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Fear Street – Teil 1: 1994

Originaltitel: Fear Street: 1994__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Leigh Janiak__Darsteller: Kiana Madeira, Olivia Scott Welch, Benjamin Flores Jr., Julia Rehwald, Fred Hechinger, Ashley Zukerman, Maya Hawke, Darrell Britt-Gibson, Charlene Amoia, David W. Thompson, Noah Bain Garret, Jana Allen, Matt Burke u.a.
Fear Street - Teil 1: 1994

Mit „Fear Street – Teil 1: 1994“ startet das Horror-Trilogie-Event von Leigh Janiak

Ursprünglich war die „Fear Street“-Trilogie mal als Kinoveröffentlichung geplant. Alle drei Filme wurden nacheinander abgedreht und sollten im Abstand von einem Monat ins Kino kommen, später gingen die Rechte jedoch an Netflix über, die sogar einen wochenweisen Turnus wählten, der mit dem Release von „Fear Street – Teil 1: 1994“ begann.

Dass Horror- und vor allem Slasherfilme gern fortgesetzt werden, gehört zu den Eigenschaften des Genres – dass man allerdings gleich ein Dreierpack dreht, das auch noch aufeinander aufbaut anstatt das Rezept einfach immer wiederzukäuen wie etwa große Teile der „Freitag, der 13te“-Serie, das ist nicht unbedingt alltäglich. Nun sollten allerdings postmoderne, reflexive Horrorfilme das Vorbild für „Fear Street“ seien und da ist beim Nineties-Erstling wohl kein Vorbild näher als „Scream“, der anno 1996 eine Renaissance des Slashers und des Meta-Horrorkinos einläutete.

Also ist schon die Eröffnung von „Fear Street – Teil 1: 1994“ eine Hommage an „Scream“, springt doch auch hier der größte Name im Cast direkt über die Klinge, in diesem Fall Maya Hawke, deren Durchbruch wiederum die Netflix-Retro-Serie „Stranger Things“ war. Hier ist sie als Buchverkäuferin Heather zu sehen, die gerade noch genervt auf abfällige Kommentare einer Kundin zu Pulp-Horror reagiert, nach Ladenschluss dann allerdings von einem Schlitzer im Skelettkostüm gemeuchelt wird, der zuvor noch ein paar andere Leute aus der Mall über den Jordan geschickt hat und dann seinerseits von einem Polizisten erschossen wird.

Das Ganze basiert grob auf den „Fear Street“-Büchern des Young-Adult-Gruselautors R.L. Stine, der in manchen Jahren mehr als zehn Beiträge zur Reihe raushaute. „Fear Street“ war an eine etwas ältere Zielgruppe gerichtet als die noch bekanntere, noch erfolgreiche „Goosebumps“-Reihe des Vielschreibers, wobei die Filmadaption sich weniger auf konkrete Inhalte als auf das Grundkonzept bezieht. Da gibt es die Örtchen Shadyside und Sunnyvalle, die sich – nomen est omen – stark unterscheiden: Sunnyvalle ist die saubere Streberstadt, in der noch nie ein Verbrechen geschah, in Shadyside hingegen ist alle paar Jahre eine Mordserie angesagt.

Die Protagonisten kommen aus Shadyside und leben dementsprechend nicht auf der Sonnenseite des Lebens: Musterschülerin Kate (Julia Rehwald) und ihr bester Kumpel Simon (Fred Hechinger) stammen aus armen Verhältnissen und bessern die knappe Kasse mit dem Dealen von Drogen auf. Josh (Benjamin Flores jr.) ist der dickliche Horror-Nerd, seine ältere Schwester Deena (Kiana Madeira) knabbert noch an der Trennung vom Sam. Sam, das ist so ein androgyner Name wie ihn viele Final Girls im Slashergenre haben, weshalb es auch nur semiüberrascht, wenn sich Sam nicht als Kerl, sondern Samantha (Olivia Scott Welch) herausstellt.

Sam ist mir ihrer Mutter nach Sunnyvale gezogen, dessen Beziehung zu Shadyside ungefähr so ist wie jene von Springfield und Shelbyville („Simpsons“-Kenner dürften schnell diese Assoziation haben). So kommt es beim Auswärtsspiel nicht nur zum Knatsch zwischen Sam und Deena, sondern auch zu Handgreiflichkeiten zwischen den Jugendlichen beider Orte, was zu einem Autounfall im Wald führt. Dabei tropft Sams Blut auf das Grab der Hexe Sarah Fier, die dadurch neue Kraft bekommt…

Schaut euch den Trailer zur „Fear Street“-Trilogie an

Retro-Horror ist hier das Gebot der Stunde, der ausnahmsweise mal nicht die 1980er, sondern das folgende Jahrzehnt plündert, wobei die Neon-Optik des Ganzen jedoch starke Eighties-Vibes verströmt. Popkulturelle Verweise sollen dann für die Verortung in den 1990ern sorgen: Josh nutzt rudimentäre Chatgroups, daddelt „Castlevania: Bloodlines“ auf dem Megadrive, trägt ein T-Shirt von Iron Maiden und hört deren „Fear of the Dark“ bei seinem ersten Auftritt im Film. Tatsächlich soll vor allem der Klangteppich für Nineties-Nostalgie sorgen, weshalb man fast schon verschwenderisch mit Songs von Bush, White Zombie, den Pixies usw. zugeballert wird, von denen einige nur kurz im Film laufen.

Immerhin: Damit umgeht „Fear Street – Teil 1: 1994“ einige Klischees, denn Deena und Josh sind zwar schwarz, werden aber nicht auf das Hip-Hop-Stereotyp reduziert. Das Jahr 1994 ist sicherlich auch nicht zufällig gewählt: Das Ganze spielt in der Prä-„Scream“-Ära, als Meta-Horror noch nicht groß in war (in jenem Jahr lief „Wes Craven’s New Nightmare“ eher mäßig an der Kinokasse), weshalb sich in erster Linie Josh mit dem Thema auskennt, aber immerhin auf modernere Kommunikationsmittel zurückgreifen kann und in seiner Chatgruppe nach den Hintergründen des Shadyside-Fluchs sucht.

Als Meta-Horrorstück ist „Fear Street – Teil 1: 1994“ dann allerdings kein „Scream“, kein „Cabin in the Woods“, kein „Faculty“. Denn der Film spielt nicht mit den Regeln, einziger Meta-Punkt ist eigentlich der, dass man es nicht nur mit einem irren Schlitzer zu tun hat, sondern die Hexe gleich mehrere Killer losschickt. Das garantiert dann multiple Bedrohungen und eine Mythologie im Hintergrund, damit es in den Sequels auch noch was zu erkunden gibt. Wobei „Fear Street – Teil 1: 1994“ hier erstmal nur an der Oberfläche kratzt und vor allem zum obligatorischen Cliffhanger-Ende noch ein paar Zusatzinfos raushaut, ehe der Abspann schon verspricht, dass es im Folgefilm um ein Camp-Massaker aus dem Jahr 1978 gehen wird.

Ansonsten hat „Fear Street – Teil 1: 1994“ immerhin ein Figureninventar, das über die Metzelmasse anderer Teenie-Slasher hinausgeht. Deenas Beziehungsschmerzen und Sams Identitätskrise werden noch dadurch intensiviert, dass Homosexualität im Jahr 1994 noch deutlich argwöhnischer beäugt wurde als heute, die Not der Dealer Kate und Simon ist verständlich, da sie einerseits die Familie unterstützen müssen, andrerseits Kohle für einen Weggang aus der wahrlich mörderischen Kleinstadt benötigen.

Erwachsene sind, wie in den meisten Teen-Slashern, entweder abwesend (die meisten Eltern), wenig hilfreich (die Polizisten) oder antagonistisch eingestellt (Sams Mutter). Den Killern haben sie meist wenig entgegenzusetzen, weil sie die Teenager nicht ernst nehmen, zu spät aktiv werden oder selbst Opfer werden, sodass sich die Youngster selbst helfen müssen. Die Einsamkeit und das Sich-Nicht-Verstanden-Fühlen in der Pubertät werden hier auch auf Handlungsebene wichtig, vielleicht noch etwas deutlicher als in anderen Slasherfilmen, aber es formuliert klassische Genretopoi halt nur expliziter aus, ohne dass es besonders meta wäre.

Für R.L.-Stine-Verhältnisse mag „Fear Street – Teil 1: 1994“ dann auch überraschend ruppig daherkommen, im Vergleich zu anderen Filmen des Genres ist das Gebotene allerdings vergleichsweise harmlos. Die Killer sind mit Messer, Axt und Rasiermesser unterwegs und stechen die meisten Opfer einfach nieder. So bleibt auch die Creative-Killing-Fraktion weitgehend unbedient. Für die gibt es nur eine Szene gegen Ende, in der eine Schneidemaschine auf rabiate Weise zweckentfremdet wird. Dies und eine Axt in den Kopf sind dann auch die härteren Szenen des Ganzen, der Rest kann den Stallgeruch den Jugendbuchautors R.L. Stine dann auch nicht abschütteln, zumal sich der Bodycount in überschaubaren Bahnen bewegt.

So verteilen sich die Mordszenen (von einigen Rückblenden abgesehen) auf drei Passagen, in denen immerhin klassische Slasherschauplätze abgeklappert werden. Der Beginn spielt in einer Mall (siehe „Chopping Mall“, „Blutweihe“, „Phantom Nightmare“), in der Mitte wird das Messer im Krankenhaus geschwungen (siehe „Halloween II“, „Exquisite Tenderness“, „X-Ray“), im Finale ist ein Supermarkt (vor allem „Bloodnight – Intruder“). Allerdings wird meist egales Nebenfigurenmaterial ohne Hintergrund oder Sympathiewerte über den Jordan geschickt, die Hauptfiguren erscheinen relativ sicher, ehe sich „Fear Street – Teil 1: 1994“ im Finale kurzerhand umentscheidet. Doch immerhin hält Regisseurin Leigh Janiak („Fear Street – Teil 2: 1978“), die den Film gemeinsam mit Phil Graziadei („Honeymoon“) schrieb, das Tempo angenehm hoch und baut das Ganze im letzten Drittel zur Non-Stop-Hatz auf die Protagonistentruppe aus, die feststellen, dass übernatürliche Schlitzer noch ein paar Überraschungen mehr in petto haben als menschliche Mordbuben.

Besetzt ist das Ganze mit frischen Gesichtern, wobei vor allem Fred Hechinger, der hier noch als Klassenclown zu sehen ist, bald darauf mit Filmen wie „Gladiator II“ und „Kraven the Hunter“ deutlich dickere Budgetluft schnuppern durfte. Er ist solide, ähnlich wie Julia Rehwald („Where’s Darren?“) als etwas andere Musterschülerin und Schulschönheit. Benjamin Flores jr. („Transfomers: The Last Knight“) schlägt sich okay, muss aber meistens nur den Erklärbär für die Horrorszenarien geben, sodass Kiana Madeira („The Night Before Halloween“) am meisten Eindruck hinterlässt. Als wütende, rebellische, aber auch seelisch verletzte Sam gehört sie zu den besser ausformulierten Slasher-Protagonistinnen, ihre Chemie mit Olivia Scott Welch („Panic“) stimmt ebenfalls, welche das Protagonistenquintett komplettiert und sich als Screamqueen versuchen darf.

So bleibt dann ein okayer, hübsch inszenierter Retro-Slasher, dessen Nineties-Feeling bisweilen etwas mit dem Holzhammer daherkommt und dessen Meta-Gehalt enttäuschend gering bleibt. Auch in Sachen Schlitzerei ist da noch Luft nach oben. Aber Tempo und Figurenzeichnung sind im grünen Bereich, während das Konzept der miteinander verwobenen Zeitebenen und der Hexen-Mythologie Potential für die Sequels offenbart. „Fear Street – Teil 1: 1994“ nutzt es freilich noch nicht aus.

Als Netflix-Produktion ist „Fear Street – Teil 1: 1994“ aktuell nur dort zu sehen und erfuhr bisher keine FSK-Prüfung. Der Streamingdienst empfiehlt ihn ab 18 Jahren.

© Nils Bothmann (McClane)

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