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Tödlicher Irrtum

Originaltitel: Rappresaglia__Herstellungsland: Italien/Frankreich__Erscheinungsjahr: 1973__Regie: George Pan Cosmatos__Darsteller: Richard Burton, Marcello Mastroianni, Leo McKern, John Steiner, Anthony Steel, Robert Harris, Peter Vaughan, Renzo Montagnani, Giancarlo Prete, Renzo Palmer, Duilio Del Prete, Dennis Burgess, Brook Williams u.a.
Tödlicher Irrtum

Mit dem Drama „Tödlicher Irrtum“ greift George Pan Cosmatos eine weniger bekannte Gräueltat des Zweiten Weltkriegs auf

Nach dem Thriller „Heißkaltes Blut“ wendete sich George Pan Cosmatos mit „Tödlicher Irrtum“ dem historischen Kriegsdrama zu, ehe er sich mit „The Cassandra Crossing“ wieder an spekulativer Genreware versuchte und sich mit Reißern wie diesem den Weg nach Hollywood ebnete.

„Tödlicher Irrtum“ basiert auf dem Buch „Death in Rome“ von Robert Katz, das wiederum Tatsachen aufbereitet. Es geht um einen Partisanen-Angriff auf deutsche Truppen in Rom im Jahr 1944 und die darauffolgende Vergeltung, doch erst führt der Film seine Hauptfiguren ein. Da ist zum einen der Pater, Kunstexperte und Restaurator Pietro Antonelli (Marcello Mastroianni), zum anderen der deutsche SS-Obersturmbannführer und Kunstfreund Herbert Kappler (Richard Burton). Kappler konfrontiert Antonelli damit, dass ein Bild, dass dieser als Original eingestuft hatte, von einem Experten in Deutschland später als Fälschung beurteilt wurde. Es geht darum, wer sich geirrt hat, Antonelli oder sein deutscher Gegenpart, im Subtext darum, ob der Pater die Fälschung eventuell selbst erstellt haben könnte. Ein Thrilleransatz, den der Film allerdings schnell fallen lässt, denn offensichtlich geht es dem Script lediglich darum das gemeinsame Faible für Kunst der beiden Hauptfiguren zu etablieren.

Als Partisanen einen Bombenanschlag auf deutsche Soldaten verüben und mehr als 30 davon töten, verlangt die deutsche Heeresleitung, allen voran General Kurt Mälzer (Leo McKern), Vergeltung: Zehn tote Italiener für jeden toten Deutschen. Kappler soll die Namensliste zusammenstellen, Antonelli will das Massaker verhindern…

Schaut euch den Trailer zu „Tödlicher Irrtum“ an

„Tödlicher Irrtum“ basiert auf dem Massaker in den Ardeantischen Höhlen. Dieses gehört zu den weniger bekannten Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs, doch auch ohne Kenntnis der historischen Tatsachen zeugen Alternativtitel wie „Massacre in Rome“, „Die Vergeltung“ oder „Das Massaker“ bereits an, wie die Geschichte ausgeht. Im Abspann werden nicht die Filmschaffenden, sondern die Toten des Massenmordes an 335 Zivilisten aufgelistet; es geht Cosmatos, der gemeinsam mit Vorlagenautor Robert Katz auch das Drehbuch verfasste, um die Aufarbeitung einer international weniger bekannten Gräueltat. Der deutsche Titel „Tödlicher Irrtum“ ist übrigens etwas irreführend, denn es ging mitnichten um Verwechslungen und Irrtümer, sondern um eine Vergeltungssucht, die gefüttert werden sollte. Der Film zeigt die Geschehnisse nach dem Bombenanschlag als unaufhaltsame Todesmaschine, bei der es einzig und allein noch darum geht, wer denn nun dran glauben muss, sonst nichts.

War der historische Kappler noch ein überzeugter Nazi, so ist seine Filmversion jemand, der das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Niederlage der Deutschen kommen sieht. Er argumentiert gegen die Vergeltungsaktion, versucht in erster Linie eh Todgeweihte auf seine Liste zu packen, doch Cosmatos‘ macht aus ihm weniger das Klischee eines guten Nazis, sondern eher einen Opportunisten mit Prinzipien: Er fürchtet die Tribunale nach dem Krieg, er lässt sich bestätigen, dass er Befehlen folgt, er will nicht als Schuldiger dastehen, aber er setzt die Anordnungen eiskalt um.

Pater Antonelli, eine erfundene, auf mehreren realen Personen basierende Figur, wird eher als gutes Gewissen dargestellt, der die Hilfe des Vatikans anruft, die Nazis zur Mäßigung auffordert und Kontakte zu den Partisanen hat. Allerdings, und das ist die große Schwäche des Films, erscheinen die Storylines von Kappler und Antonelli eher aneinander vorbei zu laufen und sich nur gelegentlich zu berühren, sodass es kein großes Für und Wider der Hauptfiguren gibt, eher kleine Begegnungen, auch wenn ihre letzte dann sehr dramatisch ausfällt.

So ist es dann weniger das Drehbuch als die Inszenierung von „Tödlicher Irrtum“, die in Erinnerung bleibt. Mit der Schilderung des Anschlags gelingt Cosmatos eine veritable Spannungsszene, wenn die Partisanen auf die Soldaten warten, sich der Trupp verspätet, sie aufzufallen drohen und ein Abbruch des Ganzen im Raum steht, ehe sich die Anspannung dann schließlich entlädt. Im späteren Verlauf inszeniert der Regisseur die Unausweichlichkeit des grausamen Massenmordes, einerseits bedrückend in seiner Unaufhaltsamkeit, andrerseits schockierend in seiner kalten Planung. Kappler organisiert das Ganze mit kalter Effizienz, die an die Figur Erik Dorf aus der Miniserie „Holocaust“ erinnert, wenngleich die Kappler-Figur einen nicht ganz so frösteln lässt wie Michael Moriartys Darstellung eines menschenverachtenden Karrieristen.

Was vielleicht auch daran liegt, dass Richard Burton („Agenten sterben einsam“) ihn zwar als konsequent handelnden Täter zeigt, aber seine Darbietung und das Drehbuch doch die Momente des Zögerns und des Überlegens eher herausstellen als die Tatsache, dass er letzten Endes immer noch ein folgsames Rädchen im Getriebe ist. Marcello Mastroianni („Achteinhalb“) ist deutlich weniger präsent, schauspielerisch ganz gut, aber doch ein Stück entfernt von seinen Glanz-Performances, in der Rolle des Paters, der verzweifelt nach Hilfe sucht, aber überall auf taube Ohren stößt.

Für die (historisch letztlich wohl korrekte) Darstellung der Untätigkeit und stillen Duldung des Massakers wurden Cosmatos, Katz und Produzent Carlo Ponti („Das 10. Opfer“) verklagt und schuldig gesprochen, mussten die Strafen wegen einer Amnestie nicht antreten. Die Nebendarsteller sind solide, verkörpern aber eher eindimensionale Rollen wie Leo McKern („Der Tag des Falken“) als dickes, wütendes Nazi-Rumpelstilzchen. Für die Musik zeichnete niemand anders als Ennio Morricone („Spiel mir das Lied vom Tod“) verantwortlich, doch sein Soundtrack bleibt wenig einprägsam.

„Tödlicher Irrtum“ versucht auf lobenswerte Weise an ein weniger bekanntes Massaker des Zweiten Weltkriegs zu erinnern und ist durchaus gelungen inszeniert, gerade in der Darstellung der bedrückenden Unausweichlichkeit. Allerdings fehlt es dem Drehbuch dadurch an Varianz und Entwicklung, auch die beiden Leads bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück, sodass Cosmatos‘ Zweitling nicht sein volles Potential entfalten kann.

In Deutschland war „Tödlicher Irrtum“ lange Zeit nur in einer Fassung erhältlich, die auf 80 Minuten heruntergekürzt war, sowohl auf VHS als auch in den ersten DVD-Auflagen. 2016 erschien die ungekürzte Version bei Koch Media auf DVD, als Bonus gab es den deutschen Trailer, mittlerweile ist „Tödlicher Irrtum“ beim Nachfolgelabel Plaion Pictures als Teil einer Mastroianni-Box auf Blu-Ray erschienen. Alle Versionen, sowohl die gekürzten als auch die ungekürzten, wurden von der FSK ab 16 freigegeben.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Koch Media/Plaion Pictures__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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