| Originaltitel: Mighty Aphrodite__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1995__Regie: Woody Allen__Darsteller: Woody Allen, Mira Sorvino, Helena Bonham Carter, Michael Rapaport, Peter Weller, F. Murray Abraham, Olympia Dukakis, David Ogden Stiers, Jack Warden, Danielle Ferland, Claire Bloom, Dan Moran, Paul Herman, Paul Giamatti u.a. |

In Woody Allens Komödie „Geliebte Aphrodite“ spielt neben Allen, Mira Sorvino und Helena Bonham Carter auch Peter Weller mit
Woody Allen zeigte sich oft vom Theater inspiriert, mit „Geliebte Aphrodite“ legte er seine Variante des bekannten George-Bernard-Shaw-Stücks „Pygmalion“ vor, in dem ein Mann aus der Oberschicht eine Frau von niedrigerem sozialem Rang nach seinen Vorstellungen formt.
Passend zum Vorbild, dessen Titel sich wie „Geliebte Aphrodite“ auf eine Figur der griechischen Mythologie bezieht, beinhaltet auch Allens Film einen griechischen Chor, der die Rahmenhandlung erzählt und in Tagträumen mit dem Protagonisten Lenny Weinrib (Woody Allen) spricht. Lenny und seine Frau Amanda (Helena Bonham Carter) gehören zur New Yorker Oberschicht, er ist Sportreporter, sie Galleristin. Da sich Amanda viel auf ihre Karriere konzentriert hat, war nie Zeit für Kinder, doch dann entschließen sich die beiden zur Adoption, was bei Lenny erstmal die Allen-typischen Neurosen auslöst, die sich mit dem Vaterglück jedoch legen.
Ihr Sohn wächst und gedeiht prächtig, stellt sich sogar als potentiell hochbegabt heraus. Lenny will mehr über die Herkunft des Filiusses wissen, stiehlt bei der Adoptionsagentur Unterlagen über die abgebende Mutter und macht sich auf die Suche. Diese ist nicht ganz einfach zu finden, aber dank Profilneurose hat Lenny die nötige Hartnäckigkeit, die ihn zu Linda Ash (Mira Sorvino) führt, die sich jedoch als Prostituierte und Pornodarstellerin entpuppt. Und weil es in der Welt von Lenny natürlich vollkommen okay ist Adoptionsagenturen zu bestehlen, jene Berufe allerdings bäh und igitt sind, kriegt er natürlich den nächsten Herzkasper.
Doch er will sich Linda nähern, gibt sich erst als Freier aus, der nur reden will, um mehr über sie, den Kindsvater und die Umstände der Geburt zu erfahren, auch wenn er vorerst auf Granit beißt. Ganz nebenbei versucht er auch noch die etwas simple Möchtegernschauspielerin wieder auf den Pfad der Tugend zu führen…
Schaut euch den Trailer zu „Geliebte Aphrodite“ an
Woody Allen („Bananas“) spielt häufig selbst die Hauptrolle in seinen Film, meist als neurotischen Intellektuellen mit Selbstzweifeln, so auch hier. Insofern ist Lenny ein erprobter Rollentypus für den Regisseur und Drehbuchautor, der sich dann eine jüngere Gattin und die Zuneigung einer noch jüngeren Bordsteinschwalbe ins Script notiert hat. Als Darsteller macht Allen seine Sache aber gut, doch das klare Highlight des Films ist jedoch Mira Sorvino („Sound of Freedom“), die prompt den Oscar für die Darbietung bekam.
Ihre Linda ist simpel, aber enthusiastisch, spricht mit einer ganz eigenen, ziemlich lustigen Dummchen-Kadenz in der Stimme. Helena Bonham Carter („Lone Ranger“) ist als etwas kalte Karrierefrau da deutlich eindimensionaler unterwegs. Ansonsten sieht man Michael Rapaport („The Foot Shooting Party“) als Boxer und Möchtegern-Zwiebelfarmer in einer Nebenrolle, die zum Schmunzeln anreizt, Peter Weller („Screamers“) ist in wenigen Szenen als schmieriger Gallerist zu sehen, der Amanda umgarnt. Die Allen-typische Promidichte wird dadurch gesteigert, dass unter anderem F. Murray Abraham („Surviving the Game“), Olympia Dukakis („The Wanderers“), Danielle Ferland („Marvel’s Jessica Jones“) und David Odgen Stiers („Different Minds“) als Teil des griechischen Chors zu sehen sind.
Als grundsätzliche Frage bleibt allerdings, wie kritisch „Geliebte Aprodite“ die Obsessionen seines Protagonisten sieht, der irgendwo zwischen Held und Loser schwankt. Linda ist eigentlich glücklich mit ihrer Existenz, trotz Träumen von einer seriösen Schauspielkarriere, sodass Lennys Interventionen irgendwie übergriffig daherkommen, die dann durch das Märchen-Happy-End irgendwie gerechtfertigt zu sein scheinen, obwohl der Film auch da keine klare Haltung erkennen lässt. Ähnlich wie das von „Pygmalion“ bzw. „My Fair Lady“ inspirierte RomCom-Märchen „Pretty Woman“ aus der gleichen Dekade leistet sich auch „Geliebte Aphrodite“ zwar kleine Verweise auf die Schattenseiten von Prostitution wie Zuhälter und Zwang in der Szene, doch hier erscheint die Auflösung des Konflikts fast noch märchenhafter als in „Pretty Woman“ – ein Hoch auf das Sportreporter-Dasein und Courtside-Seats beim Basketball.
Ansonsten folgt man Lenny und Linda durch vergleichsweise ereignisarme 90 Minuten, in denen die anderen Figuren kaum vorkommen und eigentlich nur in Relation zu den beiden kleine Rollen spielen – selbst Amanda und der Adoptivsohn gewinnen wenig Profil als Charaktere. Lennys Minderwertigkeitskomplexe werden von Allen dadurch ganz clever visualisiert, dass er durch seinen Beruf andauernd neben deutlich fitteren und jüngeren Sportlern in Box-Gyms und Baseballstadien steht, Linda ist die Hure mit dem Herz aus Gold, die abgesehen von dem erträumten Durchbruch als Schauspielerin mehr vor sich hin lebt. Aus dem Kontrast der beiden schlägt „Geliebte Aphrodite“ einiges an Comedy-Potential, gerade wenn Linda mit Selbstverständlichkeit von ihrem Alltag erzählt und dem spießigen Lenny dabei fast die Ohren abfallen, aber irgendwann nutzt sich der Gegensatz zwischen der offenherzigen Sexarbeiterin und dem Stadtneurotiker ab, da kaum noch Neues hinzukommt.
Tatsächlich hat „Geliebte Aphrodite“ gar nicht so viel von dem Wortwitz, für den Allen so geschätzt wird, und die besten Gags gehen meistens auf Lindas Konto. Tonal ist der Film merklich uneben. Die meiste Zeit über soll das (zwischen den Inserts des griechischen Chors) eine eher nüchterne, realistische New-York-Komödie sein, im Schlussakt gibt es dagegen burlesk-unglaubwürdige Plotvolten. Wenn Lenny Linda mit Kevin (Michael Rapaport) verkuppeln will, dann lässt er sie nicht nur besser dastehen, nein, er verkauft sie direkt als kultivierte, gebildete Quasi-Jungfrau, was natürlich schieflaufen muss.
Und der Schluss kommt mit Märchenprinzen, die aus plötzlich landenden Hubschraubern steigen, daher, sodass man sich fragt, ob sich „Geliebte Aphrodite“ nun am Soap-Opera-Baukasten bedient oder diesen doch parodieren möchte. Gelungen sind dagegen die Auftritte des griechischen Chors, eine hübsche Visualisierung dessen, dass jeder gewissermaßen der Held seiner eigenen Geschichte ist, auch jemand wie Lenny, der zwischendurch mal Zuspruch vom Schicksal in Form des Chors braucht.
Am Ende des Tages ist vor allem Mira Sorvinos Darbietung in „Geliebte Aphrodite“ eine echte Schau, der Rest ist eine nette, aber selten wirklich spritzige Komödie, deren Grundidee vom Culture Clash zwischen Prostituierter und Upper-Class-New-Yorker sich bisweilen abnutzt. Die Dialoge sind mal mehr, mal weniger pointiert, der „Pygmalion“-Theaterbezug, der sich durch den Film zieht, eine ganz putzige Idee, während das Drehbuch viele Konflikte und Plotstränge (etwa die kriselnde Ehe zwischen Lenny und Amanda) eher halbherzig nebenbei abarbeitet.
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„Geliebte Aphrodite“ erschien erst bei Arthaus/StudioCanal auf DVD und Blu-Ray (dort nur als Teil der Woody Allen Collection), später bei Concorde, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben. Für Februar 2026 ist eine Blu-Ray-Veröffentlichung im Doppelpack mit „Alle sagen: I love you“ beim Label OneGate angekündigt. Die bisherigen Veröffentlichungen boten Trailer und ein Interview mit Mira Sorvino als Bonusmaterial.
© Nils Bothmann (McClane)
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