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Saint Clare

Originaltitel: Saint Clare__ Herstellungsland: USA__ Erscheinungsjahr: 2024__ Regie: Mitzi Peirone__ Darsteller: Bella Thorne, Ryan Phillippe, Rebecca De Mornay, Frank Whaley, Joy Rovaris, Jan Luis Castellanos, Dylan Flashner, Erica Dasher, Bart Johnson, Joel Michaely, Juliet Sterner, …

Saint Clare

Zum Trailer (engl. OV) geht’s hier!

„Saint Clare“ (2024) ist ein eigenwilliger Film. Nichts anderes habe ich von Regisseurin Mitzi Peirone erwartet, deren 2018er Debütwerk „Braid“ ich seinerzeit als einen atmosphärisch-stylishen unkonventionell-surrealen femininen Fiebertraum-Arthouse-Horror-Psychotrip über Themen wie Wahnvorstellungen und Freundschaft beschrieb sowie entsprechend gern mochte. Für ihr Nachfolge-Projekt nahm sie sich ein Adaptieren des 2021er Romans „Clare at Sixteen“ von Autor Don Roff vor – für welches sie gemeinsam mit Guinevere Turner (u.a. „American Psycho“, „the Notorious Bettie Page“ und „Charlie says“) das Drehbuch verfasste. Während die Haupt-Protagonistin in der Vorlage minderjährig ist und die zugehörige Story als eine dark Horror-Comedy reminiscent of „Heathers“ charakterisiert wird, veränderten die beiden verschiedenes dagegen stärker hin in Richtung eines eher Erwachsenen-orientierten Mystery-Crime-Thrillers – z.B. indem sie Clare’s Alter ein Stück weit anhoben – sie im Zuge dessen aber trotzdem nicht auf einige markante campy-humoristische Elemente verzichteten. Herausgekommen ist dabei eine mitunter frustrierend unebene Kombination in etwa aus TV’s „Dexter“, einer schrägen College-Life-Geschichte, einem gängig-düsteren Genre-B-Movie und einem sowohl inhaltlich als auch künstlerisch keineswegs unambitionierten (und somit fein zu Peirone passenden) Indie

Eröffnet wird in Gestalt von Clare (Bella Thorne) – wie ein invertierter Jesus an einem Petrus-Kreuz auf ihrem Bett liegend sowie die Worte „Everything I have said and done has been in the Hands of God. I was born to do this. I am not afraid.“ deklamierend: Ein Jeanne d’Arc Zitat – welches sie (übertragend) konkret auf sich bezieht sowie immer dann Mantra-artig wiederholt, wenn sie moralische Bestärkung benötigt oder ihr Mut in bestimmterlei Hinsicht zu schwinden droht. An einer dissoziativen Identitätsstörung (inklusive leichter soziopathischer Tendenzen) leidend, ist sie sich darüber im Klaren, anders als ihre Mitmenschen zu sein. Ob das allein der Erkrankung geschuldet ist oder sie wahrhaftig von Gott auserwählt wurde, verrate ich natürlich nicht – wohl jedoch, dass sie in der Vergangenheit bereits mehrfach Triebtäter und verwandten Abschaum getötet hat. Verwurzelt ist das in ihrer Kindheit, als sich ein aggressiver Widerling (Myrom Kingery) bei einem Camping-Ausflug brutal über ihre Gruppen-Führerin und Mitschülerinnen herzumachen begann – bis sie (Juliet Sterner) beherzt einschritt und den Mann mit einem Stein erschlug. Inzwischen verwaist und häufig umgezogen, ist sie nun bei ihrer Großmutter Gigi (Rebecca De Mornay) – einer charismatischen Ex-Schauspielerin – in der Stadt Pickman Flats untergekommen, wo sie die tertiäre Bildungsstufe besucht…

Nach dem Unterricht an einer Haltestelle auf den Bus wartend, wird Clare eines Tages von einem Typen (Bart Johnson) in seinem Wagen nach dem Weg zu einer Location gefragt, an der er seine Töchter abholen müsste. Leider wäre sein Handy-Akku leer und hätte er sein Ladekabel vergessen – weshalb er damit gerade nicht navigieren könnte. Auf Anhieb ist evident, dass seine wirkliche Motivation nicht die genannte ist. Sich von ihrem saloppen klugscheißerisch-stichelnden Gebaren weder abschrecken noch provozieren lassend, bietet er ihr an, sie den sich mit seinem überlappenden Teil ihrer Strecke mitzunehmen. Nach einigem Hin&Her steigt Clare zu ihm ein, sieht sich rasch in ihrer Annahme bekräftigt, beginnt die bedeutsamen Sätze aufzusagen und verrät ihm, der übrigens Joe heißt, dass jene von der seitens vieler als Heilige verehrten französischen Widerstands-Kämpferin stammen würden. „Wasn’t she burned alive?“, erwidert er darauf. „She was“, bestätigt sie nüchtern, „But she also killed an awful lot of Men before that.“ Sekunden später greift sie ihn an, klettert auf den Rücksitz und würgt ihn mit seinem Sicherheitsgurt – bis der Mercedes von der Straße abkommt und verunfallt. Mit einem Tuch und einer Fusselrolle aus ihrer Tasche entfernt sie anschließend möglichst alle Spuren von sich – ein Messer zückend, als sie bemerkt, dass er noch am Leben ist…

Am Ende der ersten Viertelstunde von „Saint Clare“ taucht plötzlich eine Figur auf, die einem schonmal einen Eindruck verschafft, dass das Ganze eben nicht so „althergebracht“ ist, wie man spontan eventuell noch denkt: Unfreiwillig hat Clare nämlich einen Begleiter – den Postboten Bob (Frank Whaley) bzw. dessen Geist, der ihr regelmäßig erscheint und welchen sie sich auch einbilden könnte; quasi so wie manche einen imaginären Gefährten haben. Des Öfteren liefert er ihr Ratschläge und spricht mit ihr eine Reihe von Dingen durch, die sie beschäftigen – á la im Vorliegenden das erkeimte Gefühl, dass Joe nicht allein gehandelt hat. Es ist noch nicht lange her, da war Clare Bob im Wald begegnet: Betrunken und weinend, nachdem er herausgefunden hatte, dass seine Frau ihn betrügt. Sie hatte ihm gut zugeredet – bevor er sie dann aber anwachsend zu bedrängen und sie sich von ihm wegzubewegen anfing sowie er bei dem Versuch ins Stolpern gekommen war, aufzustehen und nach ihr zu fassen: Mit dem Kopf auf dem Steinboden aufgeschlagen, verstarb er daran – und diese Connection entstand. Bob bemüht sich, Clare auf dem rechten Pfad zu halten – fungiert in dieser Weise wie ihr Gewissen; steuert aber auch amüsante Kommentare bei. Ein wenig erinnert einen das an „An American Werewolf in London“ – doch sind die Gemeinsamkeiten insgesamt bloß nur geringfügig…

Da Joe zuletzt in der Nähe vom College gesehen wurde, setzt der für die Mord-Ermittlung zuständige Detective Timmons (Ryan Phillippe) genau dort an und erkundigt sich auf dem Campus nach dahingehend Hilfreichem – während Clare wiederum (durchaus unter Zugzwang geratend) eigene Nachforschungen anstellt: Neben einem kürzlich verschwundenen Mädel in ähnlichem Alter recherchiert sie, dass diverse solcher Fälle über die Jahre hinweg in Pickman Flats zu verzeichnen waren sowie bis heute nie unaufgeklärt wurden. Als ihr Kommilitone Wade (Dylan Flashner) sie zu einer Party bei sich einlädt und sie tatsächlich zusagt, ohne ihren Freundinnen Julianna (Joy Rovaris) und Amity (Erica Dasher) Bescheid zu geben – u.a. da Amity Wade’s Ex ist – findet sie in seinem Zimmer einige beunruhigende Polaroids – welche sowohl ihn wie auch (einer weiteren Entdeckung folgend) ihren Klassen-Kameraden Truman (Jan Luis Castellanos) verdächtig machen; nicht nur da jener für sein „Foto-Faible“ bekannt ist. Obendrein stößt sie auf Randal – Joe’s eineiigen, aber längerhaarigen Zwillings-Bruder – äußert Gigi ihre Sorgen bezüglich des von Trauma beeinflussten Seelenzustands ihrer Enkelin zunehmend offener und direkter, entwickelt Timmons die Anschauung, dass Clare etwas zu verbergen hat, und wird Regina zu der nächsten, für die Missing-Plakate gedruckt und ausgehängt werden müssen…

Parallel zu den dramatischen und sich rund um die Verbrechen rankenden Plot-Stränge wird der Schul-Alltag Clares nicht ausgeklammert: Da sie noch verhältnismäßig neu in der Stadt ist, sind ihre „Verflechtungen“ in jenem sozialen Gefüge noch nicht sehr ausgeprägt oder stabil. Nach der Trennung von Amity hat Wade nun einen Blick auf sie geworfen – wohingegen sie eher Truman bevorzugt; was Amity nichtsdestotrotz in eine Frenemy-Position tendieren lässt. Mit Julianna kommt sie indes ordentlich aus – unabhängig eines Streits zwischen ihnen wegen Clare’s nicht Girl-Code gemäßem Aufkreuzen bei Wade’s Feier. Irritierend mutet derweil die Einbindung einer Gender-swaped Theater-Aufführung des Ira Levin Stücks „Deathtrap“ an, bei dem die fünf mitspielen und für dessen Premiere sie proben – vorrangig aufgrund der Entscheidung, den Part des Regisseurs (Joel Michaely aus „Run Hide Fight“) als einen „wie aus früheren Zeiten“ übersteigert-ehrgeizig-gestresst-klischeehaft-affektierten, punktuell scherzenden Homosexuellen anzulegen. Diese Diskrepanz zu dem eigentlich unbehaglich-ernsten Drumherum – zu der ja auch schon Bob beiträgt – ist nicht unbedingt vorteilhaft, meiner Meinung nach – unterstreicht an sich aber auch noch einmal Peirone’s generell löbliches, so allerdings den betreffenden „Zwiespalt“ heraufbeschwörendes Desinteresse am Kreieren eines konventionellen Thrillers…

Ursprünglich war Madelaine Petsch bei „Saint Clare“ als Lead vorgesehen – bis sich der Drehstart jedoch verschob und sie stattdessen Renny Harlin’s „the Strangers“-Reboot auserwählte. An ihrer Stelle portraitiert nun Bella Thorne („Divinity“) diese an einem Restmaß an PTSD leidende, damit verzahnt nicht viel empfindende sowie im Auftrag Gottes zu agieren überzeugte junge Frau, welche vom Geist eines toten Postboten begleitet Triebtäter straft sowie ihren inneren Antrieb (wie auch ihren Mangel an Emotionen und Reue) durchaus hinterfragt – ohne dabei klare Antworten hervorkehren zu können. Sie strebt es an, sich in ihr Umfeld zu integrieren – doch richtig gelingen mag ihr das nicht. Die u.a. via monotoner Stimmlage vermittelte „Distanziertheit“ Clares resultiert darin, dass man Thorne’s prinzipiell als solide zu wertende Performance sporadisch als hölzern wirkend erachten kann – ebenso wie einen Moment als unfreiwillig komisch oder gar schlecht, in dem sie (Zöpfe und Röckchen tragend) von einer Reporterin interviewt wird, der allerdings bewusst genau so (sich über solche Art von Clips lustig machend campy) gestaltet wurde. Manische Schübe sowie das Thematisieren der Last ihres Glaubens markieren weitere Verbindungen zu Jeanne d’Arc – plus ein im Background zu erspähendes Poster des 1928er Stummfilm-Klassikers Carl Theodor Dreyers – nur dass sich Clare’s Kampf gegen gewalttätige Dreckskerle richtet…

Als Clare’s Großmutter Gigi punktet Rebecca De Mornay („Risky Business“) mit ihrer Screen-Presence sowie gut nachvollziehbaren und transportierten Gemütsregungen – z.B. Befürchtungen hinsichtlich des mentalen Gesundheits-Zustands ihrer Enkelin, welche sie gelegentlich mit sich selbst (bzw. ja mit Bob) in ihrem Zimmer reden hört. Sie hat schon ihre Tochter verloren – also gedenkt sie, Clare unbedingt zu beschützen; vor anderen sowie auch vor ihrem eigenen Tun. Als argwöhnischer Timmons geht Ryan Phillippe („MacGruber“) in Ordnung, ohne dass man ihn im Rahmen dessen groß gefordert hat, Bart Johnson („the Harsh Life of Veronica Lambert“) tritt als kriminelles Brüder-Paar zweckdienlich in Erscheinung und als Clare’s College-Kommilitonen konnte ich mit Joy Rovaris („Bobbi Kristina“), Erica Dasher („the Body Tree“), Dylan Flashner („Code Name Banshee“) und Jan Luis Castellanos („Uglies“) jeweils annehmbar leben. Frank Whaley („Retroactive“) verkörpert Bob prima – ist jedoch hauptsächlich bloß im ersten Drittel mit von der Partie, danach kaum noch: Eine merkwürdige Auffälligkeit – allerdings hat man wohlmöglich irgendwann realisiert, dass er und der Theater-Regisseur den Verlauf mit too much Humorigem angereichert hätten, und den Umfang seiner Szenen von daher in Post reduziert. Imo hätte man die Mr. Edwards Rolle einfach „normal“ verfassen sollen…

Weniger als 90 Minuten sind schlichtweg zu kurz, um alle Inhalte der Story umfänglich zu behandeln – und so hat man mitunter den Eindruck einer Aneinanderreihung oberflächlicher Setpieces, die nur selten ihr komplettes Potential auszuschöpfen in der Lage sind. Clare’s Nachforschungen münden schließlich darin, dass sie sich bewusst selbst in Gefahr begibt – geradewegs hinein in the Belly of the Beast, u.a. da sie sich dazu ja berufen fühlt. Nach einem Genre-typischen Showdown folgt am Ende noch ein netter Ausklang – bevor die Credits einsetzen und die Hoffnung verbleibt, dass Peirone künftig noch zu Tollem imstande ist, sofern die entsprechenden Bedingungen stimmen. Von den kräftigen Farben und der religiösen Symbolik über Clare’s cooles Party-Make-up bis hin zur Kamera-Arbeit und Musik-Untermalung ist das Präsentierte jedenfalls stylish-schick: Ergänzt um Abblendungen und Montagen sowie Momente mit Layering und Blurring – wobei Thorne herself sogar rege am Editing mitbeteiligt war – pulsiert Zola Jesus‘ Electro-Score klangvoll und hat Cinematographer Luka Bazeli („Amber Alert“) die Geschehnisse voller Nahaufnahmen, geneigter Perspektiven und schwankender Bewegungen bebildert. Nie kommt der Streifen wirklich mal zur Ruhe – während man sich zugleich wünscht, ein der düsteren Atmosphäre ebenbürtiges Level an Suspense geboten zu erhalten…

Fazit:

Mitzi Peirone’s „Saint Clare“ ist ein ambitionierter wie unebener, sowohl zwischen unbefriedigend und lobenswert wie auch konventionell und ungewöhnlich schwankender Film. Einiges davon ist mit Sicherheit seinen schwierigen Produktions-Bedingungen geschuldet – denn im Vorfeld führten bspw. Finanzierungs-Probleme zu einer Verringerung der eigentlich geplanten Budget-Höhe sowie zu einem Runterstreichen der Drehtage in Louisville, Kentucky auf bloß nur noch 15 (plus einen späteren in L.A.), was an jedem dieser ein Arbeits-Pensum von über 60 Setups nötig machte; mit kaum Zeit für Proben oder Take-Wiederholungen…

knappe7 von 10

Während „Saint Clare“ bereits in mehreren Ländern bei verschiedenen Anbietern als Video-on-Demand verfügbar ist, soll er hierzulande irgendwann im kommenden Jahr erscheinen…

Stefan Seidl

Saint Clare

(© Screen Media, 101 Films, Quiver Distribution & Tiberius Film)

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Copyright der „Saint Clare“ Postermotive und Pics: Elevated Films / Balcony 9 Productions / Dead Rabbit Films / Lucky 13 Productions / Screen Media / Thomasville Pictures / Blacktop International / Foresight Unlimited / 101 Films (GB) / Screen Media, Quiver Distribution (US) / Tiberius Film (D)__ Freigabe: FSK-16__ DVD/BluRay: noch nicht

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Categorised in: Horror, the Horror Pit

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