitet hat.

Ansonsten erreicht er mit „The Flesh & Blood Show“ allerdings noch nicht den hohen Nährgehalt von „Haus der Peitschen“ oder „Haus der Todsünden“. Es ist ein Übergangsfilm auf dem Weg zu höheren Weihen, der noch damit hadert, die Seile vollständig zu kappen. Besonders spannend, blutig oder schön gefilmt ist er auch nicht. Aber es ist vom grauen Schnodder-Look bis zum Kampf der Generationen ein waschechter Pete Walker, keine Frage.

5 von 10

Informationen zur Veröffentlichung von “The Flesh & Blood Show”

The Flesh & Blood Show - Cover A, B und C

Die Mediabooks zu “The Flesh & Blood Show”

Pete Walker, die Dritte

Willkommen zurück in der halbwegs überschaubaren Pete-Walker-Filmografie, die sich das Mülheimer Label Wicked-Vision vor einigen Jahren zur Brust genommen hat mit dem Ziel, sie so vollständig wie möglich mit Heimkino-Releases zu versorgen. „Haus der Peitschen“ und „Haus der Todsünden” sind bereits abgehakt, mit „The Flesh & Blood Show“ geht es nun in die dritte Runde… und ein Stück in die Vergangenheit, denn dies ist erst Walkers dritte Arbeit jenseits seiner Erotik-Eskapaden.

Die Mediabooks

Diesem hier traut man wohl einen etwas höheren Abverkauf zu als dem mit religiösen Themen gespickten „Haus der Todsünden“ aus der Vorgänger-Edition, denn anstatt 777 Stück beträgt die Gesamtauflage nun wieder 888 Stück (was aber immer noch 111 Stück weniger sind als die Nr. 1 der Reihe). Die Hälfte davon ist für das gezeichnete Originalmotiv belegt, das sich verständlicherweise auf das eine spektakuläre Mordinstrument des Films konzentriert, eine Guillotine mit blutiger Schneide. Im Hintergrund lacht dann noch eine Rasputin nicht unähnliche Gestalt, die in einer weiteren Perspektive noch ein Opfer davonschleppt. Cover B und C (je 222 Einheiten) konzentrieren sich dann eher auf den Aspekt des Fleisches. Cover C wirkt durch den blass-trüben, seltsam leer wirkenden Hintergrund vielleicht ein wenig bieder (wenn es vielleicht auch die Filmoptik am besten wiedergibt), die B-Variante überzeugt dagegen mit einem perspektivisch sehr gelungenen Low-Angle-Shot auf den Pier (bei stürmischem Meer) und das ansprechende Zusammenspiel aus Farben im Blau-, Violett- und Pink-Bereich, wodurch diese Variante übrigens sehr gut zum Cover B der „Pete Walker Collection No. 2“ passt, das ähnliche Farben verwendete.

Das Booklet

Im Mediabook finden wir ein 24-seitiges Booklet mit einem Text von Dr. Rolf Giesen. So richtig viel jenseits der reinen Fakten und Produktionsdetails möchte ihm allerdings diesmal nichts zum Betrachtungsgegenstand einfallen. Eröffnet wird mit einer Inhaltsangabe und dem daraus geschlossenen Bezug zu den „Ten Little Niggers“ von Agatha Christie, dessen Struktur zur Blaupause für unzählige Whodunits geworden ist. Giesen fährt fort mit einer ausführlichen Biografie des Regisseurs, was ihn schließlich zu einem durchaus interessant zu lesenden Exkurs über das Casting in der Erotik-Filmbranche führt. Das ist nicht völlig fehl am Platz, weil eben auch in „Flesh & Blood Show“ Casting für Nacktszenen betrieben wurde; der Bezug liegt aber doch eher auf dem Karrierestart Walkers.

Das Thema wird dann recht abrupt von „Sex“ auf „Horror“ gewechselt und Walker irgendwo dazwischen eingeordnet. Ferner sei er ausdrücklich kein Autorenfilmer – eine These, die uns zu einer weiteren Biografie über den Drehbuchautoren Alfred Shaughnessy führt. Schließlich wird der Film noch ein wenig anhand seiner Slasher-Ingredienzen umrissen, insgesamt hätte man sich jedoch vielleicht noch etwas mehr Interpretation und inhaltliche Einordnung gewünscht.

Neben dem Haupttext gibt es noch ausführliche Details zu Besetzung, Technik und Aufführungsdaten, dazu Angaben zur Synchronisation und diverse Schlagzeilen. Natürlich schmücken auch viele Szenenfotos den Textteil. Ansonsten gibt es noch Poster anderer Walker-Filme, darunter „House of Whipcords“, „Dirtiest Girl I Ever Met“, „Three Dimensions of Greta“ und „Frightmare“. Hier wäre es vielleicht wegen des thematischen Bezugs schöner gewesen, die Artworks der zusätzlichen Covermotive stattdessen aufzunehmen.

Welcome to the Third Dimension – Bild und Ton

Das Booklet-Cover ist diesmal übrigens ein ansonsten nicht verwendetes Werbeposter mit dem Alternativtitel „Asylum of the Insane“ mit Fokus auf die 3D-Vermarktung. Man sollte das Plakat ziemlich ernst nehmen, denn tatsächlich beinhaltet der Film eine etwa 10-minütige 3D-Sequenz (siehe Kritik), die so auch den Weg in die Filmpräsentation gefunden hat. Das ist gut zu wissen, denn eine anaglyphe Grün-Rot-3D-Brille liegt dem Paket leider nicht bei. Nach Möglichkeit sollte man mal seine Filmsammlung durchforsten (ein paar Tipps für die flotte Suche: Die Reise zum Mittelpunkt der Erde [DVD], Ready Player One [Blu-ray VHS-Edition], Street Dance 3D, Final Destination 4 – 3D [DVD], Shrek 3D [Blu-ray]…). Ohne ist die Sequenz natürlich nicht ganz so hübsch anzuschauen.

Pete Walker

Pete Walker spricht über seine Karriere.

Davon abgesehen weist das Bild ähnliche Charaktermerkmale auf wie die bisher veröffentlichten Walker-Streifen. Das Schmuddelige, Dunkle gehört einfach zu seiner Signatur. Dem Audiokommentar ist zu entnehmen, dass diese Edition dennoch wichtige Details zutage bringt, die bei der alten DVD einfach untergegangen sind – unter anderem eben auch die Gestalt, die nachts an der Küste herumlungert, bevor sie sich hustend zu einer Dame auf die Bank setzt. Beim Ton (Englisch und Deutsch DTS-HD MA 2.0 Mono) sind keine größeren Störfeuer aufgefallen, besondere räumliche Effekte sind aber bei so einem Film selbstverständlich nicht zu erwarten.

Die Extras

Kommen wir also zu den Extras. Hier ist diesmal nicht ganz so viel zu holen. Es gibt eine Featurette namens „Flesh, Blood & Censorship“, bei der es sich eigentlich um ein 12-minütiges Interview mit Pete Walker handelt. Er wirft einen Blick zurück auf seine nicht ganz so erfolgreichen bzw. ausdauernden Tage als Comedian und seine Zuwendung zum Film mitsamt aller Einschränkungen, die sich durch Zensur oder kommerzielle Interessen ergeben. Schließlich geht er noch auf mögliche Vorbilder ein und erläutert, weshalb er findet, dass im Grunde kein Regisseur ein Vorbild hat oder haben sollte.

Nehmen wir die obligatorischen Trailer und die Bildergalerie mal aus, bleibt ansonsten nur noch die anaglyphe 3D-Sequenz aus dem Film übrig, die nochmals zusätzlich in den Extras-Bereich ausgelagert wurde. So recht erschließt sich der Sinn nicht, ist diese Sequenz doch genau so bereits im eigentlichen Film zu sehen. Wertvoller wäre es gewesen, sie stattdessen noch einmal in 2D vorzufinden (idealerweise sogar zwei unterschiedliche Filmversionen, einmal in 3D und einmal in 2D), aber es ist wohl anzunehmen, dass diese Version nicht zur Verfügung stand.

Mit dem Audiokommentar wurde außerdem noch eigener Content produziert. Booklet-Autor Naumann trifft sich hier mit Christopher Klaese und Matthias Künnecke. Es ergibt sich ein sehr angenehmer Redefluss, bei dem alle Parteien relativ gleichmäßig und ohne allzu viele Unterbrechungen zu Wort kommen. Obwohl jedoch offenbar viel Recherche betrieben wurde und sich ein Zuhören schon wegen der vielen Details zu den Hintergründen lohnt, kommt am Ende wieder ein wenig das Gefühl auf, dieser Film stelle selbst die Experten vor ein Rätsel; vielleicht, weil die Referenzen des Films zum Greifen nah sind, und doch bleiben sämtliche Vergleiche zum Scheitern verurteilt. Walker eben.

Bildergalerie von “The Flesh & Blood Show”

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