Originaltitel: First Shift__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: Uwe Boll__Darsteller: Gino Anthony Pesi, Kristen Renton, James McMenamin, Willie C. Carpenter, Daniel Sauli, Brandi Bravo, Garry Pastore, Kwabena Ampofo, Onye Eme-Akwari, Tia Dionne Hodge u.a. |

Uwe Bolls „Comeback“-Film: „First Shift“.
2016 hatte Uwe Boll „Rampage: President Down“ abgeliefert und während dessen Vermarktung bemerken müssen, dass es für Independent-Regisseure wie ihn beinahe unmöglich geworden war, die berappten Budgets für eine Produktion über internationale Verkäufe wieder reinzuholen. Er zog daraufhin die für ihn einzig logische Konsequenz und kündigte an, keine Filme mehr drehen zu wollen.
Doch freilich behielt er das Film-Business im Blick und meinte um 2020, zu erkennen, dass die aus dem Boden schießenden Streamer eine Möglichkeit sein könnten, unabhängig finanzierte Streifen besser zu verkaufen. „First Shift“ wurde als Comeback-Produktion angeschoben, doch dann kam COVID. Stattdessen drehte Uwe Boll erst einmal den deutlich kleineren „Hanau“ (2022) und widmete sich danach dem Film, den er selbst nach wie vor als sein Comeback bezeichnet: „First Shift“.
In dem lässt sich die lebenslustige, quirlige, glutenfrei essende und politisch korrekt denkende Polizistin Angela aus privaten Gründen von Atlanta nach New York versetzen. Hier wird sie als Rookie behandelt und dem knurrigen, einzelgängerischen und in seinen Ansichten sehr konservativen Cop Deo an die Seite gestellt. Der freut sich nicht wirklich über die dauerplappernde Kollegin, fügt sich aber in sein Schicksal.
Gemeinsam starten sie in Angelas erste Schicht, die durchaus turbulent gerät. Von der simplen Abgabe von Beweisen vor Gericht bis zu Mord und Totschlag reicht die Palette.
Der Alltag New Yorker Polizisten
Uwe Boll bezeichnet seinen Streifen selbst als Puzzlefilm. Also einen Film, der sich nicht auf den einen großen Fall konzentriert, sondern viele Fälle präsentiert. Dabei finden alle eine gewisse Art von Abschluss, was aber nicht bedeuten muss, dass Angela und Deo Anteil daran haben. In einem Fall etwa entdecken sie nur die Leichen einer Mafia-Hinrichtung, übergeben den Fall dann aber an Kollegen und erfahren irgendwann nebenbei, wie es in dem Fall weiterging.
Dies vermengt Uwe Boll immer wieder mit Szenen, in denen sich die beiden zusammengeworfenen Helden gegenseitig beschnüffeln und kennenlernen. Obendrauf gibt es private Einsprengsel, die beide Charaktere vertiefen und hinsichtlich einer Figur sogar in den beruflichen Alltag hineinreichen. Diese – ja – Puzzleteile fügen sich durchaus stimmig zusammen und Uwe Boll hat seine Geschichte durchweg im Griff.

Gino Anthony Pesi und Kristen Renton harmonieren prächtig in „First Shift“. Copyright: AXEL_STOCK
Dem schwebte für „First Shift“ vor allem ein Film vor, der sich weniger politisch geben sollte, als seine früheren Werke. Boll wollte ein mainstreamigeres Werk und schafft das auch. Zwar darf sich Deo freilich über die Wokeness von Angela echauffieren und die darf Deo natürlich auch Dinosauriertum an den Kopf werfen, „First Shift“ verrennt sich aber nicht in diesen Momenten, sondern nutzt sie für humorige Einsprengsel und zur plastischeren Zeichnung seiner Figuren. Und all das funktioniert richtig gut.
Leider muss sich Uwe Boll den Vorwurf gefallen lassen, dass dieser Alltagsbeobachtung die Zuspitzung abgeht. Wie es etwa der ähnlich aufgebaute „Training Day“ vermochte. Manche Episoden sind zwar nett, sorgen nun aber nicht für ein Übermaß an Spannung. Große Actioneskapaden gehen dem niedrig budgetierten Streifen auch vollkommen ab. Ein Powerhouse der dynamischen Erzählung ist „First Shift“ dementsprechend leider nicht. Er plätschert immer mal wieder überdeutlich vor sich hin. Die starke Chemie der beiden Hauptdarsteller rettet ihn aber problemlos über die Runden.

New York spielt eine wichtige Rolle in „First Shift“. Copyright: AXEL_STOCK
Gino Anthony Pesi („S.W.A.T.: Firefight“) und Kristen Renton („Sons of Anarchy“) haben ihre Figuren vollumfänglich im Griff und spielen wirklich stark auf. Pesi punktet dabei mit sehr trockenem, politisch nicht immer sattelfestem Humor und Renton entwirft einen unterhaltsamen, sehr lebendigen Charakter. Kommt dann noch Pesis echter Hund Tango im Film an, meint man fast einem alten Ehepaar beim New-York-Ausflug zuzusehen.
Der dritte wichtige Hauptdarsteller des Filmes ist New York. In endlos vielen Schnittbildern reicht Uwe Boll Impression um Impression. Und er setzt häufiger auf extreme Weitwinkelobjektive, um seine beiden Helden vor Sehenswürdigkeiten und eindrucksvollen Bauten interagieren zu lassen. Sichtlich arbeitete er weitgehend mit natürlichem Licht, was seinen Film sehr frisch und lebendig rüberkommen lässt.

Angela und Deo raufen sich zusammen. Copyright: AXEL_STOCK
Bolls Stammkameramann Matthias Neumann setzt auf eine sehr dynamische und flexible Bebilderung, ist immer nah dran an den Charakteren und sorgt für eine passige Unmittelbarkeit. Die Boll-Stammkomponistin Jessica de Rooij steuerte gemeinsam mit Hendrik Nölle einen hervorragenden, atmosphärisch immer stimmigen Soundtrack bei. Insgesamt muss man festhalten, dass man „First Shift“ die von Uwe Boll lang und breit thematisierten Probleme beim Dreh (Mehr erfahrt ihr hier) technisch in keinster Weise anmerkt. Respekt dafür.
„First Shift“ bietet einen anderen Uwe Boll
Nach all den politisch aufgeladenen Streifen, in denen Uwe Boll erbost – und auch zu Recht – das Zeitgeschehen kommentierte, nimmt sich „First Shift“ wie etwas erfrischend Neues aus. Kennt man die Produktionshintergründe und weiß, dass Boll sich bei dem Dreh irgendwann fühlte, als würde er in allen Töpfen herum rühren und überall selbst Hand anlegen müssen, bekommt man fast das Gefühl eines Befreiungsschlages. Eine Art Rückkehr Bolls zu seinen eigenen Wurzeln.
Das Ergebnis hat seine Probleme, dümpelt immer mal wieder vor sich hin und lässt eben die gewohnte Dramaturgie missen, in der sich alles zuspitzt und auf einen fetten Showdown zusteuert. Gleichzeitig ist „First Shift“ angenehm leichtfüßig unterwegs, hat ein tolles Heldengespann auf der Habenseite und entwickelt trotz Leerlaufes eigentlich nie langweilige Momente.
Am Ende allerdings hätte man sich einfach einen Knalleffekt gewünscht. In der jetzigen Form macht es der Polizeithriller dem Zuschauer eher schwer, zu glauben, dass Uwe Boll hier noch weitere zwei Teile und eventuell sogar eine Serie nachschieben will. Diese müssten dann einen anderen Zugriff auf das Thema (etwa den Fall der Woche) finden.
……
Hier spricht Uwe Boll
„Hallihallo, hier ist Uwe Boll, bei mir zuhause!“ Und damit zur besten Nachricht in Bezug auf die deutsche Veröffentlichung von „First Shift“ aus dem Hause PLAION PICTURES: Ja, es gibt einen Audiokommentar! Und wer will, kann selbigen sogar als Videokommentar genießen, bei dem der Meister rechts oben im Bild beim Einsprechen des Audiokommentars zu sehen ist. Dabei gibt es die gewohnte Ladung: Uwe Boll wird mitten im Kommentar angerufen, irgendwas ist immer mit den Hunden und irgendwann gähnt er selbst vor sich hin – während er „First Shift“ schaut. Heijeijei.
Inhaltlich wirkt Uwe Boll altersmilde. Es wird kaum jemand beschimpft, zu seinen Darstellern hat er nur das Beste zu sagen und auch an die Branche gibt es diesmal kein Fuck You. Dafür spricht er ganz offen über die Schwierigkeiten beim Dreh. Wie diese alles veränderten und vor allem erschwerten. Offen erklärt er bei einzelnen Szenen, was hier für Probleme durch die Entwicklungen entstanden waren. Doch auch hier bleibt Boll erstaunlich souverän. Erst im Abspann kommt ihm bei einzelnen Namen hörbar die Galle hoch. Da muss sich mancher dann doch anhören, ein Idiot zu sein.
Ansonsten gibt es gewohnt umfassende Informationen zu den Dreharbeiten, viele Anekdoten und auch Analysen. Etwa zu dem Streaming-Markt, von dem sich Boll so viel erhofft hatte und von dem er heute sagt, dass er noch nicht wirklich weiß, ob und wie er seine Budgets über die Streamer wieder hereinholen kann. Denn obschon „First Shift“ bei Paramount+ und Showtime in den USA richtig toll gelaufen sein soll, habe keiner der beiden Streamer Schlange gestanden, um die Fortsetzungen anzuschieben.
Die Veröffentlichung von „First Shift“
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erscheint am 22. Mai 2025 von PLAION PICTURES. Der Film kommt mit einer Freigabe ab 16 uncut. Neben dem bereits erwähnten Audio- und Videokommentar warten ein Making-of (1:33 Minuten), der Originaltrailer und eine Bildergalerie auf euch. Ihr könnt den Film freilich auch streamen – nur eben ohne Audiokommentar.
In diesem Sinne:
freeman
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