Originaltitel: The Toxic Avenger__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Macon Blair__Sprecher: Peter Dinklage, Kevin Bacon, Elijah Wood, Jacob Tremblay, Macon Blair, Julia Davis, Sarah Niles, Taylour Paige, Spencer Wilding, Julian Kostov, Jonny Coyne, Lee Eddy, Atanas Srebrev, David Yow, Rebecca O’Mara, Chris Sharp, Byron Brown u.a. |

Das atomare Poster von „The Toxic Avenger“.
Once Upon a Time in Toxicity, Tromaville
Vom derben Splatterfest bis zum heiteren Familienabenteuer schien in der vergangenen Dekade vieles denkbar, während sich die Gerüchte stapelten um eine mögliche Rückkehr des ultimativen Flaggschiffs, der absoluten Ikone, des unangefochtenen Posterboys der legendären Troma-Schmiede: des „Toxic Avenger“.
Aus Angst vor fatalen Verätzungen traute sich wohl bis zuletzt niemand, sein Comeback mal so richtig anzupacken und in trockene Tücher zu wickeln. Kein Wunder. Für den echten Fan ist schon der hypothetische Gedanke an ein Reboot ein Affront sondergleichen, für den Rest erscheint der Stoff schlichtweg zu speziell. Und überhaupt hat der Aufstieg Marvels durch Hochglanz-Comicaction die Welt wohl ein für allemal verdorben für subversiven Superheldentrash, der sich eher an der Ästhetik zerfledderter Groschenhefte orientiert als an der polierten Definition dessen, was „Comicfilm“ heute bedeutet.
Und doch, gegen alle Widerstände: Es ist vollbracht. Holt die Festtagslätzchen raus, sperrt die Schwiegermütter ein: Der Name des vielleicht nicht ersten, aber mit Sicherheit knuddeligsten aller Avengers flimmert wieder Blutrot auf Glibbergrün über die Schleimwände, obwohl die Skepsis gegenüber einer mit Hollywoodstars wie Kevin Bacon und Elijah Wood gespickten Toxie-Wiederauferstehung ungebrochen ist. Was der Neuauflage aber an Low-Budget-Charme fehlt, gedenkt sie einfach mit dem Low-Size-Format von Hauptdarsteller Peter Dinklage („X-Men – Zukunft ist Vergangenheit“ und 1,32m) beziehungsweise dessen Kostüm-Stellvertreterin Luisa Guerreiro (1,45m) auszugleichen. Beide würden glatt zusammen in die Silhouette von Original-Toxie Mitch Cohen passen… und gehen ihren Putzauftrag somit konsequent aus der Froschperspektive an.
Alte Helden, neue Herausforderungen
Das Körperkult-Amerika der Ära Reagan ist natürlich längst passé und kann in der ursprünglichen Form nicht länger Gegenstand der Neuauflage sein. Anstatt sich nun allzu sehr darauf zu versteifen, als Alternative die großzügigen Angriffsflächen der Trump-Regentschaft mit dem Holzhammer zu bearbeiten oder gar globale Belange wie den Klimawandel auszuschlachten, bleibt Regisseur und Autor Macon Blair auffällig subtil in der Wahl seiner Mittel; eine Strategie, die sein Projekt gegen alle Wetten in die richtige Richtung manövriert.
Von der ersten Minute an, als Hauptfigur und Off-Erzähler Winston (Dinklage) in einem knappen Flash Forward seiner eigenen Geschichte vorgreift, knistert bereits ein reizvoller Kontrast zwischen anarchischem Untergrundkino und maßvollem Mid-Budget-Entertainment in der Luft, eine chemische Verbindung, wie sie in den Augen beinharter Tromavillagers vermutlich das befürchtete Übel darstellt. Grelle Farbkontraste lassen das Grindhouse-Kino bunt leuchten, und doch wirkt das Parkett wie mit Meister Proper feucht gewischt. Tatsächlich dürfte man wohl kaum glücklich werden mit „The Toxic Avenger“, wenn man etwas Authentisches im Stil des schmierigen Originals erwartet, das in Deutschland damals noch etwas ungelenk als „Atomic Hero“ vertrieben wurde.
Noch einmal mit Gefühl
Dessen ungeachtet versteht Blair es, den verschrobenen Humor von Lloyd Kaufman und Michael Herz auf seine eigene Weise zu rekonstruieren. Aufgeblasene Pointen des schlechten Geschmacks mit orchestraler Begleitung sind rar gesät, weil der Regisseur stets frühzeitig abbremst, bevor der Esel totgeritten ist. Der Humor kommt trocken und leise durch den Hintereingang, die Punchlines werden klammheimlich auf Sneakern serviert, so dass man ihren Einschlag manchmal erst mit Verzögerung wahrnimmt. Gerade Elijah Wood („Cooties„), der seinem Portfolio mit einer 90er-Shoegazing-Mischung aus Onkel Fester und dem Pinguin eine weitere freakige Gestalt hinzufügt, gelingt es dadurch, ein ballonförmiges Comic Relief randvoll mit Emotionen zu füllen; selbst Kevin Bacon („Boston„), als schmieriger Geschäftsmann gleichermaßen in Troma-Tradition wie in der persönlichen Comfort Zone unterwegs, wird auf diese Weise der Hauch einer tragischen Figur zuteil.

Peter Dinklage wird zu Toxie! TM & © 2025 Legendary
Ganz zu schweigen natürlich vom Protagonisten. Ein Sohn ohne Selbstvertrauen, ein schlechter Job und gesundheitliche Probleme (abseits der Atommüll-Komplikationen, versteht sich) werden ihm vom Drehbuch in den Rucksack gepackt. Bürden, die Dinklage nicht immer ganz würdevoll, aber doch stets aufrecht durch den ersten Akt schleppt. Schon das Original war nicht einfach nur zweidimensionaler Panel-Radau, sondern wusste die kathartischen Wendepunkte aus der Welt der Superheldencomics als Fundament für seine grellen Statements zu nutzen. Blair arbeitet diesen Ansatz weiter aus, indem er die traurigen Augen des Hauptdarstellers wie Laserwaffen einsetzt, die ihr Ziel in Mitleid hüllen.
Über Humor lässt sich nicht streiten
Im Abgang konnten sich Kaufman und Herz damals natürlich Geschmackloseres erlauben. „Politisch inkorrekt“ war gar kein Ausdruck für die Zoten, die seinerzeit nach dem Sturz in den radioaktiven Schleim ihren Lauf nahmen. Die größten Befürchtungen lagen im Vorfeld wohl darin, dass man nun vor dem neuen Zeitgeist einknicken und den eigenwilligen Humor der unbeschwerten Troma-Hochphase verlieren würde. Macon Blair, der sich laut Kaufman im Toxie-Universum besser auskennt als Kaufman selbst, arbeitet allerdings intelligent um die meisten Stolperfallen herum und generiert so immer wieder Momente, die an das Original erinnern, ohne es direkt zu imitieren.

Oswald Cobblepot war auch mal jung. TM & © 2025 Legendary
Obwohl er selbst und auch Kaufman Cameos feiern, obwohl besondere Gimmicks wie das rosa Tütü zurückkehren, ist „The Toxic Avenger“ anno 2023 keineswegs stupider Fanservice, sondern überrascht immer wieder mit Einlagen, die den Comedy-Massengeschmack raffiniert unterwandern, ohne ihn jedoch völlig von der Party auszuschließen. Wenn Toxie eine Leiche als Marionette verwendet, um einen Gegner anzulocken, oder wenn ein Punk mit Hahnenmaske in einem wahren Pageturner-Moment vor der Demaskierung steht, wird es auf einmal sogar im Mel-Brooks-Sinne hysterisch. Gesellschaftliche Belange werden in vielschichtig aufbereitete Running Gags gebündelt; insbesondere das amerikanische Gesundheitssystem (Stichwort Platin Card) bekommt sein Fett weg, ebenso wie die unzureichende mediale Reflexion auf öffentlichem Raum (Stichwort Tanzaufführung).
Ein Comeback mit Schmackes… und CGI
Derbe Einlagen, die das sittliche Empfinden des Zuschauers attackieren, erlaubt sich Blair nur wenige. Wenn sie dann aber doch eintreten, dann immerhin mit der gewünschten Hebelwirkung. Auch die oftmals ruckartigen, den Zuschauer im Moment des Affekts völlig überrumpelnden Splattereffekte, eine Zutat, die spätestens seit „The Walking Dead“ auch zum Mainstream-Konsens gehört, würden gerne in die gleiche Kerbe schlagen, werden aber in ihrer Wirkung dadurch gemindert, dass sie allesamt mit einem Topping aus Computereffekten daherkommen, die nicht einmal besonders ansehnlich geraten sind.
Die CGI-Anteile sind ohne Frage die Fremdkörper des Films und zerstören einen Großteil der Wirkung der entsprechenden Sequenzen; kaum auszumalen, wie viel überzeugender die Wirkung geraten wäre, hätte man sich konsequent auf den Einsatz praktischer Effekte beschränkt. Einfallsreich konzipiert sind die Gewalteinlagen immerhin; was Toxie mit den „Killer Nutz“ anstellt, einer Slipknot-esk herausgeputzten Crossover-Punk-Band mit starker Anlehnung an die Antagonisten aus „Class of Nuke ‚Em High“ (1986), hat wirklich kreatives Potenzial, hätte man dem Künstler doch bloß ein vernünftiges Malinstrument in die Hand gedrückt. Ein Splatter-Höhepunkt gegen Ende gerät zumindest auf dem Papier schon fast kultverdächtig.
Was die Practical Effects angeht, hat „The Toxic Avenger“ immerhin ein knuffiges Ganzkörperkostüm im Stil von „Psycho Goreman“ (2020) zu bieten, das unter anderem mit einem entnehmbaren Teleskop-Auge dem schrulligen Low-Hanging-Eye des Originaldesigns Tribut zollt, wenngleich solche elastischen Zweckentfremdungen des mutierten Körpers gerne noch exzessiver hätten eingesetzt werden dürfen. Allgemein wirkt das Produktionsdesign bemerkenswert steif und unschleimig, als Verbeugung vor dem Body-Melt-Subgenre taugt der Streifen trotz seiner Anlagen herzlich wenig. Die rosa Pusteln auf dem Kostüm unterscheiden sich beispielsweise in Sachen Konsistenz und Beschaffenheit keinen Deut von der grünen Haut.

Kevin Bacon fühlt sich als Lump pudelwohl. TM & © 2025 Legendary
Wenn Toxie von seinen Fans umarmt wird, hat man nicht unbedingt Sorge, dass sie sich eine Sepsis abholen. Selbst der Wischmop lässt seine schleimigen Rastas nicht etwa lässig im Wind flattern, vielmehr schwingt der Rächer sein Putzgerät wie eine Keule, der Freiheitsstatue nacheifernd, die stolz ihre Fackel über New York hält. Die Mutanten wie unbewegliche He-Man-Actionfiguren darzustellen, ist natürlich eine bewusste Designentscheidung, die den trockenen Humor visuell unterstützen soll, was in vielerlei Hinsicht auch gelingt; insbesondere ein mutierter mechanischer Vogel, der einige Szenen krächzend kommentiert, ist diesbezüglich ein vorzüglicher Einfall. Ein noch höheres Investment in praktische Trickeffekte hätte aber sicher nicht geschadet.
„The Toxic Avenger“: Neongrüner Schmunzelspaß für Groß von Klein
Aller Unkenrufe zum Trotz: Das Reboot von „The Toxic Avenger“ steht so konsequent zwischen allen Stühlen, dass man es schon als Statement verstehen muss. Macon Blair ist sicherlich nicht in der Position, dem berüchtigten Vorbild ein Ebenbild zu zimmern. Also interpretiert er den Troma-Humor neu, zähmt ihn, bündelt ihn und baut ihn neu auf, um dem Zuschauer bei fallender Deckung frech mit dem Arsch ins Gesicht zu springen. Fehlerfrei ist das Ergebnis sicher nicht und vom Kultfaktor des einzig Wahren sind wir meilenweit entfernt. Aber vielleicht sollte man es mal so sehen: Hätte es Troma nie gegeben und der „Toxic Avenger“ wäre nur als Fake-Trailer aus Robert Rodriguez‘ „Planet Terror“ bekannt, so wäre Macon Blair hier definitiv eine astreine Neo-Grindhouse-Nummer gelungen.
(knappe)
Informationen zur Veröffentlichung von „The Toxic Avenger (2023)“
Capelight Pictures konnte sich die Vertriebsrechte für „The Toxic Avenger“ sichern und zeigt die Unrated-Fassung des Splatter-Spaßes in einigen ausgewählten Kinos. Previews sind bereits zu sehen (unter anderem im Rahmen des „Kinofests“ am Wochenende des 13. und 14. Septembers), ab 25. September folgt der offizielle Kinostart. Für die spätere Heimkinoauswertung ist bereits eine Ultra-HD-Blu-ray wahlweise im Mediabook oder Steelbook angekündigt. Das Veröffentlichungstermin ist auf den 22. Januar 2026 datiert.
Sascha Ganser (Vince)
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