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Interview mit Jürgen Kling zu „Crappy Christmas: Yuletide Suicide“

Interview zu „Crappy Christmas: Yuletide – Suicide“ von Jürgen Kling

Jürgen Kling arbeitet aktuell an seinem Knet-Splatterspaß „Crappy Christmas: Yuletide Suicide“. Copyright: Weirdoughmationfilms

Wer die Uncut Version der Weihnachts-Horror-Anthologie „Deathcember“ gesehen hat, kennt das berühmt berüchtigte Knetanimationssegment des filmischen Weihnachtskalenders: „Crappy Christmas – Operation Christmas Child“ (hier der Trailer). Der knallbunte, heftige und polarisierende Kurzfilm wurde in den USA und Großbritannien zensiert und aus den „Deathcember“-Veröffentlichungen geschnitten.

Auf zahlreichen, hauptsächlich europäischen Festivals hingegen räumte der Horror-Cartoon bisher 19 Preise und zwei Special Mentions ab. Nun steht das Team des Stop-Motion-Studios Weirdoughmationfilms aus dem Raum Frankfurt mit dem Nachfolger in den Startlöchern. Wir baten Regisseur Jürgen Kling zu einem kleinen Interview und verraten euch, wie ihr mittels Crowdfunding bei der Entstehung von „Crappy Christmas: Yuletide Suicide“ mithelfen könnt.

Zu der Crowdfunding-Aktion

Ein Blick zurück: Jürgen Kling über seinen Kurzfilm „Crappy Christmas – Operation Christmas Child“

Blicken wir zunächst ein wenig zurück: Wie wurdest du mit „Crappy Christmas – Operation Christmas Child“ Teil der Anthologie „Deathcember“?

Jürgen Kling: Im Oktober 2018 hatte sich Frank Vogt, einer der drei „Deathcember“-Produzenten, bei mir gemeldet und mich gefragt, ob ich Lust hätte, ein Segment zu der Anthologie beizusteuern. Wir hatten schon zusammen an den Fantasy-Filmfest-Trailern 2007 bis 2010 und am Musik-Video „ME“ der Band ASP aus Frankfurt gearbeitet. Frank hat auch die Postproduktion von „Crappy Christmas – Operation Christmas Child“ übernommen.

Wie lange hast du insgesamt an deinem Kurzfilm für „Deathcember“ gearbeitet?

Jürgen Kling: Die Vorproduktion dauerte vom 14. Januar 2019 bis zum 21. Februar 2019 und umfasste Storyboarding, Animatic, Setbuilding, Puppetmaking, Tests und mehr.
Die Dreharbeiten dauerten vom 22. Februar 2019 bis zum 13. April 2019, während denen parallel an zwei Stages/Sets mit zwei Units/Animatoren gearbeitet wurde.
Dann ging es in die Postproduktion. Hier habe ich zuerst Sprecher und Musiker gesucht, dann die Audioproduktion (Sprachaufnahmen, Musikproduktion, Geräusche) und Bildpostproduktion begleitet. Das waren noch einmal mindestens vier Wochen Arbeit.
Das war insofern recht heftig, weil andere Filmemacher ihre „Deathcember“-Segmente teils an nur einem Wochenende gedreht haben – und dabei das gleiche Budget zur Verfügung hatten wie ich.

Crappy Christmas Operation Christmas Child

“Crappy Christmas: Operation Christmas Child” war Teil der “Deathcember”-Anthologie. Copyright: Weirdoughmationfilms

Auf jeden Fall ist „Crappy Christmas – Operation Christmas Child“ sehr krass. Hättet du aber im Vorfeld geglaubt, dass der blutige Animationsspaß solche Probleme bekommen würde?

Jürgen Kling: Ich hatte den Produzenten nur eine ganz grobe Outline gepitched. Zum einen, weil ich damals noch gar kein 100-prozentig fertiges Drehbuch hatte – ich habe bis zur Mitte der Vorproduktion, quasi während des Bauens der Puppen und Props, noch gebrainstormed und an der Story gefeilt. Zum anderen, weil ich dachte, dass die Hessenfilm (die Hessische Filmförderung), die „Deathcember“ gefördert hat, meinen Plot sicherlich nicht gut geheißen hätte und ich mich weder zensieren lassen noch selbst zensieren wollte.

Mein Förderantrag zum neuen Film „Yuletide Suicide“, der dieses Jahr von der Jury der Hessenfilm abgelehnt wurde, hat mir dies im Nachhinein bestätigt. Dort wurde mir angeboten, das Skript nach Wünschen der Jury abzuändern und den Stoff erneut einzureichen. Dann wäre von meinem Film aber nicht mehr viel übrig geblieben.

Jedenfalls hatte ich damals bezüglich „Deathcember“ Frank gefragt, ob es von Produzentenseite irgendwelche No-Goes gäbe und ihm ein Mock-up des gepfählten Priesterkopfes gezeigt. Er meinte, dass es ein FSK-18-Projekt werden soll und es daher keine Einschränkungen gebe – zumindest nicht von seiner Seite. Wir haben dann etwas gewitzelt, dass es höchsten sein könnte, dass die Amis mein Segment zensieren könnten und ein „Banned in the USA“ ja irgendwie auch eine Art Auszeichnung wäre. So wie im Gegenzug ja alle legendären amerikanischen Horror-Schocker bei uns immer indiziert oder beschlagnahmt wurden.

Ich hätte aber eher nicht gedacht, dass es genauso kommen und sogar die FSK wegen Knetmännchen die Freigabe für „Deathcember“ verweigern würde. Im Gegensatz zur Busch Media Group, die für die Kunstfreiheit gekämpft, bei der FSK Einspruch eingelegt und erfolgreich eine Freigabe erwirkt hat, wollten die Käufer der US- und UK-Lizenz von „Deathcember“, Shout Scream Factory, wohl einfach keine Scherereien und haben meinen Film rausgeschnitten und durch ein anderes Segment ersetzt.

Der neue Kurzfilm „Crappy Christmas: Yuletide Suicide

Worum soll es in deinem neuen Projekt „Yuletide Suicide“ gehen?

Jürgen Kling: Wie bereits im Vorgängerfilm „Crappy Christmas – Operation Christmas Child“ bricht der Film mit den Sehgewohnheiten des Mainstream-Kinos, indem er die eher niedliche Knetanimationsoptik, die der Zuschauer weiterhin primär dem Kinderprogramm oder familienfreundlichem Unterhaltungskino zuordnet, in Kontrast mit heftigen, oft tabuisierten, Themen setzt. Diesmal geht es um Depression, Suizid und Polizeigewalt. In „Crappy Christmas: Yuletide Suicide“ unternimmt Protagonist Kid mehrere (erfolglose) Suizid-Versuche. Dabei hinterlässt er eine Spur der Verwüstung an sich und seiner Umwelt. Zuletzt setzt Kid seine ganze Hoffnung in einen Brief an den Weihnachtsmann…

Szene aus Crappy Christmas: Yuletide Suicide

Eine Szene aus “Crappy Christmas: Yuletide Suicide”. Copyright: Weirdoughmationfilms

Du hast für „Yuletide Suicide“ eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben gerufen. Was finanzieren deine Backer?

Jürgen Kling: Das Crowdfunding kann keine Filmförderung ersetzen. Schon gar nicht bei einem Stop-Motion-Film, bei dem ich fünf Sekunden Film pro Tag drehe und die Dreharbeiten alleine fünf bis acht Monate dauern. Mit der Förderung hätte jeder Beteiligte Mindestlohn bekommen, wäre damit finanziell abgesichert gewesen und hätte sich somit Zeit für den Film einräumen können.

Nun versuche ich, mit dem Crowdfunding die Kosten zu decken: Energie, Heizung, Catering, Material, Fahrtkosten und so weiter. Dazu kommen Leistungen, die keiner im Team übernehmen kann, weil uns Technik oder Skills fehlen und für die wir bisher niemanden finden konnten, der es, wenn es hart auf hart kommt, für lau oder sehr wenig Gage machen würde. Hierzu zählen die Herstellung eines Puppenfells für Kids Hund Jassie, ein Foley-Artist und professionelle Sprecher.

Als nächster Posten wäre da eine geringe Gage für einen zweiten Animator. Diese Tätigkeit ist so langwierig, dass es sich ein Freelancer eigentlich nicht leisten kann, ganz ohne Geld monatelang am Projekt zu arbeiten.

Das nächste Level im Crowdfunding betrifft ein Festivalbudget. Viele wissen gar nicht, dass die Filmemacher die Festivals für jede Einreichung bezahlen müssen. Für „Operation Christmas Child“ habe ich über 600 Euro für Festivaleinreichungen investiert. Dabei habe ich ihn ausschließlich auf sehr kleinen Festivals eingereicht, denn größere und vor allem US-Festivals wollen für einen Kurzfilm ganz schnell mal 50 Dollar oder mehr.

Danach kommt im Crowdfunding-Plan der größte Posten: die EXTENDED VERSION. Wenn wir dieses Ziel erreichen, gibt es zusätzliche Szenen im Film und einen zweiten Super-Twist! Und wenn wir darüber hinaus noch Gelder einsammeln können, geht alles an die Beteiligten, die bis dahin mal wieder für Umsonst oder ein Taschengeld (manche auch für einen Kasten Bier) am Film tätig waren. Unseren detaillierten Crowdfunding-Finanzierungsplan findet man auf der Startnext-Seite.

Storyboard zum Crappy Christmas Kurzfilm

Ein Storyboard von “Crappy Christmas: Yuletide Suicide”. Copyright: Weirdoughmationfilms

Auf welche Herausforderung freust du dich bei deinem neuen Projekt am meisten?

Jürgen Kling: Es gibt ein paar beziehungsweise eigentlich eine ganze Menge Szenen mit Spezialeffekten, die, soweit geplant, mal wieder 100 Prozent händisch in Stop-Trick umgesetzt werden. Ich liebe es außerdem, mit Mimik zu arbeiten und Actionszenen zu drehen. Darauf freue ich mich besonders. Dazu gibt es einige Effekte, die wir mit Compositing umsetzten wollen. Hier müssen die Animationsplates mit den eingesetzten Elementen harmonieren. Das auszupendeln und eine funktionierende Technik zu erarbeiten, wird auch sehr interessant.

Wie groß ist dein Team, mit dem du an „Yuletide Suicide“ arbeiten wirst?

Jürgen Kling: Es sind fast alle Team-Mitglieder des letzten Films wieder mit dabei. Dazu kommen diesmal mehr Sprecher, denn es wird viele neue Figuren geben. Und es haben bisher bereits ein paar neue Leute sowie drei Praktikanten mitgewirkt. Alles in allem würde ich sagen, dass wir auf rund 15 Leute kommen werden. Das beinhaltet aber auch Audio- und Postproduktion. Beim Bau haben bisher sieben Leute mitgewirkt, wobei der Großteil der Arbeit wieder von Alexander Dannhauser und mir gestemmt wurde. Beim Dreh werden wir hoffentlich diesmal zu dritt sein.

Jürgen Kling und die Knetanimation

Kannst du dir in der Zukunft auch mal einen Claymation-/Knetanimationslangfilm vorstellen?

Jürgen Kling: Aufgrund des Arbeits- und Zeitaufwandes eher nicht. Mein kleines Studio hat Platz für zwei Sets und da wird es schon eng. Langfilme dreht man an zehn oder mehr Sets und braucht auch entsprechend kompetentes Personal. Es gibt in Deutschland weder genug Animatoren noch gibt es Studios.

Ich gehe jetzt stark auf die 50 zu und habe noch mindestens zwei Stoffe auf Lager, aus denen ich eventuell 20-30 Minuten lange Kurzfilme machen könnte, und dazu Ideen für weitere „Crappy Christmas“-Teile. Und ich weiß schon jetzt gar nicht, ob ich das überhaupt alles stemmen kann, bevor die Finger altersbedingt aufhören, dieses milimeterweise Minigefrickel noch mitzumachen. *schmunzelt*

Wie hast du eigentlich zur Animation gefunden?

Claymation-Animator

Ein Animator von weirdoughmation in Action! Copyright: Weirdoughmationfilms

Jürgen Kling: Damals, tief in den 1980ern, wurde mal im Kinder/Jugend-TV erklärt, wie Trickfilm funktioniert und dass man das mit einer Super-8-Kamera zu Hause auch selbst machen könnte. Und seitdem wollte ich das immer mal ausprobieren. Leider hatte ich nie Zugang zu Super 8 und so lag dieser Wunsch lange auf Eis.

Als ich 1997 mit den L.A. Punkrockern von Jughead´s Revenge (für die ich gerade ein fieses Skate-Zombie-Musikvideo abgedreht habe, das ihr HIER anschauen könnt), als Tourmanager auf Europatour war, habe ich mir ein Paket Knete gekauft und zwischendurch, während des teilweise langweiligen Tourlebens, Büsten geknetet und in meinem Tourbus aufs Armaturenbrett gesetzt. Gitarrist Joey schlug mir daraufhin vor, dass ich doch Claymation-Filme machen sollte und ich erwiderte, dass ich dies eigentlich schon immer machen wollte.

Zu dieser Zeit gab es dann langsam Lösungen, wie man am PC mit Spezialhardware Einzelbilder aus einem Videostream grabben konnte. Ich habe 1999 rund 4000 DM für einen PC und eine Videoschnittkarte investiert, die alte Hi8-Kamera mit defektem Bandlaufwerk von meinen Eltern abgegriffen und losgelegt. Kurze Zeit später drehte ich für die „VIVA Interaktiv Video-Weihnachtskalender Challenge“ den ersten „Crappy Christmas“-Film, der im Dezember 1999 von Mola Adebisi und H.P. Baxxter von Scooter im TV präsentiert und am 24.12.1999 nochmals in einem „Best of“ von Oliver Pocher als Highlight prämiert wurde.

Vielen Dank für das nette Gespräch!

Zur Startnext-Crowdfunding-Aktion für „Crappy Christmas: Yuletide Suicide“

Der Youtube-Kanal unseres Gesprächspartners mit weiteren Kurzfilmen von ihm.

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