Originaltitel: Sound of Freedom__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Alejandro Monteverde__Produktion: Mel Gibson u.a.__Darsteller: Jim Caviezel, Mira Sorvino, Bill Camp, Cristal Aparicio, Javier Godino, Lucás Ávila, Yessica Borroto Perryman, Manny Perez, Eduardo Verástegui, Samuel Livingston, Gustavo Sánchez Parra, Kris Avedisian, Kurt Fuller u.a. |
Als „Sound of Freedom“ 2023 in die US-Kinos, mauserte sich der US-Indie-Film dank einer Kontroverse und einer Kampagne von Angel Studios und Hauptdarsteller Jim Caviezel zum Überraschungshit, der am einheimischen Box Office sogar Filme wie „Mission: Impossible – Dead Reckoning“ oder „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ überflügeln konnte.
Das Thema des Films ist ein brisantes, nämlich Sex-Sklaverei von Kindern. Es beginnt in Honduras, wo ein Vater aus ärmlichen Verhältnissen seine beiden Kinder für ein Casting bei der ehemaligen Schönheitskönigin Giselle (Yessica Borroto Perryman) abliefert. Dass diese es schafft die Eltern sämtlicher Kinder, die bei dem Casting anwesend sind, für mehrere Stunden wegzuschicken, ist schon die erste Strapazierung der Glaubwürdigkeit, aber jedenfalls kehrt der Vater abends zum Castingort zurück und muss feststellen, dass sowohl die Caster als auch alle Kinder fort sind. Immerhin, eines muss man „Sound of Freedom“ lassen: Dass die moderne Sklaverei oft die Ärmsten und Schwächsten aus den eher instabilen Ländern trifft, damit hat er vollkommen Recht.
Danach schwenkt der Film zu seinem Helden Tim Ballard (Jim Caviezel), seines Zeichens Homeland-Security-Agent, der Kinderporno-Konsumenten aufspürt und verhaftet, aber darunter leidet, dass sie keines der betroffenen Kinder retten können, da die Taten oft außerhalb der USA stattfinden. Doch Tim kann einen Erfolg verbuchen, indem er sich gegenüber einem frisch Verhafteten als Pädo ausgibt und weil dieser besonders doof und leichtgläubig ist, fällt er auf diese semiüberzeugende Vorstellung herein, woraufhin Ballard einen weitere Pädo-Kriminellen verhaften und den kleinen Miguel (Lucás Ávila) retten kann. Miguel ist eines der beiden Geschwisterkinder aus der Eingangssequenz, aber seine Schwester Rocío (Cristal Aparicio) bleibt verschwunden.
Das nagt an Ballard, der selbst mehrfacher Vater ist. Von da an sucht er auf eigene Faust nach dem Mädchen, schmeißt seinen Job bei den Homeland Security Investigations hin und bereitet mithilfe eines Finanziers und des ehemaligen Kartell-Honchos Vampiro (Bill Camp) seine eigene Rettungsmission vor…
Schaut euch den Trailer zu „Sound of Freedom“ an
Über „Sound of Freedom“ kann man wohl kaum sprechen, ohne auf die Kontroverse um sein Erscheinen zu kommen. Das Werk von Regisseur und Co-Autor Alejandro Monteverde („Little Boy“) basiert auf dem realen Tim Ballard, der die Organisation Operation Underground Railroad gründete, um gegen Kinderhändler vorzugehen, und wurde ursprünglich für 20th Century Fox gedreht. Nach der Übernahme des Studios durch Disney fiel „Sound of Freedom“ dort aus dem Programm und wurde dann mit ein paar Jahren Verspätung von den christlich-konservativen Angel Studios veröffentlicht. Die trommelten dann erst, dass ihr Film angeblich bewusst ignoriert werde, woraufhin ihn mehrere Ketten pflichtschuldig mit mehr Vorstellungen ins Programm nahmen. Nicht nur rührte Executive Producer Mel Gibson („On the Line“) die Werbetrommel, im Abspann der Kinoversion kam eine Message von Jim Caviezel, der die Zuschauer animierte Tickets zu verkaufen und an Freunde zu verschenken – eine Art nachträgliches Crowdfunding. Laut den Angel Studios wurden 80% der so verkauften Tickets auch eingelöst, auch wenn es Berichte von offiziell ausverkauften Vorstellungen gibt, in denen keine einzige Person gesessen haben soll. Der streng religiöse Caviezel outete sich derweil als QAnon-Anhänger und brachte die Handlung des Films mit der Verschwörungserzählung in Verbindung, Monteverde distanzierte sich davon, die Kritik klopfte den Film dann genauer auf entsprechende Messages ab, während die Angel Studios und die christliche Rechte in den USA dahingehend zurückschlugen, dass jede Kritik an dem Film mit dem Gutheißen von Kindesmissbrauch und Menschenhandel gleichzusetzen sei. Ballard selbst flog derweil bei seiner eigenen Organisation heraus, nachdem mehrere Frauen Vorwürfen der sexuellen Belästigung gegen ihn erhoben, was an seinem Heldenimage kratzte. Noch dazu steht die Operation Underground Railroad im Verdacht, ihre tatsächlich vorhandenen Erfolge aufgeblasen zu haben.
Doch was bleibt nun nach dem Sturm im Wasserglas? Ein QAnon-Film ist „Sound of Freedom“ sicher nicht, ins Programm der Angel Studios passte er aber von Anfang an. Ballard wird als von Gott gesandter Heilsbringer verkauft, den Rocíos Heiligenkette motiviert, dessen Auftritte von Choralsmusik unterlegt werden und bei einer Besprechung, in der an einem Fenster steht, angeleuchtet wird, als habe er einen Heiligenschein. „God’s children are not for sale“, erklärt er an einer Stelle mit heiligem Ernst. Wenn Vampiro erzählt, warum er nun missbrauchte Kinder rettet, dann beschreibt er einen Punkt in seinem Leben, an dem er Sex mit einer minderjährigen Prostituierten hatte und sich unendlich schmutzig fühlte. In seiner Verzweiflung fand er in der Logik des Films natürlich erst zu Gott und entschied sich erst dann, dass er von jetzt an Buße tun und Kinder retten müsse.
Leider funktioniert der fertige Film dann in keiner Beziehung. Als Biopic basiert er nicht nur auf eventuell aufgebauschten Geschichten, sondern der reale Ballard selbst gab zu Protokoll, dass sowohl der zentrale Handlungsstrang um die Suche nach dem verschwundenen Bruder-Schwester-Duo als auch das komplette letzte Drittel einfach frei erfunden sind. Noch dazu spielt „Sound of Freedom“ in einer Welt, in der Organisationen wie Operation Underground Railroad gar nicht nötig sind, weil man Schurken direkt am Aussehen erkennt. Ballard und seine Verbündeten sind gutaussehend, gepflegt und durchtrainiert, die Pädokriminellen sind gicksternde Freaks mit Bleistiftbart, verschwitzte Fettsäcke oder dürre Creeps mit Rundbrille und schlecht sitzendem Pottschnitt. Nicht etwa der Typ von nebenan, dem man das niemals zugetraut hätte. In jedem Lager gibt es genau eine Ausnahme von dem Schema, die aber auch als Lockvogel agieren muss: Giselle lockt eben Kinder in die Sklaverei, Vampiro stellt die Erstkontakte zu den Pädokriminellen her. Dass Ballard als relativer Außenseiter quasi direkt erfährt, dass Vampiro die Kinder nur vorgeblich aus unlauteren Motiven kauft, die gesamte Pädokriminellenszene nichts von seinem Geheimnis weiß und ihn immer noch für einen der ihren hält, ist noch so ein Klopper in Sachen Unfug. Noch dazu stellen sich die Schurken dermaßen unglaubwürdig blöd an, dass man kaum glauben kann, dass sie ein kriminelles Imperium führen. An einer Stelle etwa werden die Kinderhändler kurz misstrauisch und stellen Ballards Finanzier in seiner Undercoverrolle die Kontrollfrage, was für Kinder er bevorzugen würde. Als dieser dann stammelt, dass es auf seine Stimmung ankomme, dann gibt das kriminelle Pack sich mit dieser Larifari-Antwort zufrieden. Einer will auch schnell weiter im Text, denn die Schurken sind auf Geld genauso geil wie auf den Missbrauch von Kindern.
Im Abspann erzählt „Sound of Freedom“ dann, dass heute mehr Menschen in Sklaverei leben als je zuvor, selbst zu Zeiten der legalen Sklaverei, was angesichts der massiv gestiegenen Weltbevölkerung sogar sein kann. Wie das allerdings passieren konnte, wenn Menschenhändler solche Knallchargen wie in diesem Film, das fragt man sich besser nicht. Angesichts seiner achso wichtigen Message verzichtet Monteverde dann auch auf basale Schauwerte in Form von Action oder ähnlichem, selbst dann, wenn es ins vollkommen Fabulierte geht. So muss Ballard im letzten Drittel ein Kind aus einem Rebellencamp holen, räumt dort aber nicht Rambo-Manier auf, sondern infiltriert das Ganze auf lächerlich einfache Weise. Und wenn er den verwarzten Rebellenboss allein in dessen Hütte stellt, dann erwürgt er ihn trotz unzähliger Wachen nicht einfach von hinten. Stattdessen folgt eine Szene, die an naive Uraltwestern erinnert, in denen die Cowboys ihren Gegnern bei der Saloon-Schlägerei erst auf die Schulter tippen, ehe sie ihnen eins in die Fresse hauen. Hier kriegt der Schurke also eine Chance, zieht ein Messer, aber ein Messer in der Hand eines Übelwichts ist natürlich machtlos gegen den Gesandten Gottes, der den Schurken in fairem Kampf umbringt, sofern man es sehen kann, denn die Konfrontation erlebt man aus der Sicht des Kindes, das sich die Hände vor die Augen hält.
Auch als Thriller kann „Sound of Freedom“ an keiner Stelle überzeugen, da die Schilderung der Undercover-Operation selten wirkliche Komplikationen aufzeigt und auch viel zu unaufgeregt inszeniert ist. Und an der einen Stelle, an der „Sound of Freedom“ echtes Potential hat, da vergeigt es Monteverde auch. Besagte Stelle kommt während eines Undercover-Einsatzes, bei dem Ballard und seine Verbündeten gemeinsam mit den Kinderhändlern eine vermeintliche Party organisieren und auf das Eintreffen der Behörden warten. Einer Pädos will einen kleinen Jungen missbrauchen und lässt sich auch nicht von Ballards Argument, dass er diesen für sich selbst haben wolle, abbringen. Eigentlich ein moralisches Dilemma: Kann Ballard, dieser herzensgute Supermann, diesen Missbrauch geschehen lassen, um unzählige weitere zu verhindern? Glücklicherweise hilft Filmgott Zufall, denn ein anderer Pädo kommt vorbei und schlägt vor, dass man erstmal zusammen einen saufen geht, wodurch kein Missbrauch passiert, bis die Behörden eintreffen und die Schurken verhaften.
Jim Caviezel („Escape Plan“) mag in der Realität ein Verschwörungstheoretiker und ein religiöser Hardliner sein, aber er ist auch ein guter Schauspieler. Hier mag er mit dem naiven Script und den naiven Dialogen nicht das beste Material zur Verfügung haben, schlägt sich aber ganz okay, ähnlich wie Bill Camp („Joker“) als geläuterter Ex-Krimineller. Mira Sorvino („Stuber“) hat kaum Screentime in der undankbaren Rolle als Ballards Frau, welche als Heimchen am Herd die Stellung hält und ihren Mann bedingungslos unterstützt, sodass die Ehe auch nicht unter seinem Kreuzzug leidet. Der Rest vom Fest ist dagegen reichlich mau, muss allerdings meist auch Karikaturen spielen, sei es der ergriffene Vater der Entführten oder die schrillen Schurken.
Lässt man die spätere politische Vereinnahmung von „Sound of Freedom“ beiseite, so mag Monteverde mit den besten Absichten an den Film herangegangen sein, setzt das Ganze aber filmisch und erzählerisch vollkommen in den Sand. Als Schilderung realer Missstände taugt er mit seiner naiven Darstellung und den zahllosen Unglaubwürdigkeiten, die man allenfalls einem B-Actionthriller durchgehen lassen würde, sofern es genug auf die Fresse gibt, nicht, während er seinem Publikum mit dem Holzhammer eintrichtert, was für ein guter und prinzipientreuer Mensch Ballard doch ist. Als Thriller ist er null spannend, Schauwerte gibt es nicht, sodass man am Ende merkt, dass ein wichtiges Thema noch keinen wichtigen Film macht. „Sound of Freedom“? Eher Sound of Bullshit.
In Deutschland wurde „Sound of Freedom“ von 24 Bilder/WVG auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben. Als Bonusmaterial gibt es den Trailer zum Film. Ihr könnt den Streifen auch streamen.
© Nils Bothmann (McClane)
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