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The Prodigy

Originaltitel: The Prodigy__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2005__Regie: William Kaufman__Darsteller: Holt Boggs, Matt Beckham, Diana Lee Inosanto, Mirelly Taylor, Lawrence Varnado, Marc Hébert, Mark Hanson, Jay Moses, Marc Jeffreys, Russell White, Dameon Clarke, Glen Vorhis, Ron Balicki u.a.
The Prodigy

William Kaufmans Spielfilmdebüt „The Prodigy“ vermischt den Gangsterthriller mit Einflüssen aus dem Action- und dem Horrorfilm

Mit einem Budget, das je nach Quelle zwischen 114.00 und 219.000 Dollar geschätzt wird (und was beides Peanutsbeträge im Filmgeschäft sind), drehte William Kaufman sein Spielfilmdebüt „The Prodigy“, was ihm eine Karriere als Actionregisseur ermöglichte.

„The Prodigy“ erzählt die Geschichte des Mafiahandlangers Truman Fisher (Holt Boggs), der nach einer schweren Kindheit zum fähigen Erfüllungsgehilfen eines Gangsterbosses aufstieg. So ist er auch derjenige, der dafür sorgen soll, dass ein Drogendeal über die Bühne geht, bei dem er seinen kleinen Bruder mitnimmt. Während Truman und seine Crew ein Mexican Stand-Off provozieren, schleicht sich ein Maskierter in den Nebenraum und massakriert einen weiblichen Gast in ausgedehnter Länge, die schon etwas geschmacklos ist, hat die Figur sonst keine Funktion über ihren Opferstatus hinaus. Doch das ist eines der Dinge, die den Stil von „The Prodigy“ im Positiven wie im Negativen auszeichnen: Der Film zieht viele Dinge in die Länge, auch das Stand-Off wird durch den (erzählerisch eher sinnfreien) Einschub unterbrochen, dass Truman und seine Jungs sich als Undercovercops ausgeben, drei Sätze später aber doch als Gangster mit gefälschten Marken enttarnt werden.

Der Maskierte überfällt die beiden Gruppen und richtet ein Blutbad unter den rivalisierenden Gangstern an, die sich gleichzeitig auch noch gegenseitig bekriegen. In der ausgedehnten Actionsequenz erwischt es alle Beteiligten bis auf Truman, der seinen Gegner schließlich im Nahkampf besiegt. Interessantes Detail: Bei vielen Darstellern in dieser Szene handelt es sich um Ex-Häftlinge, die mit ihren Bewährungshelfern abklären mussten, ob sie die Filmwaffen abfeuern durften ohne gegen ihre Bewährungsauflagen zu verstoßen.

Sechs Monate später leidet Truman immer noch unter dem Vorfall, soll aber helfen einen Entführer zu stellen, der den Neffen seines Bosses entführt hat. Allerdings muss Truman mit Erschrecken feststellen, dass dies anscheinend der Killer von vor sechs Monaten ist, der ihren Kampf überlebt hat. Truman stellt Nachforschungen über das Phantom an, das in der Unterwelt gefürchtet ist…

httpv://www.youtube.com/watch?v=dRCrLJU9mvw

Aus dieser Prämisse hat William Kaufman einen eigenwilligen, betont langsamen Genremix geschaffen, der den Abstieg seines Helden zeigt: Truman ermittelt, muss aber (wie so mancher Cop im Serienkillerfilm) feststellen, dass er eher Spielball im Plan des Unbekannten ist, der sich Claude Rains nennt, inspiriert von dem Klassiker „The Invisible Man“. Jede seiner Nachforschungen bei anderen Gangstern enthüllt neue Details über die Unterweltlegende (die anscheinend aber nicht zu Trumans Boss durchgedrungen sind), doch groß ist der Erkenntnisgewinn ist. Manchmal zerdehnt der Film die Informationsweitergabe künstlich, etwa wenn ein Kollege erst nicht alle Infos über Rains rausrückt, beim nächsten Besuch Trumans aber einen Sinneswandel hat und es auf einmal doch tut. Andrerseits erzeugt „The Prodigy“ so ein Gefühl der Bedrückung; auch an den Inserts zu sehen, in denen der verzweifelte Neffe dem Killer immer wieder entkommen will und dieser Gegenmaßnahmen ergreift, die an den Splatterfilm und den Torture Porn erinnern. Ob der Film von „Saw“ inspiriert wurde, ist nicht klar (aufgrund der zeitnahen Veröffentlichungen kannten die Macher James Wans einflussreichen Film zum Drehzeitpunkt eventuell nicht), aber die Figur des allmächtige wie sadistischen Planers hat schon etwas von Jigsaw. Man muss allerdings damit leben, dass die schlussendliche Enthüllung der Motive Rains etwas antiklimaktisch ist, nicht den gewünschten Wow-Effekt hat, da Kaufman dies schnell abfrühstückt und wenig erläutert.

Ein weiterer Einfluss ist das Horrorgenre, gerade wenn der maskierte Killer aus dem Hinterhalt zuschlägt, aber selbst als Gangsterfilm ist „The Prodigy“ nicht ganz eben: Gespräche unter Truman und seinen (irischstämmigen und meist streng katholischen) Kollegen über die Vorteile des Konvertierens zum Islam erinnern an Tarantino, der Wutausbruch von Trumans Kumpel Pat (Matt Beckham), wenn er einen maulfaulen Informanten zusammenschlägt, eher an die No-Nonsense-Gangster eines Martin Scorsese. Doch es ist auch dieser unberechenbare Mix, der zum Charme von „The Prodigy“ beiträgt.

Zudem trägt „The Prodigy“ auch Gene des Actionfilms in sich, die sich in den ausgiebigen Konfrontationen zeigen, die als Auftakt und Schluss eine Art Rahmen für den Film bilden. Als Mischung aus Schießereien, Nahkämpfen und Messerstechereien bieten sie nicht nur eine abwechslungsreiche (und recht harte) Palette innerhalb jeder Szene, ihre Choreographie kann sich auch sehen lassen. Dafür waren vor allem Stunt Coordinator Ron Balicki („A Good Man“) und seine Frau Diana Lee Inosanto („Spy – Susan Cooper Undercover“) zuständig – beide sind Schüler des wiederum von Bruce Lee trainierten Dan Inosanto, Dianas Vater. Doch auch William Kaufman hat seinen Anteil am Gelingen der Actionszenen, inszeniert diese dynamisch ohne Übersichtsverlust, auch wenn die Kontrahenten gerade in den Schießereien teilweise etwas sehr viel daneben ballern, obwohl einige von ihnen keine Deckung suchen.

Der Look ist rauh, lässt das niedrige Budget zwar erkennen, lässt den Film aber trotzdem teurer aussehen als die Summe, die er schlussendlich gekostet hat, was auch daran liegt, dass viele Leute mehrere Funktionen übernehmen. Ron Balicki und Diana Lee Inosanto haben Nebenrolle inne und produzierten, während William Kaufman das Drehbuch mit seinen Darstellern Holt Boggs („Sin City 2“) und Matt Beckham („Daylight’s End“) schrieb. Die beiden schlagen sich auch recht überzeugend in der Haupt- und der wichtigsten Nebenrolle, während Lawrence Varnado („Gegen jeden Zweifel“) als traumatisierte Handlanger King Akzente setzen kann. Der Rest vom Fest wirkt dagegen hin und wieder etwas unbeholfen; nicht alle Dialoge sind mit der entsprechenden Glaubwürdigkeit und Plausibilität gesprochen, die man sich erhofft, auch wenn der Cast keine groben Ausfälle zu verzeichnen hat.

Insofern ist „The Prodigy“ ein stellenweise durchaus beeindruckendes Langfilmdebüt, das gerade durch seine trostlose Atmosphäre der Geschichte eines Gangsters, der nicht mehr Herr über sein Leben ist, für sich einzunehmen weiß. Die zwei großen Actionszenen überzeugen durch Härte und Choreographie, die Darstellerleistungen sind meist okay und für sein Budget sieht „The Prodigy“ ziemlich gut aus. Gleichzeitig ist Kaufmans Film ungeschliffen, lässt gerade im Drehbuch und dem Zerdehnen des Plots, den man auch in 90 oder 100 Minuten hätte erzählen können, seine Schwächen erkennen. Dafür empfahl der Film den Regisseur für mehr, der fünf Jahre später den famosen „Sinners and Saints“ nachlegte.

Starke:

Trotz diverser Härten schaffte es „The Prodigy“ hierzulande ungekürzt mit einer Freigabe ab 18 Anfang 2006 bei Splendid/WVG Medien auf DVD zu erscheinen. Diese bietet den Film in deutscher und englischer Sprachfassung, als Bonusmaterial allerdings lediglich ein paar Trailer.

© Nils Bothmann (McClane)

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