Originaltitel: Wu Xia__Herstellungsland: Hongkong/China__Erscheinungsjahr: 2011__Regie: Peter Chan__Darsteller: Donnie Yen, Takeshi Kaneshiro, Tang Wei, Wang Yu, Kara Hui, Li Xiaoran, Jiang Wu, Qin Yan, Yu Kang u.a. |

Martial-Arts-Drama trifft historischen Detektivkrimi mit Donnie Yen in einer der Hauptrollen: Peter Chans “Dragon”
Zu Beginn 2010er kamen gleich zwei Filme raus, die historischen Martial-Arts-Film und Detektivkrimi verbanden: Tsui Harks „Detective Dee und das Geheimnis der Phantomflammen“ bewegte sich eher auf den Spuren klassischer Detektive Marke Sherlock Holmes, während Peter Chans „Wu Xia“, in westlichen Gefilden auch als “Dragon” veröffentlicht, eher dem Film Noir verhaftet ist.
So erinnern Auftakt und Prämisse ein wenig an David Cronenbergs Neo-Noir „A History of Violence“: Zwei Strauchdiebe sorgen im Jahre 1917 in einem kleinen chinesischen Dorf für Stunk und überfallen dabei auch einen Laden, in dem der Handwerker Liu Jin-Xi (Donnie Yen) gerade zugange ist. Um den Besitzer und dessen Frau zu schützen, greift Liu ins Geschehen ein, an dessen Ende die beiden Strolche ihr Leben ausgehaucht haben. Dabei geht Liu allerdings nicht so zielstrebig und effektiv wie der Protagonist von Cronenbergs Film vor, sondern scheint vor allem Glück zu haben, etwa wenn ein Schurke sich bei einem Sprung samt unsanfter Landung das Genick bricht.
Da es sich bei den beiden Toten um gesuchte Verbrecher handelt, jubelt die Obrigkeit und sieht in Liu einen neuen Volkshelden, doch Inspektor Xu Bai-Jiu (Takeshi Kaneshiro) kommt es spanisch vor, dass ein ungelernter Handwerker zwei erfahrene Gangster durch pures Glück erledigen kann. Also untersucht er den Tatort in einer Szene, die dann doch ein wenig an Sherlock Holmes (kurz zuvor durch die Guy-Ritchie-Verfilmung und die Serie „Sherlock“ wieder populär geworden) oder auch Agent Schmeckers Kampfrekonstruktion in „Der blutige Pfad Gottes“ erinnert. Dabei findet er Indizien, dass Liu sogar ein Meisterkämpfer sein könnte, der sein Expertenwissen geschickt als Akte puren Glücks zu tarnen wusste; eine Szene, die in ihrer fantasievollen Ausgestaltung und Erklärung zu den Highlights von “Dragon” gehört.
Immer wieder testet Xu, ob er Lius Geheimnis nicht doch aus dem Mann herauskitzeln kann, der sich als einfacher Arbeit mit einer Frau, zwei Kindern und einer großen Portion Glück darstellt. Xu ahnt nicht, dass sein Ehrgeiz bald nicht nur Geheimnisse der Vergangenheit, sondern auch Gefahr in der Gegenwart heraufbeschwört…
httpv://www.youtube.com/watch?v=fe6xIOCbcR8

Der vermeintliche einfache Handwerker Liu Jin-Xi (Donnie Yen) kann ganz schon gut austeilen
Trotz der Besetzung der Hauptrolle mit Donnie Yen („xXx 3: The Return of Xander Cage“) ist “Dragon” kein reinrassiger Martial-Arts-Reißer, sondern eher ein Drama mit Kampfeinlagen, das dem eingangs genannten „A History of Violence“ im Geiste durchaus nahesteht. Dabei beschäftigt sich der Film vor allem mit der Frage nach dem Preis von Wahrheit und Lüge: Xu bezahlt ihn, da er rücksichtslos auf totaler Aufklärung besteht, obwohl Liu – selbst als versierter Kämpfer – die beiden Räuber eindeutig in Notwehr tötete. Liu bezahlt ihn, da er sein Umfeld lange anlog und nun von der Vergangenheit eingeholt wird. Dabei ist der Film ambivalent in seinen Sympathien (er gibt keiner Figur so wirklich recht), sogar in der Gewichtung der Hauptfiguren: Erscheint erst Xu als Protagonist, so verlagert sich der Fokus im weiteren Verlauf zunehmend auf Liu.
Es überrascht kaum, dass sich Liu schließlich als früheres Mitglied eines Verbrecherclans entpuppt, dessen Anhänger bald auf der Matte stehen und für Stunk sorgen, doch Peter Chan („The Warlords“) erzählt das Ganze nicht als temporeichen Krawallfilm, sondern als elegisches Actiondrama, das in panoramahaften Landschaftsaufnahmen und idyllischen, wenn auch leicht kitschigen Bildern des idealisierten Lebens auf dem Dorfe ergeht – was allerdings auch für die eine oder andere Länge sorgt. Der Plot gestaltet sich zudem erwartbar, wenn das Ganze schlussendlich auf die Konfrontation zwischen Liu und seinem ehemaligen Mentor, der zudem noch sein Vater ist, hinausläuft. Immerhin gibt es auf dem Weg zum Showdown dann auch eine Hommage an „The One-Armed Swordsman“ zu sehen, dessen Hauptdarsteller Wang Yu („Shanghai Police“) hier ebenfalls mit an Bord ist.

Inspektor Xu Bai-Jiu (Takeshi Kaneshiro) will Lius Geschichte nicht so einfach glauben
Die Hongkong-Legende ist in einer wichtigen Nebenrolle als besagter Meister und Oberschurke zu sehen und bringt dabei natürlich seinen Status als Genrepionier mit, dass er gar nicht groß zu spielen brauchte Eindruck zu schinden, doch auch schauspielerisch kniet er sich als Baddie ordentlich rein. Donnie Yen und Takeshi Kaneshiro („Shanghai Hero – The Legend“) überzeugen mit einer facettenreichen Darstellung als Gegenspieler anderer Art, die beide auf ihre Art das Richtige wollen, doch deren Vorgehensweisen nicht kompatibel sind. Tang Wei („Blackhat“) hat die etwas undankbare Rolle der Ehefrau abbekommen, die ihrem Mann erst vertraut, dann an ihm zweifelt und schließlich von ihm beschützt wird, in allen drei Funktionen aber doch eher Stichwortgeberin für andere bleibt.
Doch obwohl die starken Hauptdarsteller da ein interessantes Drama um Schuld und Sühne aufführen, ganz auf Action muss der Genrefan nicht verzichten, denn immer mal wieder muss Liu seine Fähigkeiten beweisen. Die von Donnie Yen höchstselbst choreographierten Fights arbeiten mit gelegentlichem, aber nie überhand nehmendem Wirework und sind gelungen choreographiert, auch wenn sie Yens „Ip Man“-Filmen dann nicht ganz das Wasser reichen können. Trotzdem sind die drei minutenlangen Schlägereien ein Schmankerl für Martial-Arts-Fans, da Yen als versierter Choreograph und Kämpfer erneut sein Können beweist.
Wer also nach flotter Klopper-Action sucht, der sollte trotz wohlklingender Namen eher einen Bogen um “Dragon” machen, denn gekämpft wird wenn zwar ausführlich, aber nur an wenigen Stellen im Film. Der Rest der Welt kann ein Martial-Arts-Noir-Drama vor historischer Kulisse erleben, das nicht frei von Längen ist und in Sachen Plot auch nicht sonderlich komplex, aber dank starker Hauptdarsteller, bildgewaltiger Inszenierung und interessanter Fragestellungen zum Thema von richtig und falsch (ohne einfache Antworten zu finden) zu überzeugen weiß.
Universum/Senator hat den Film hierzulande herausgebracht, allerdings nur in einer kürzeren Fassung für den internationalen Markt. Die knapp 20 Minuten gibt es in Asien auf DVD und Blu-Ray, allerdings fehlt nichts Sinnentstellendes in der internationalen Version, sondern eher Szenen wie singende Kinder oder Momente, die in der Originalversion einfach länger dauern als in der internationalen Fassung.
© Nils Bothmann (McClane)
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