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Asphalt Kid

Originaltitel: Wild Thing__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1987__Regie: Max Reid__Darsteller: Robert Knepper, Kathleen Quinlan, Robert Davi, Maury Chaykin, Betty Buckley, Guillaume Lemay-Thivierge, Robert Bednarski, Clark Johnson, Sean Hewitt, Cree Summer, Shawn Levy u.a.
Asphalt Kid

Ein eigenwilliger Mix aus comichafter Selbstjustizaction, moderner Tarzan-Interpretation und Sozialdrama: „Asphalt Kid“

Nachdem John Sayles seine Karriere als Drehbuchautor und manchmal auch Regisseur von Genrefilmen startete (u.a. „Piranha“, „Alligator“, „Wenn er in die Hölle will, lass ihn gehen“), etablierte er sich später auch als Schaffer Award-nominierter Ware wie „Lone Star“. Wobei Genre und tiefergehende Gedanken in seinen Filmen oft eine Symbiose eingehen, so auch in „Wild Thing“ (hierzulande: „Asphalt Kid“), den Max Reid („Im Banne der Schlange“) nach Sayles‘ Drehbuch inszenierte.

Es beginnt im Jahr 1969, als ein Hippie-Pärchen mit kleinem Sohn einen Anhalter mitnimmt. Der ist dummerweise Drogenkurier und mit der Ware von Chopper (Robert Davi) abgehauen. Der zwingt den Kurier zur Überdosis und erschießt die Eltern als unliebsame Zeugen, während dem Sohnemann die Flucht gelingt. Er strandet in den Slums, wo die obdachlose Leah (Betty Buckley) ihn aufzieht. Diese hat einen leichten Hau weg, redet von Polizisten nur als gefährlichen Blauanzügen, welche die Leute an die noch gefährlicheren Weißanzüge (Mediziner) weitergeben und im Dienste der Firma (vermutlich der Staat) stehen, weshalb der Junge nun als Einzelgänger und Jäger aufwächst, als ein moderner Kaspar Hauser, der nur selten spricht und nur mit Vertrauenspersonen.

Sprung in die Gegenwart des Jahres 1987, in dem Wild Thing (Robert Knepper), in der deutschen Fassung Asphalt Kid, nun zum Beschützer des Ghettoviertels The Zone geworden ist, das immer noch von Chopper und seiner Bande beherrscht wird, die mit dem korrupten Cop Jonathan Trask (Maury Chaykin) auch noch einen Gesetzeshüter in der Tasche haben. Obwohl die Bande mit Drogenhandel ordentlich Knete scheffelt, sind ihre Mitglieder auch Terror und Vergewaltigung nicht abgeneigt, da sie schalten und walten kann wie sie möchte, wie Sozialarbeiterin Jane (Kathleen Quinlan) beinahe am eigenen Leib erfährt, ehe Wild Thing sie als moderner Tarzan aus den Klauen der Schurken rettet – der Name seines Love Interests stellt die Bezüge zu Edgar Rice Burroughs‘ Figur noch stärker heraus.

Nach diesem Vorfall werden allerdings sowohl die Polizei als auch Chopper verstärkt auf den Helden des Großstadtdschungels aufmerksam, der den Dealern in die Suppe spuckt. Als Chopper ihn beseitigen will, bekommt Wild Thing die Chance zur Rache am Mörder seiner Erzeuger…

Schaut euch den Trailer zu „Asphalt Kid“ an

„Asphalt Kid“ ist nicht nur ein urbaner Tarzan-Film mit Kaspar-Hauser-Einschüben, er speist sich auch aus anderen Bezügen zur Popkultur. So erinnert Wild Thing als mythischer Großstadtvigilant an Nachbarschaftsbeschützer aus Comicheften, vom freundlichen Spider-Man bis zu den deutlich rabiateren Gesellen Batman und Daredevil. Dass Wild Thing sich zwar nicht direkt kostümiert, aber mit Kriegsbemalung, Tarzan-Outfit und selbstgebastelten Waffen zur Tat schreitet, unterstreicht diesen Eindruck nur noch. Auch eine Referenz in Richtung des eigenen Werks baut Sayles ein, wenn Jane ihren Beschützer bei einem Trip durch die Kanalisation auf den Mythos der Alligatoren im Untergrund anspricht – einen Mythos, den Sayles mit „Alligator“ höchstselbst befeuerte. Vor allem aber sind eben Dschungelhelden wie Tarzan das Vorbild, was auch der Soundtrack von George S. Clinton („Islandic Warrior“) unterstreicht, wenn er mit Buschtrommeln, Urschrei-artigen Klängen und traditionell afrikanisch anmutenden Instrumenten arbeitet.

Allerdings kann sich das Ergebnis dann nicht so ganz entscheiden, ob es denn nun Sozialdrama oder comicartiger Vergeltungsfilm sein will, denn irgendwie ist es beides so halb und nichts so richtig. So zeichnet „Asphalt Kid“ einerseits das Bild einer Gesellschaft, die ihre Armen und Schwachen allein mit Kriminalität und Elend lässt. Ratten knabbern die Obdachlosen an, für Straßenkinder erscheint Prostitution als Ausweg und psychische Krankheiten sind bei den Bewohnern der Zone an der Tagesordnung.

Allerdings bleiben all diese Aspekte eher Randnotizen, da „Asphalt Kid“ selten tiefer in die Materie einsteigt. Noch dazu werden die Figuren noch oberflächlich entwickelt, was sich auch am Verhältnis der beiden Hauptfiguren zeigt: Dass Wild Thing und seine Jane eine Romanze haben und gemeinsam eine Nacht verbringen, scheint eher genretypischen Anforderungen und dem Burroughs-Vorbild zu entspringen als tatsächlich gezeigten Gefühlen. Schließlich läuft das Ganze binnen weniger Tage ab, in denen Jane gleichzeitig Ersatzpflegekraft für den verängstigten Sozialphobiker und seine Geliebte ist, während dieser sich einfach urplötzlich in die junge Frau verliebt hat, weil das Herz eben manchmal grundlos will was es will.

Als Actionfilm nimmt „Asphalt Kid“ allerdings auch wenig Fahrt auf, da er in rund 90 Minuten erst einmal lang und breit Wild Thing samt Umfeld vorstellt, Chopper erst spät so wirklich auf den Plan tritt und viel Zeit für Jane und die Straßen-Kids verwendet wird, diese aber nicht genug Profil gewinnen. Die meiste Action konzentriert sich dann auf das Finale, in dem Wild Thing mit Choppers Gang aufräumt, die aber gerade einmal sechs Mitglieder umfasst. Jedoch sind die Stunts, Kämpfe und Jagdszenen (trotz einiger unsauberer Szenenanschlüsse) brauchbar inszenierte Action der bodenständigen Sorte, in denen Underdog Wild Thing gegen Schurken mit Autos, Gewehren und Pistolen antritt. Der Held legt akrobatische Sprünge hin, benutzt selbstgebastelte, einfache Waffen und schlägt taktisch klug aus dem Hinterhalt zu, was für kleiner skalierte, aber durchaus packende Gefechte und Jagdszenen sorgt.

Zu den Stärken des Films gehören kleine Details am Rande, mit den Sayles und Reid dem Film mehr Profil geben. Da ist zum einen die Riege der Obdachlosen, darunter ein Beinloser, der sich auf einem Rollbrett fortbewegt, oder einer, der mit Degen und Tuch Torero mit Autos im laufenden Verkehr spielt. Auch die Gang von Chopper hat ein paar illustre Gestalten, etwa einen Punk mit Haaren in allen Regenbogenfarben und eine Bodybuilderin, dabei – leider wird die Schurkentruppe über solche optischen Einfälle kaum ausgearbeitet, was schade ist. Denn einerseits erkennt „Asphalt Kid“ damit zwar, dass die besten Fieslinge jene sind, die nicht nur als gesichtsloses Fallobst daherkommen, aber denkt diesen Gedanken nicht zu Ende. Immerhin: Die Nebenfiguren auf guter Seite sind etwas besser ausgearbeitet, bleiben aber eben auch nur kleine Nebenfiguren.

Aus heutiger Sicht mag es etwas ironisch wirken, dass ausgerechnet der derzeit auf Schurkenrollen abonnierte Robert Knepper (siehe „Prison Break“, „Transporter 3“, „Hard Target 2“ usw.) den Helden spielt, aber er verkörpert den unzivilisierten Wild Thing durchaus überzeugend. Kathleen Quinlan („Horns“) ist okay, aber mehr auch nicht, während Maury Chaykin („Art of War“) unterbeschäftigt hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Im Gegensatz dazu liefert Robert Davi („Das Jerico Projekt“) eine extrem launige Performance als Oberfiesling ab, mit der er definitiv alle anderen an die Wand spielt: Chopper ist ein sarkastischer wie eiskalt berechnender Lebemann, nie um einen Spruch oder eine Gemeinheit verlegt. Weitere Akzente setzt Betty Buckley („Split“) als durchgedrehte Pflegemama, auch wenn sie nur kurz mit von der Partie ist. In einer Nebenrolle zu sehen: Der spätere Regisseur und Produzent Shawn Levy.

„Asphalt Kid“ ist kein vergessener Klassiker des Genrekinos der 1980er, aber dennoch einen Blick wert: Der Mix aus comicartiger Vigilantenaction, modernem Tarzan-Abenteuer und sozialkritischen Aspekten ist definitiv etwas, das man nicht alle Tage sieht. Für den letzten Kick mangelt es zwar ein wenig an Schauwerten, Tempo und Figurentiefe, jedoch bleibt „Asphalt Kid“ in seiner Einzigartigkeit länger im Gedächtnis als mancher Wegwerf-Actioner nach Standardschema.


© Nils Bothmann (McClane)


……


„Asphalt Kid“ ist ein „Wild Thing“

Asphalt Kid Mediabook

Asphalt Kid

Mediabook Cover B der Blu-ray-Europapremiere von Wicked Vision

You make everything… groovy!

Zu schade, dass die Guns’n’Roses-Single „Welcome to the Jungle“ erst im September 1987 erschien. Ein paar Monate früher, und sie wäre der perfekte Kompagnon gewesen für „Asphalt Kid“, eine vogelwilde Tarzan-Spielart mitten aus dem Großstadtdschungel. Breitbeinig, catchy und aufgeplustert mit den bunten Federn der Hardrock-Anarchie. Das hätte gepasst.

Stattdessen sah die Filmgeschichte andere Paarungen vor. „Welcome to the Jungle“ wurde ein Jahr später im fünften „Dirty Harry“ untergebracht. „Asphalt Kid“ probierte es stattdessen mit „Wild Thing“, dem damals bereits mehr als 20 Jahre alten „The Troggs“-Klassiker nach Chip-Taylor-Vorlage, der hier nicht nur als Soundtrack verwendet wird, sondern auch als Namensgeber für den Originaltitel fungiert. Und während der Song in seiner Urform den Sexappeal ungezügelter Weiblichkeit besingt, beschreibt er hier die rohe Männlichkeit, die im Untergrund der dreckigsten Viertel der Stadt zur Reife brütet, ungeformt von der Zivilisation an der Oberfläche.

Dass sich „Asphalt Kid“ nun mit einem Oldie aus der Keimzelle der Rockmusik schmückt, ist womöglich eine glückliche Fügung, denn bei aller Neugierde auf die rohe Natur des Menschseins, die der Film zur Schau trägt, gebärdet er sich doch weniger wie eine realistische Sozialstudie seiner Zeit, sondern eher wie eine Legende aus längst vergangenen Tagen, die man Touristen erzählen würde, wenn sie sich in die Eingeweide der Stadt verirren. Dass der Fundus des amerikanischen Kinos damals bereits auf die Errungenschaft des rauen, authentischen New Hollywood zurückgreifen konnte, sieht man dieser undefinierbaren Mischung aus Außenseiterdrama, Großstadtabenteuer, Actionfabel und Superhelden-Saga nicht an.

Wenn Tarzan eine Katze hätte…

Während Schwarzenegger und Stallone bereits als Berserker durch Gebäude und Dschungellandschaften mähten, krabbelt der schlaksige, seinerzeit nicht nur körperlich, sondern auch mimisch noch sanft wirkende Robert Knepper wie Spider-Man an Hausfassaden entlang. Als Haustier hält er sich eine Streunerkatze, die mit ihrem Besitzer stets fotogen vom Gebäudevorsprung aus das Treiben in den Gassen beobachtet. Dadurch verschiebt sich teilweise sogar die Perspektive hinein in die Augen der Katze; womöglich hat man sich dabei auch ein wenig von „Katzenauge“ (1985) inspirieren lassen. Darüber hinaus werden mit dem vierbeinigen Begleiter in gewisser Weise Posen rekonstruiert, die mit dem Aufstieg der Comicfilme im 21. Jahrhundert wieder in Mode gekommen sind. Dabei wirkt er aber nicht modern, sondern wie ein Anachronismus aus Zeiten des guten alten Pre-Code-Hollywood, das sich irgendwie in den überkandidelten Zeitgeist der Gegenwart verirrt hat.

Eigentlich wurde Wild Thing aus dem Hippietum heraus geboren, das sich in den ersten Minuten in einem Nebel aus Drogen und Verletzung der Aufsichtspflicht auf der Leinwand entfaltet, bevor es per Sprung in den reißenden Fluss direkt weiter Richtung Slums geht. Schwarze Gangs, die dank der Graffiti- und Breakdance-Ästhetik der 80er eigentlich eher bunt anmuten, prägen das Landschaftsbild; Michael-Jackson-Lookalikes und Ghettoblaster an der einen Laterne, Punks mit gefärbtem Haar an der anderen. In dieser schrillen Kunstwelt existiert Wild Thing wie ein Geist; man hörte von ihm, doch gesehen haben ihn nur die Penner, die wie Litfaßsäulen mit der Straße verwurzelt sind und alles bezeugen, was dort geschieht. Es braucht schon eine Jane von außerhalb, hier in Form der ganz in Weiß gekleideten und mit Koffern beladenen Kathleen Quinlan, um den Rächer der Enterbten aus seiner Höhle zu locken.

Leise Anklage der sozialen Ordnung

„Asphalt Kid“ zeigt gelegentlich sozialkritische Ambitionen, wenn er das Handeln der Polizisten und die Machtlosigkeit der Kirche implizit in einen Zusammenhang mit einer Politik bringt, die sich einen feuchten Kehricht um die unteren Bevölkerungsschichten kehrt. Wie um den Verstoßenen zur Seite zu springen, wird als Reaktion darauf in die spezielle Gedankenwelt des Protagonisten eingetaucht, der fast unbewusst die Lücke füllt, die das Gesetz hinterlässt. Um seine Andersartigkeit zu betonen, wird ihm beispielsweise eine alternative Sprache in den Mund gelegt, die sich hauptsächlich von kruden Metaphern nährt, oder es wird im Detail aufgezeigt, wie ihn das Leben auf der Straße unter Obhut einer Ziehmutter mit den Jahren geprägt hat.

Das Skript nutzt dazu populärwissenschaftliche Thesen der Verhaltenspsychologie, mit denen eine ernsthafte Studie natürlich zu keiner Zeit zur Debatte steht. Vielmehr geht es darum, aus aufgeschnappten Rollenbildern eine schrille Kunstfigur zu bilden, ein Kultobjekt im Erfolgsfall, das innerhalb seines filmischen Rahmens Akzente setzen kann.

Wie ein Antiheld aus einem Comic

Zu sehen gibt es also einen Exoten, ein wahrhaftiges Produkt des Kinos und der Fantasie, das jenseits der Regeln von Justiz operiert, um mit der Rechtmäßigkeit des Vigilantismus die Herzen der Zuschauer zu gewinnen. Das erklärt dann auch die (gemessen an seinem Spitznamen zumindest) unerwartet domestizierte Zeichnung der Figur. Geradezu sanftmütig wirkt sie, nicht nur, was ihre Taten angeht, sondern auch die Art und Weise, wie sie begangen werden. Drehbuch und Regie hätten sich auch für eine düsterere Version entscheiden können, sowohl den Wildfang selbst betreffend als auch sein Habitat. Stattdessen wird bei allem angedeuteten Gräuel ein nahezu komödiantischer Ton angeschlagen. Also führt ein junges Gangmitglied, in der deutschen Fassung ausgerechnet ausgestattet mit der Theo-Huxtable-Synchronstimme von Oliver Rohrbeck, wie ein Tourguide in einem Themenpark durch die Straßen. Gefahr und Risiko bleiben theoretische Parameter, der Film begnügt sich mit der harmlosen Folklore, die er verströmt.

In Form einer skurrilen Version einer urbanen Legende geht die Rechnung sogar einigermaßen auf. Den namenlosen Wilden fauchen zu sehen, wenn er sich bedroht fühlt, oder etliche Saltos purzelnd von dannen ziehen zu sehen, während auf ihn geschossen wird, bereitet eine überaus seltsame Form von Vergnügen; einzig Rache und Vergeltung hätten mit noch schärferer Schneide geschnitzt werden dürfen, denn Robert Davi wird auf der Gegenseite trotz seiner 1A-Schmiervisage schlichtweg nicht genug Raum geboten, um eine echte Fehde vom Zaun zu brechen.

Regisseur Max Reid, der nur wenig mehr als diesen Film auf dem Kerbholz hat, inszeniert manchmal draufgängerisch wie bei einem Social-Consciousness-Film und manchmal plakativ-seicht wie bei einer RomCom für die Massen; es gelingt ihm kaum, dazwischen einen eigenen Stil zu entwickeln. Aber das Ungreifbare, das als Nebenprodukt entsteht, hat dann doch wieder seine interessanten Seiten.

Asphalt Kid: Richtig wild wurde es erst danach

Während der Rausschmeißer „Wild Thing“ von den Troggs immer noch nachhallt und wohl für immer nachhallen wird, bleibt vom „Asphalt Kid“ nicht mehr zurück als ein Schatten auf der Straße… und natürlich der Startpunkt für die Metamorphose von Robert Kneppers einmaliger Visage, die längst selbst für das Schurkenhaft-Verschlagene steht, das er zu Beginn seiner Schauspielkarriere offensichtlich noch bekämpfte. Als krude Mischung aus klassischem (Anti-)Heldengedicht und gestellter Anarchie, eingebettet in den schroffen Look der Entstehungszeit, taugt die erste Titelrolle Kneppers immerhin noch als Kuriosität.

Informationen zur Veröffentlichung

Limited Collector’s Edition Nr. 73

„Europäische HD-Premiere“, verlautbart der Werbesticker auf der neuen Blu-ray-Edition aus dem Hause Wicked Vision. Das ist wohl glatt noch untertrieben. Die gesamte DVD-Ära wurde verschlafen. Außer verblassten Tapes und verblassten Erinnerungen an Kinobesuche von vor 40 Jahren war ja nichts mehr übrig von „Asphalt Kid“. Es sei denn, man importierte aus den USA: Dort existiert seit rund zehn Jahren eine Veröffentlichung, wahlweise als Blu-ray oder DVD, von Olive Films, die zwar keinerlei Extras enthielt, aber immerhin erstmals überhaupt für den Sprung auf digitale Medien sorgte. Der Sprung nach Deutschland vollzog sich dann im November 2023 über die „Limited Collector’s Edition“-Reihe von Wicked Vision – besser spät als nie.

Ein 2-Disc-Mediabook ist es wenig überraschend geworden, wobei sich die Aufteilung in Blu-ray und DVD eher an den alten Zeiten von Anfangstagen des Labels orientiert und nicht an den häufiger werdenden UHD/BD- oder BD/CD-Paarungen in letzter Zeit. Das dürfte auch daran liegen, dass die amerikanische Vorlage bei diesem Titel einfach nicht so viel zur Verwertung anbietet wie einige andere Filme. Und doch hat man sich bemüht, zumindest die US-Disc zu überbieten.

Die Verpackung

Asphalt Kid

„Asphalt Kid“ erscheint erstmals in Europa auf Blu-ray und DVD.

Das Mediabook als solches ist ja ohnehin ein eher deutsches Ding und in den USA eher unbekannt, im Vergleich zum reichlich unspektakulär gestalteten Olive-Films-Keep-Case haben die deutschen Buchvarianten aber optisch die Nase klar vorn. Cover A und C unterscheiden sich auf den ersten Blick kaum; Hauptdarsteller Robert Knepper hockt in animalischer Pose vor der Skyline seiner Stadt, unter ihm in fetten Blockbuchstaben der deutsche Titel „Asphalt Kid“ und der Zusatz „Einzelgänger – Legende – Held – Kämpfer“.

Erst bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass der Kopf auf Cover A mehr dem Betrachter zugerichtet ist, während er sich auf Cover C Richtung Seitenprofil neigt. Darüber hinaus weichen die Blautöne des Himmels und der Spiegelungen im Wasser vor der Skyline auf Cover C Violetttönen. Ein wenig irritierend wirkt auf beiden Motiven die Fußstellung Kneppers, der in der Luft zu hocken scheint; da wäre die Frage gewesen, ob man ihn nicht besser direkt auf dem Schriftzug hätte hocken lassen können, auch wenn die Arme dazu noch tiefer in den Schriftzug hätten reichen müssen. Aber das ist wohl eine Frage, die sich vor allem der Posterdesigner von damals stellen lassen muss.

Das in Natura vorliegende Cover B schmückt sich wiederum mit dem Originaltitel „Wild Thing“, der bei A und C nur klein unter dem deutschen Titel abgedruckt ist. Das Artwork macht dabei Gebrauch von der Panel-Optik eines Comics und betont dadurch die Superhelden-Aspekte der Geschichte. Die kursiv verlaufenden Linien ergeben mit dem ebenso kursiv abgedruckten Titel eine Linie, was gemeinsam mit den urbanen Hintergründen und den Kontrasten der einzelnen Panels zueinander eine schöne Dynamik erzeugt.

Knepper, der sich mit Stahlseil und Armbrust bewaffnet durch die Häuserschluchten schwingt, erinnert mit seinen bauschigen Stachelhaaren, seiner Kriegsbemalung und seiner Wrestling-Montur dabei sogar ein wenig an den „Ultimate Warrior“ aus guten alten WWF-Tagen. Die in der Basis matte Oberfläche des Mediabooks ist großzügig mit Spotlack versehen; Filmtitel, Hauptfigur und die Panels am Rand heben sich mit Glanzeffekt hervor, auch einige Elemente am Spine und auf dem Backcover sind auf diese Weise bearbeitet. Allerdings wirkt der Druck des Covers etwas dunkler als auf dem Deckblatt, welches insgesamt mehr Details offenbart.

Das Booklet

Auch im Inneren bleibt es comichaft-schrill, wurden die Flächen doch mit einer Ziegelsteinwand ausgekleidet, die gerade von einem Punk mit Graffiti besprüht wird. Das Cover des Booklets nutzt das Motiv des A-Mediabooks in seiner ursprünglichen Form als Kinoposter mit zusätzlichen Credits am unteren Rand und dem Schriftzug „Asphalt Kid – zum Überleben geboren – von Menschen verraten – zum Kämpfer geschult…“ am oberen Rand, während das unspektakuläre Olive-Films-Motiv zumindest noch als Booklet-Backcover taugt.

Dazwischen finden wir die obligatorischen 24 Seiten mit Text von Christoph N. Kellerbach, wobei es der Autor diesmal nur bis Seite 15 schafft; danach übernimmt eine Galerie von deutschen Aushangfotos, je zwei im Querformat auf einer Seite oder eines im Hochformat ganzseitig. Kellerbach indes bemüht sich auf den ersten Seiten um eine Einordnung aus zweierlei Perspektiven: Erstens, was die Ursprünge der Geschichte aus Figuren wie Tarzan, Mogli oder Romulus und Remus angeht, zweitens, was die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation in amerikanischen Großstädten zur Produktionszeit angeht.

Anschließend wird der Leser mit Regisseur Max Reid vertraut gemacht, über den insgesamt wenig im Internet nachzulesen ist, sowie außerdem mit den Autoren Larry Stamper und John Sayles. Nach einer Vorstellung der wichtigsten Darsteller, angeführt von Robert Knepper, geht es weiter zur Musik von George S. Clinton und zur Kamera von René Verzier. Dann wird noch einmal konkret auf die Dreharbeiten eingegangen, bevor ein paar Worte zur Veröffentlichung den Essay abschließen. Nett auch, dass am Ende des Textes noch einmal die Pressemappe abgedruckt ist.

Das Bild

Während die VHS von Ascot auf Vollbild maskiert war, wird der Film auf Disc wieder im alten Kinoformat 1,85:1 präsentiert, wobei die Blu-ray in einer Auflösung von 1080p vorliegt. Starkes Korn prägt den Look. Die Schatten der oft bei Nacht gefilmten Hintergründe, der graue Asphalt und die eingesprühten Mauern werden durch das Gewimmel zum Leben erweckt; selbst in toten Einstellungen ist dadurch immer etwas los auf der Mattscheibe. Die Farben hinterlassen bleibenden Eindruck, müssen sich aber in einem recht dunkel eingefangenen Ambiente durchsetzen. Obwohl in Montréal gefilmt, kommt die typische Optik der New-York-Filme der 80er zum Tragen. So etwas ist per Definition nicht unbedingt HD-Referenzmaterial, der Transfer vermag die Stimmung der Filme aus damaliger Zeit aber auf den Bildschirm zu transportieren.

Der Ton

Eines der größten Argumente für eine deutsche Disc ist natürlich immer das Vorhandensein der deutschen Synchronisation. Hier liegt sie sogar in zweifacher Ausführung vor, und zwar einmal als gefilterte und einmal als ungefilterte Version. Die Erstgenannte zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass ein dezentes Hintergrundrauschen der ungefilterten Version nicht mehr zu hören ist – zu dem Nachteil, dass die Aufnahme dadurch eventuell einen Hauch weniger offen klingt. Gegebenenfalls testet man in den ersten Minuten einfach selbst kurz per Hörprobe aus, welche Version besser auf den Ohren klingt. Schön ist es in jedem Fall, dass man beide zur Auswahl hat.

Zusätzlich darf natürlich auch die englische Originalfassung nicht fehlen, die rein qualitativ gegenüber beiden deutschen Fassungen die Nase klar vorn hat – viel mehr Dynamik, viel mehr Spielraum in der Tiefe, mehr Bass und ein breiteres Spektrum an Effekten speziell in den Action-Highlights. Im Format unterscheiden sich alle drei Spuren nicht, liegen sie doch alle in DTS-HD Master Audio 2.0 vor.

Der Audiokommentar

Um zumindest ein wenig Bonusmaterial zu generierten, nahmen Filmwissenschafler Dr. Kai Naumann und Wicked-Vision-Mitarbeiter Laurent Ohmansiek gemeinsam einen Audiokommentar auf. Es ist nicht der erste mit dieser Paarung; bereits für „Monster Truck“ hatten sie sich zusammengefunden, einen Film aus der gleichen Ära, der für ein ähnliches Publikum zugeschnitten war. Auch diesmal sparen sie nicht mit Hintergründen. Von den Manson-Morden mit Bezug auf die Hippie-Auftaktsequenz des Films bis zur Reagan-Ära, in welcher der Film produziert wurde, werden etliche Knoten geflochten. Aber auch auch Szenenanalyse muss nicht verzichtet werden, darf man sich doch darauf freuen, von vier äußerst aufmerksamen Augen auf allerlei kleine Details aufmerksam gemacht zu werden. Erfreulich wenig Überschneidung gibt es auch mit dem Booklet von Kellerbach.

Trailer und Bildergalerie

Zu guter Letzt hat sich Ohmansiek dann noch in den Schnittkeller begeben und zwei US-Trailer sowie den deutschen Trailer mit dem Widescreen-Material in HD nachgeschnitten; zum Vergleich sind zumindest die beiden US-Trailer auch im Original-Open-Matte-Format dabei. Interessant ist es, dass er im Audiokommentar erwähnt, dass ihm beim Schneiden gewisse Einstellungen aufgefallen sind, die es nicht in den Film geschafft haben. Sicherlich keine ungewöhnliche Faktenlage – wir kennen das schließlich auch aus heutigen Produktionen noch – aber doch ein weiterer Nachweis dafür, weshalb Kinotrailer als fester Bestandteil filmhistorischen Erbguts betrachtet werden sollten und einfach auf jede gute Edition gehören, sofern vorhanden und verfügbar.

Den Abschluss macht eine 4-minütige Bildergalerie mit Postern, Lobby Cards, Stills, Pressematerial und Mediencovern, aus der man sich auch teilweise bedient hat, um das Produkt zu gestalten.

Deutsche Untertitel sind für alles an Bord, was in englischer Sprache vorliegt. Der Hauptfilm ist zusätzlich auch mit englischen Untertiteln abspielbar. Die DVD ist diesmal übrigens abgesehen von der Auflösung des Bildes wieder absolut inhaltsgleich mit der Blu-ray.

Eine schöne kleine Featurette hätte das Paket noch abgerundet, aber ob sich das bei einem solchen Titel rentieren würde? Verkaufsargument ist hier hauptsächlich die Tatsache, dass dieser Film bei uns seit der Videokassette nicht mehr im Handel war, und solche Filme sollten in der Regel Vorrang haben vor Neuauflagen und Repacks von Filmen, die bereits in unzähligen Auflagen auf den Markt gespült wurden. „Asphalt Kid“ mag kein Klassiker oder absoluter Geheimtipp sein, rechtfertigt aber in filmischer Hinsicht zweifellos seine Rettung aus der Vergessenheit.

Bildergalerie

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Was die Leute alles auf den Müll schmeißen…

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So verloren wie Rotkäppchen im Wald, nur in Weiß und in der Stadt: Kathleen Quinlan.

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Robert Davi schmeißt eine Donut-Party.

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Die Wohnzimmertapete ist selbst designt.

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Birdy lässt grüßen.

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Wilde Katze revanchiert sich für Dutzende Baumrettungen.

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Für Wild Thing müssen schon die ganz großen Geschütze aufgefahren werden.

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Kung Fu – Der Weg der Katze.

© Sascha Ganser (Vince)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Wicked Vision / Ascot__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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