Mit „Tone-Deaf“ legt Richard Bates jr. eine weitere satirische Horrorkomödie vor. Millennial Amanda Crew will nach dem Verlust ihres Jobs für ein Wochenende zu sich kommen und fährt dafür aus Land, wo sie ein Haus von Baby Boomer Robert Patrick mietet. Der alternde Mann will allerdings noch etwas nachholen, was er in seinem Leben bisher noch nicht getan hat: Einen Menschen umbringen.
| Originaltitel: Tone-Deaf__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2019__Regie: Richard Bates jr.__Darsteller: Amanda Crew, Robert Patrick, Hayley Marie Norman, Johnny Pemberton, Nancy Linehan Charles, AnnaLynne McCord, Tate Ellington, Ray Wise, Kim Delaney, Nelson Franklin, Ray Santiago, Ronnie Gene Blevins, Shane Brady, Gina Brown, Christian Calloway u.a. |

In „Tone-Deaf“ von Richard Bates jr. duellieren sich Baby Boomer Robert Patrick und Millennial Amanda Crew
Egal ob „Excision“, „Suburban Gothic“ oder „Trash Fire“ – mit schmalen Budgets und wiederkehrender Besetzung dreht Richard Bates jr. Horrorkomödien, die gleichzeitig satirische Bestandsaufnahmen der Gesellschaft sind. Auch „Tone-Deaf“ reiht sich da nahtlos ein.
Thema hier ist der Generationenkonflikt. Auf der einen Seite haben wir Olive (Amanda Crew): Großstädterin, Millennial, politisch links – und aktuell in der Krise. Dass sie ihre dysfunktionale Beziehung zu ihren Freund York (Nelson Franklin) beendet, mag eine gute Sache sein, dass sie ihren Job verliert, weil sie ihrem schmierigem Abteilungsleiter zu deutlich die Meinung geigt, dagegen weniger. Ihre beste Freundin Lenore (Hayley Marie Norman) rät ihr zu einem Ausflug übers Wochenende, um sich selbst und neue Wege zu finden. Amanda folgt der Empfehlung eher aus Rat- und Antriebslosigkeit, eine Reaktion genauso hohl und sinnentleert wie der ursprüngliche Ratschlag.
Ein kurzfristiges Angebot für eine Bleibe in einem leeren Landhaus findet sie im Internet, angeboten von Harvey (Robert Patrick). Der verkörpert die andere Seite des Generationenkonflikts: Ein Baby Boomer im ruralen Amerika, Witwer, konservativ. Er macht sich schlau über seinen potentiellen Gast, kommt diese ihm doch gerade recht. Denn gegen Ende seines Lebens will Harvey noch die eine Sache machen, die ihm auf seiner persönlichen Bucket List noch fehlt: Einen Menschen umbringen und wissen, wie sich dies anfühlt…
Schaut euch den Trailer zu „Tone-Deaf“ an
„Tone-Deaf“ ist ein typisches Kind seines Regisseurs und Drehbuchautors, zu dessen Handschrift auch der Verzicht auf viel äußere Handlung gehört. Schon früh wird das Publikum über die Intention des Vermieters aufgeklärt, sodass von Anfang an klar ist, in welcher Gefahr Olive schwebt. Das Script muss die Konfrontation dementsprechend hinauszögern und zieht die eine oder andere Spannungspassage daraus, etwa wenn Harvey die schlafende Mieterin im Landhaus beobachtet und überlegt, ob er bereits zuschlagen soll. Doch natürlich kann dies so früh im Film nicht passieren, weshalb immer das eine oder andere dazwischen funkt. Zwischendurch müssen dann noch ein paar Neben- und Randfiguren dran glauben, damit etwas los ist und das Horror- bzw. Serienmördergenre bedient wird, vor allem weidet sich „Tone Deaf“ aber an der Gegenüberstellung seiner Hauptfiguren und deren Lebensstile.
Als Satire teilt Bates‘ Film dann auch gegen alle vorkommenden Generationen aus. Olive merkt auf ihrem Trip als allererstes, dass sie eigentlich gar nicht aus der Großstadt weg wollte, füllt die Zeit sinnentleert auf Dating-Apps und mit LSD-Trips – letzteres ist laut einer Ortsansässigen eh die Methode der Wahl, um Zeit in dem Kaff totzuschlagen. Ihre Freundinnen und Kolleginnen sind kaum besser: Die eine hat eine Affäre mit dem Abteilungsleiter-Schmierlappen und zieht vom Tröste-Mädelsabend bei Olive direkt zum Date mit ihm weiter, Lenore ist sowohl genervt davon, wenn ihr potentieller One Night Stand aufgrund von exzessivem Kokskonsum keinen hochkriegt, als auch davon, wenn es dann doch endlich zum Akt kommen soll. Olives Hippie-Mutter Crystal (Kim Delaney) hat sich derweil von der Welt in eine Kommune zurückgezogen, praktiziert freie Liebe mit wesentlich jüngeren Lovern und will urplötzlich für die entfremdete Tochter da sein. Und keine von ihnen traut sich Olive die Wahrheit über ihr Klavierspiel zu sagen: Während diese immer wieder den Ton verfehlt (daher auch der Filmtitel), erntet sie bloß Lob und Anerkennung, weil die Leute sie aus falsch verstandener Solidarität nicht verletzen wollen. Doch so sehr sich „Tone-Deaf“ über die Marotten dieser Figuren lustig macht, so kommen sie dann doch unterm Strich besser weg als Harvey. Der idealisiert eine Vergangenheit, die es wohl lediglich in seinem Kopf so gab, und nutzt das Bucket-List-Argument nur als Vorwand für seine Tötungsabsichten. Denn die Erfahrung des Mordens macht er schon früh im Film, hört aber danach nicht auf, sondern macht emsig weiter. Olive soll der Höhepunkt seines mörderischen Schaffens werden, verkörpert sie als selbstbewusste Millennial-Frau, die beim Autofahren feministischen Rap hört, doch so gut wie alles, was Harvey verhasst ist.
Und doch haben die beiden Hauptfiguren etwas gemeinsam, nämlich ihr Anspruchsdenken, ihr Entitlement. Wenn Olive gefeuert wird, dann besteht sie noch darauf, dass sie doch eigentlich bis Freitag bleiben müsse – schließlich sei dann ja Free-Lunch-Friday und das kostenlose Mittagessen stehe ihr schließlich zu. Harvey hingegen glaubt, dass ihm und seiner Generation mehr Respekt zustehe, gerade von all denen, die in seinen Augen unwürdig sind: Millennials, die den Bezug zum „richtigen Leben“ verloren haben, Frauen, die ihren Platz in seinem Weltbild nicht kennen, Menschen, die seiner Definition nach keine harte Arbeit leisten. So sind die Konfrontationen der beiden Hauptfiguren, egal ob anfangs im Alltag oder später im Kampf auf Leben und Tod, von vollkommenen Unverständnis füreinander gekennzeichnet: Olive schreibt den Ferienhausvermieter per Direktnachricht im Millennial-Style mit den gängigen Abkürzungen und Redewendungen an, der besteht auf Cash-Zahlung und eine vorher nicht angekündigte Kaution, während sie lieber per Venmo latzen würde. Wenn er mit einem Tomahawk auf sie losgeht, dann wittert sie in erster Linie kulturelle Aneignung dahinter.
Das ist durchaus satirisch, allerdings alles andere als subtil und wiederholt sich bisweilen auch. So funktionieren manche Gags besser, wenn sie aus dem Nichts kommen, etwa wenn Olive ihren frisch gebackenen Ex-Freund aus der Wohnung wirft, ihn aber gleich noch dazu auffordert, auf dem Weg doch gleich noch den Müll rauszubringen. Hin und wieder hat die Story kleine Überraschungen parat, etwa wenn Harvey seine Zielperson stalkt und deren potentielles Date verfolgt, hin und wieder gibt es rabenschwarze Wendungen und böse Sprüche, die über den zugespitzten Generationenkonflikt hinausgehen. Bates jr. kann auch mit gewohnt surrealen Momenten aufwarten, wenn seine beiden Hauptfiguren Träume oder Visionen haben. Bei Olive sind es eher kurze, leicht verfremdete Bilder ihres verstorbenen Vaters, bei Harvey skurrile Träume, die den Charakter von Kunstinstallationen haben und an ihre Pendants aus „Excision“ erinnern. Auf klassische Horror- und Serienkillerelement e verzichtet Bates jr. dagegen eher: Wenn Harvey mit Messer, Zimmermannshammer und Tomahawk gegen all jene vorgeht, die er verachtet oder die ihm im Weg sind, dann ist das in seiner Konsequenz durchaus ruppig, aber wenig zeigefreudig. Das Finale liefert dann einen rüden Kampf auf Leben und Tod, bedient dann Genrestandards, aus denen Bates jr. aber mehr hätte rausholen können – anscheinend lagen sie ihm nicht am Herzen. Wesentlich mehr Überzeugung liegt da in der Auslotung von Körperlichkeit und Ekelmomenten, etwa wenn Harvey eine Spinne in Olives Kontaktlisenkästchen versteckt.
Ein echter Glücksgriff ist die Besetzung der Hauptrollen, vor allem Robert Patrick („Am Rande der Angst“). Der macht sich als verhärmter Witwer älter als er im realen Leben ist, liefert aber eine Glanzperformance als von sich überzeugter Drecksack ab, der auch mal den Hilflosen mimen kann, um seine Opfer in Sicherheit zu wiegen. Patrick spielt ihn mit der diabolischen Aura eines Mannes, der die moderne Welt nicht mehr versteht und mordend dagegen vorgeht. Ähnlich gut ist Amanda Crew („Meltdown – Wenn die Erde verbrennt“), die es schafft die Hauptrolle weder rein als oberflächlichen Airhead noch als strahlende Heldin anzulegen, sondern als Frau, die nicht genau weiß, was sie will – außer vielleicht nicht ermordet zu werden. Stark ist auch Kim Delaney als unkonventionelle Mutter, Ray Wise („The Bronx Bull“) und AnnaLynn McCord („America Has Fallen“) haben als Stammschauspieler des Regisseurs markige Nebenrollen, während Nelson Franklin („Puppet Master – Das tödlichste Reich“) wie schon so oft den weinerlichen Loser-Deppen gibt, aber das hat er dementsprechend drauf.
Die beiden Leads gehören dann ebenso wie die gewohnt ausdrucksstarke Inszenierung zu den Pluspunkten des Films, der den Generationenkonflikt zwar beißend satirisch aufgreift, sich in seinen Gags und Ansatzpunkten irgendwann wiederholt. Auch die eher simple Handlung ist nur Mittel zum Zweck, wird jedoch bei einer Laufzeit von unter 90 Minuten nicht über Gebühr strapaziert. Teilweise echt treffsicher, manchmal aber auch redundant – eine solide Sache, aber mit verschenktem Potential.
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„Tone-Deaf“ lief 2019 auf dem Fantasy Filmfest in Deutschland, wurde danach für längere Zeit nicht in Deutschland veröffentlicht. Am 20. Dezember 2023 erscheint er als Mediabook mit Blu-Ray und DVD bei Lucky 7, ungekürzt ab 16 Jahren. Als Bonusmaterial gibt es Trailer.
© Nils Bothmann (McClane)
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