Originaltitel: Das Mikado Projekt__Herstellungsland: Deutschland__Erscheinungsjahr: 1983__Regie: Torsten Emrich__Darsteller: Eddie Constantine, Sabine Stoffel, Torsten Emrich, Artur Rodrigues, Frank T. Smith, Tony Thomas, Werner Röglin, Burkhard Peters, Alfred Edel, Gabriele Metzger, Anne Hoos, Werner O.W. Siman, Rolf W. Schmidt, Dieter Elsenheimer, Fritz Spalek, Peter Keller, Heinz Dittmer u.a. |

Das Mediabook-Cover von „Das Mikado Projekt“
„Wir sind geheim, so streng geheim… wir sind Geheimagenten!“
Von wegen geheim! Schon der deutsche Urlauber wird gemeinhin relativ leicht am fetten, saftigen „D“ identifiziert, das als Länderkennzeichen auf seinem VW Polo klebt. Ein deutscher Geheimagent wäre wohl kaum weniger schnell enttarnt, selbst wenn er einen Ninja-Einteiler trüge. Das „D“ dringt aber auch sonst gerne in die unterschiedlichsten Ritzen vor. Zum Beispiel zwischen die Initialen der unter anderem aus den USA stammenden „New Wave“-Strömung, aus der in Deutschland kurzerhand die „Neue Deutsche Welle“ wurde, eine Abwandlung der von roher Schludrigkeit angetriebenen musikalischen Bewegung, die es zur Methode machte, sich an der deutschen Sprache mit ihrer Tendenz zur Auslautverhärtung und zum Glottisschlag zu verhaspeln.
So hoffnungslos der Deutsche also seinen typischen Eigenarten ausgeliefert ist, an denen man ihn im Ausland stets erkennen wird, so offen war er aber doch in Nachkriegszeiten immer schon gegenüber Einflüssen aus der amerikanischen Popkultur. Ganz besonders gilt das natürlich für die saugfähigen 80er. „Das Mikado Projekt“, eine deutsche Low-Budget-Spoof-Komödie aus dem 007-Fahrwasser, ist ein besonders interessantes, weil vermeintlich ideologisch unbelastetes Betrachtungsobjekt einer solchen deutsch-amerikanischen Fusion, steht doch kein millionenschwerer Propaganda-Apparat hinter der Agentenparodie, sondern lediglich ein enthusiastischer Regisseur und Hauptdarsteller, der ebenso schludrig arbeitet wie die Neue Deutsche Welle klingt. Kein Wunder, dass Torsten Emrich voller Motivation gleich auch noch den Titelsong mit allerfeinstem NDW-Zungenschlag bellt, während die Background-Sängerinnen „Tri-tra-trullala“ trällernd auf Joachim Witts Spuren wandeln.

Gestatten: Die Klasse von 1983.
Bond-Parodien gab und gibt es über den Globus verteilt unzählige, sie bilden gewissermaßen einen eigenen Exploitation-Zweig. Als Emrich seine Verwechslungsposse um den trotteligen Privatdetektiv Randolf Wickenreuter (der Regisseur höchstselbst) mit reichlich Elan an die Frankfurter Kinos vermittelt hatte, war es gerade mal drei Monate her, dass die Hongkong-Bond-Parodie „Mad Mission“ in Deutschland angelaufen war, mit niemand geringerem als Synchronlegende Arne Elsholtz (Tom Hanks, Bill Murray u.v.m.) auf Hauptdarsteller Sam Hui. Elsholtz ist es auch, der „Das Mikado Projekt“ mit seinen unmöglichen Wortfiguren in den höchsten Stand der Schnatter- und Schnodderfilme erhebt. Dass während der Dreharbeiten aus Kostengründen auf Tonaufnahmen verzichtet wurde, gerät in der Postproduktion doch glatt zum Vorteil, denn Elshotz rettet mit seinen absurden Improvisationen so einiges, nicht zuletzt die blasse Gestalt von Privatdetektiv, die im Grunde durch die Handlung gefeuert wird wie ein willenloser Pinball.
Ist die pflichtschuldige, aber dafür herrlich nonchalant im Azubi-Stil aufgelöste Zielfernrohr-Imitation à la Bond einmal abgefrühstückt, taucht „Das Mikado Projekt“ auch gleich tief ins westdeutsche Zentrum ein. Die Kamera liefert teils wunderschöne Einblicke in eine mehr als vier Dekaden alte Vergangenheit voller bürgerlicher Spießigkeit. Pflasterwege und kleine umzäunte Außenbereiche von Cafés, Fachwerkhauspanoramen, kitschig geschmückte Feinkostläden und das Dekolleté der Bedienung prägen das Landschaftsbild. Kameramann Martin Lober gelingen manchmal derart urige Einstellungen, dass man sich fast in die „Pumuckl“-Serie versetzt fühlt. Letztlich ist der Schauplatz aber immer noch Frankfurt, deswegen gibt es auch graue Betonwände, Hundescheiße auf dem Bürgersteig und U-Bahn-Stationen zu sehen, mit denen die lokale Normalität abgebildet wird, die bald von Bond-Ismen aus dem Gleichgewicht gebracht werden soll. Damit hat es Emrich aber keineswegs eilig. In den Bildern zappelt es zwar bisweilen wie in Suppenkaspers Kesselstube, sie werden aber oft in langen, weiten Einstellungen zum gemütlichen Wohnzimmer ausgebaut.

„Ich möcht‘ zwei Haddekuche, wenn’s geht, bitte.“
Das hat natürlich den unschönen Nebeneffekt, dass so mancher Gag in den nicht enden wollenden Wimmelbildern geritten wird wie ein totes Pferd… bis das Pferd dann aber irgendwann plötzlich doch wieder aufsteht und zu wiehern beginnt. Das Timing der Pointe wird einfach zerdehnt wie ausgeleierte Unterhosen, bis man letzlich in der Meta-Dimension des Nicht-Witzes gelandet ist, in der manchmal nicht ganz unberechtigten Hoffnung, der Funken möge sich wieder entzünden, wenn man nur lange genug drauf beharrt.
Die Planlosigkeit, mit der da Einstellungen aneinandergereiht werden, führt bei aller Schlichtheit der Story nicht zuletzt zu maximaler Konfusion. Gegenschnitte zwischen Wickenreuter, der für den Topagenten Max Mikado gehalten wird, und der hundsgemeinen Skafisch-Organisation (mit Hausschwein statt weißer Katze), müssen reichen, um den Plot anzutreiben, alles Weitere ist kindlicher Experimentierdrang vor Ort.
Am besten ist „Das Mikado Projekt“ immer dann, wenn die Darsteller mit unerwarteten Einlagen überraschen und derartigen Unsinn kredenzen, dass es unmöglich ist, von außen die Gedankengänge nachzuvollziehen, die zu der jeweiligen Idee geführt haben. Das kann mal ein euphorischer Hüpfer eines Fahrgastes beim Eintreffen der U-Bahn sein, vielleicht aber auch eine Abfolge von Szenen in Form eines diskret inszenierten Furz-Running-Gags oder auch einfach eine der endlos langen Einstellungen in der Totalen voller merkwürdigem Dadaismus: Zwei Karatekämpfer zum Beispiel, die sich mit der Flasche am Hals für ihren nächsten Angriff wappnen, während sich im Hintergrund jemand die eigenen Hände toastet, jemand anders einen Fernseher mit der Handkante zerdeppert und wieder jemand anders mit einer Übungspuppe tanzt wie im Irrenhaus. All das garniert eben mit dem Elsholtz-Blödsinn auf der Tonspur, der manchmal aus dem Nichts zu kommen scheint.

So amüsant es im Vordergrund zugeht, auch die hintere Reihe hat was zu bieten.
Nicht zu verachten ist auch der Sinn für das Poststrukturalistische, den der Regisseur beweist, indem er die filmische Realität immer wieder aufbricht. Das beginnt bei der eingangs erwähnten 007-Eröffnung, führt sich fort bei einer Persiflage auf den MGM-Löwen und endet mit der letzten Einstellung, in der schon mal langsam das Set abgebaut wird, während die Szene noch läuft. Ein besonderes Augenmerk genießen dabei grafische Spielereien, die unterschiedlichste Genreeigenschaften aufs Korn nehmen, etwa Thriller-Kino der Marke „18 Stunden bis zur Ewigkeit“, wenn Countdowns eingeblendet werden, oder die Blödelwelten von Mel Brooks und Monty Python, wenn Bild und Wort mal wieder vehement einander widersprechen.
Was das Amerikanische angeht, konnte Torsten Emrich mit der Besetzung von Eddie Constantine („Alphaville“, „Rififi am Karfreitag“) für seinen kleinen Film sogar einen großen Coup landen. Auch wenn Constantine anscheinend nach Klaus Kinski und Paul Hubschmid nur dritte Wahl war und im Film von einer Stimme aus dem Hintergrund glatt als Heinz Schenk gerufen wird, war er dem Regisseur immerhin wichtig genug, dass seine Gage drei Prozent des Gesamtbudgets ausmachte. Als Gegenwert liefert Constantine das durch dreißig Jahre Kinoerfahrung gegerbte Charisma eines Altstars und lässt seine Co-Darsteller mehr als ohnehin schon wie Unschauspieler aussehen, die weder spielen noch reden noch tanzen noch treten können. Einzig Werner Röglin liefert in einer Nebenrolle noch vergleichbare Schauwerte in Form einer größenwahnsinnigen Varietéshow im Geiste von Dom DeLuise oder Tim Curry, die sehr gut zur Larger-than-Life-Thematik passt, während Emrich in der Titelrolle mehr oder minder erfolgreich seinem großen Vorbild Jerry Lewis nacheifert, in Wirklichkeit aber oft eher wirkt wie eine junge Mischung aus Wigald Boning und Hape Kerkeling.
Man kann bei einer Erstsichtung endlos viel verpassen, weil stets mehrere Dinge gleichzeitig auf mindestens zwei Bildebenen geschehen, was durchaus für einen gewissen Wiedersehwert spricht, der sich sogar als Ehrenrettung für so manchen Instant-Rohrkrepierer erweisen könnte. Wohl kaum aber wird irgendjemand die beiden Ninja übersehen können, die durch etliche Szenen schleichen und Unsinn treiben, wobei ihre nicht vorhandene Unsichtbarkeit wie ein Neonschild mit dem Aufdruck „Ironie!“ funktioniert. Das hektische Gebrabbel der Minions, an denen sich heute Heerscharen von Kindern erfreuen, funktioniert nicht viel anders als die Interaktion zwischen den beiden mit römischen Zahlen durchnummerierten Schleichern, die ganz nebenbei den amerikanischen Ninja-Film parodieren, der zu jener Zeit Konjunktur hatte.

Man dürfte sie eigentlich gar nicht sehen, aber man kann sie auch nicht ignorieren: I und II.
Na klar, „Das Mikado Projekt“ leidet an vielen Stellen maßgeblich unter der Improvisationsphilosophie seines Regisseurs und gerät dadurch immer wieder in den Leerlauf. Aber dann wird einfach gestrampelt wie der Frosch in der Sahne und schon geht’s fröhlich weiter. Die Welteroberungsfantasien aus dem Baukasten mal beiseite geschoben, lässt sich eine ganze Menge in dem Agenten-Wirrwarr entdecken: Versuchsanordnungen in Bild und Ton ohne jedes Gespür für Timing, manchmal durch den Geldgeber dezent gezügelt, aber trotzdem nicht immer politisch korrekt, abgepackt in zahllose Gags pro Filmminute, manche davon tot, manche untot und manche auch quicklebendig. Eine Komödie ist aber ohnehin immer Geschmackssache; wirklich wertvoll wird diese hier erst dadurch, dass die zahllosen Anspielungen auf Unterhaltungsmedien und gesellschaftlichen Alltag genauso dargestellt werden, wie sie vom Filmemacher empfunden wurden, quasi vom Bauch auf die Leinwand. Das macht „Das Mikado Projekt“ so essenziell als Zeitdokument für die damals herrschende, nicht nur von Amerika beeinflusste deutsche Popkultur.
Und wie bewertet man das Ganze nun vernünftig? Welches Maß kann man an einen solchen Film schon anlegen? Vielleicht den Frankfurter-Würstchen-Meter:
Mindestens vier Badewannen-Periskope springen definitiv auch bei der Bewertung raus:
Das ein oder andere Mal wird aber auch mächtig in die Kacke getreten:
Und nicht zu vergessen, das bereits bei „Ninja Justice Style“ zur Anwendung gekommene Ninja-O-Meter. Versteht sich von selbst, dass auf dieser Skala eine II erreicht wird.
Informationen zur Veröffentlichung von „Das Mikado Projekt“
Limited Collector’s Edition Nr. 89
Kino, Kino und nochmals Kino. Das war vermutlich alles, was sich Torsten Emrich für „Das Mikado Projekt“ anno 1983 erträumte. Dass seine Agentenparodie einmal den kompletten Weg durch mehrere Generationen von Heimkinomedien beschreiten würde, hätte er vermutlich nicht zu träumen gewagt. Nach der VHS (1983) und etlichen DVD-Auflagen (Marketing / Cineplus / Screen Power) geht es für den Low-Budget-Streifen nun also in die Welt des High Definition Home Entertainments, und zwar mit Wicked Visions 89. Ausgabe der „Limited Collector’s Edition“-Serie.
Die Verpackung
Dabei handelt es sich in vielerlei um eine sehr spezielle Edition der Sammlerreihe, wie man möglicherweise erst auf den zweiten Blick erahnen mag. Hochwertig wie immer kommt zumindest das Mediabook daher. Ein Deckblatt ist diesmal nicht dabei, stattdessen klebt ein Sticker mit FSK-Logo, Titel und Hinweisen auf den Inhalt auf der Verpackungsfolie. Hier können wir bereits nachlesen, dass es sich bei der 2-Disc-Edition diesmal nicht um eine Paarung aus Blu-ray und inhaltsgleicher DVD handelt, sondern die Blu-ray mit einer Soundtrack-CD gepaart wird. Dazu später mehr. Was das Mediabook-Finish angeht, sind wir anscheinend langsam wieder zurück beim Hochglanz-Standard, nachdem zuvor eine Zeit lang der Mattdruck im Trend lag.
Ungewöhnlich ist es, dass diesmal nur auf ein einziges Artwork gesetzt wird, und zwar das gezeichnete Originalposter. Torsten Emrich ist im kanariengelben Jackett mit Brille und Hut herrlich auf Bond gestriegelt und pfeift die Parodie dank seiner „Superman“-Brotdose und des unverwechselbaren Moulinex-Handrührgeräts (man fand es einfach in jeder Küche) von den Dächern. Eddie Constantine verkörpert im klassischen Anzug mit Fliege und Bogart-Hut derweil die alte Schule, während Sabine Stoffel im Badeanzug die weibliche Pose der Heldenverehrung annimmt. Abgesehen von der Frankfurter Skyline, zwei kleinen Hintergrundszenen und dem Straßenverlauf ist die restliche Fläche recht blau und leer, was den Platz freiräumt für den Titelschriftzug mit rot gefärbtem 3D-Effekt. Ein solches Poster darf man dann durchaus mal für sich selbst stehen lassen, ohne es zu Neuanfertigungen in Konkurrenz zu setzen. Bleibt zu hoffen, dass die dadurch wegfallenden Artwork-Doppelkäufe durch eine entsprechende Masse von Filminteressenten kompensiert werden können, denn auch diese Edition wurde keineswegs in der Auflage gesenkt, sondern steht 999 Mal zum Kauf bereit. Um einen Anreiz zu setzen, möglich früh zuzuschlagen, bekommen die ersten 333 Besteller im Shop allerdings noch ein schickes Set aus fünf Postkarten sowie eine vom Regisseur persönlich signierte Autogrammkarte – gewichtige Gründe, sich den Kauf nicht allzu lange zu überlegen.

Wer schnell ist, freut sich über 5 Art Cards als Bonus-Beigabe.
Innenteil und Booklet
Im Innenteil des Mediabooks geht es nicht weniger schick zu. Das Front- und Backcover des eingeklammerten Booklets wurde mit originalen Zeitungsausschnitten aus der Entstehungszeit gepflastert. Das sieht nicht nur in Sachen Layout bombenmäßig aus, sondern ist, die entsprechende Sehkraft vorausgesetzt, auch noch informativ, bekommt man durch die Artikel doch einen Einblick in die damalige Rezeption des Films durch die Printmedien. Auch an die Flächen unter den Disc-Trays hat der Designer gedacht; da finden wir nämlich eine humoristisch gestaltete Kurzbiografie der Hauptfigur aus dem Film, die auf der linken Seite beginnt und auf der rechten Seite fortgesetzt wird – inklusive Zutaten für ein Rezept sowie einen Plan B, falls das Rezept nicht gelingt.
Das Booklet fasst diesmal 28 Seiten und wird wie so oft von Christoph N. Kellerbach gefüllt. Der hat aber nicht etwa eine Filmanalyse im Gepäck, sondern ein Interview mit Regisseur und Hauptdarsteller Torsten Emrich. Der plaudert über seine Kindheit unter Obhut der Großmutter, seine teils sehr eigenwilligen filmischen Einflüsse und schließlich seinen Weg auf den Regiestuhl. Im flapsigen Ton des gebürtigen Hessen wird sogleich auch sein Humorverständnis deutlich, das weniger klamaukig, sondern eher absurd angelegt ist, wodurch es für Missverständnisse gewissermaßen prädestiniert ist. Details wie die Gage für Eddie Constantine werden ebenso behandelt wie persönliche Sozialisierung und Vorlieben. Was eben diesmal ein wenig fehlt, ist der redaktionelle Eigenanteil, beziehungsweise erstreckt sich dieser auf zwei kurze Absätze am Ende, die keine Rückschlüsse auf den Hauptfilm zulassen. Auf den letzten Seiten sind noch ein paar Produktionsfotos zu sehen sowie eine Tracklist der beigelegten CD.
Zur Einstimmung: Alarm im Wohnzimmer
Bevor es was auf die Ohren gibt, sollte man dann aber doch die Haupt-Disc einlegen, und was die Einleitung betrifft, haben sich die kreativen Chaoten von Wicked Vision diesmal wirklich selbst übertroffen. Eigentlich müssten vor Menüeinsprung lediglich die Copyrights aufgeführt werden, aber diesmal wird mit dem ausgeborgten Alarmton aus dem Film wirklich unfassbarer Spökes getrieben, der absolut perfekt auf den Hauptfilm einstimmt. Das Menü selbst ist nicht animiert, legt aber gleich mit dem New-Wave-Soundtrack los wie die Feuerwehr.
Das Bild
Nun gilt’s eilig „Play“ zu drücken. Der Film startet mit einem auf Retro getrimmten Wicked-Vision-Claim, schließlich folgt die rote Texttafel der Einführung, die damalige Kinobesucher das Fürchten lehren sollte, und dann öffnet sich das Bild für einen anerkennenden Oho-Effekt ob der neu angefertigten Restauration vom originalen 35MM-Negativ. Anders als noch bei den DVDs, die ein auf Röhrenfernseher normiertes Vollbild boten, ist die Blu-ray auf 1,66:1 skaliert. Das Bild strotzt vor satten Farben und gibt Frankfurt sogar in seinen abgerockten Vierteln reichlich Gelegenheit zu glänzen. Plastisch wirkt es bis in die hinteren Bildebenen hinein, wovon die Hintergrundgags enorm profitieren. Die Optik verströmt dabei ein wunderbares Zeitkolorit und setzt sich dadurch wohltuend von aktuelleren deutschen Produktionen ab. Man kann da nur den Hut ziehen, das hat sich wahrlich gelohnt.
Der Ton
Wenn man den Film zum ersten Mal sieht, kommt man beim Ton sehr schnell auf den Trichter, dass man es hier mit einer deutschen Synchronisation zu tun hat, obwohl es sich um einen deutschen Film handelt. Die Stimmen sind gegenüber der Kulisse sehr dominant, wie es für eine Nachvertonung üblich ist, die Dialoge passen nicht immer ganz zur Lippenbewegung, und überhaupt, Arne Elsholtz‘ Stimme ist zu prägnant, als dass man sie nicht erkennen würde. Die DTS-HD-Spur verteilt das Mono-Signal über zwei Kanäle, so wie es auf den Scheiben von Wicked Vision üblich ist. Akustisch werden dadurch wenige echte Highlights geboten, die Stimmen kommen aber gut verständlich über die Frontkanäle und bieten auch genug Dynamik auf, dass hier und da mal ein dezenter Gag im Hintergrund platziert werden kann. Sowieso gehört die Tonspur dank ihrer Dialoge gerade inhaltlich zu den Highlights des Films und harmoniert prächtig mit dem frisch restaurierten Bild.
Der Audio-(Video)-Kommentar
Dass „Das Mikado Projekt“ einen gewissen Wiedersehwert hat, wurde ja bereits im Kritikteil angemerkt, und wer das Vorhaben in die Tat umsetzen will, kann sich ja am mitgelieferten Audiokommentar versuchen. Der wird in Form eines Dialogs zwischen Dr. Gerd Naumann und Regisseur Torsten Emrich geliefert, die sich beide vor den Mikros zusammengefunden haben, um die Hintergründe zur Produktion zu erörtern. Dabei geht es wenig überraschend um ähnliche Themen wie im Interview aus dem Booklet: Emrichs Einflüsse, die Drehumstände und -Orte, die Reaktion auf die überwiegend schlechten Kritiken oder die Zusammenarbeit mit den Darstellern. Naumann versucht sich gelegentlich an den Aufgaben eines Filmwissenschaftlers, indem er das Gezeigte zu kontextualisieren versucht, aber ein Regisseur ist eben kein Christopher Klaese oder Rolf Giesen, mit denen man auf Augenhöhe Kritiker-Tennis spielen kann, also beschränkt er sich in weiten Teilen auf die Moderation, was ihm durchaus gut gelingt; auch wenn Emrich ihn durch seine altmodisch-flapsige Art manches Mal spürbar in die Bredouille bringt, wenn der beispielsweise einen Running Gag daraus macht, für wie viele seiner Darstellerinnen er am liebsten eine Nacktszene ins Skript geschrieben hätte. Der Audiokommentar kann übrigens auf Wunsch auch als Videokommentar abgespielt werden; eine eher selten gesehene Form des Bonusmaterials. Nicht ganz deutlich geworden ist, ob der Videokommentar als Vollbild-Feature gedacht war oder als Bild-im-Bild-Lösung. Letzteres würde wahrscheinlich mehr Sinn ergeben, zumindest auf der getesteten Hardware wurden Naumann und Emrich jedoch auf voller Bildfläche angezeigt, während der Film nur während des Vor- und Zurückspulens sichtbar wurde.
Die Extras
Auch an weiteren Extras mangelt es auf der Scheibe nicht. Als da wäre zum Beispiel „Geheimakte Stoffel“, ein mehr als halbstündiges Interview mit Doris-Darstellerin Sabine Stoffel, die zuvor und danach nie wieder einen anderen Film gedreht hat. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie nicht einiges in ihrem Leben erlebt hat. Aufgewachsen mit der Vorstellung, man müsse etwas Besonderes repräsentieren, um erfolgreich zu sein, zog es sie von der Ausbildung zu Jobs als Telefonistin bis in eine Model-Karriere hinein, mit Erfahrungen in Weltstädten wie Wien und Paris. Der Kern des Interviews liegt im Grunde darin, dass sich ein faszinierendes Bild des 80er-Lebensstils zusammensetzt, während sie von ihren Erfahrungen spricht. Folgerichtig wird der Schlusspunkt in einem Vergleich der damaligen und der heutigen Zeit gesetzt, mit der Erkenntnis, dass die Welt nach wie vor mit neuen Seiten überraschen kann.
In einem Radio-Interview anlässlich der Hessen-3-Ausstrahlung von „Das Mikado Projekt“ (8 Min.) umreißt Torsten Emrich die Handlung, den kreativen Stil, die Arbeitsmethoden und die Finanzierung des Films, bevor als werbewirksamer Höhepunkt ein Song zum Film abgespielt wird. Wie einen Trailer oder andere Promo-Instrumente kann man dieses Interview also als filmhistorisches Dokument betrachten.
Weiter geht’s mit der 20-minütigen Featurette „Das Kino hat uns gerettet“. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschnitt aus der gleichnamigen 2015er-Doku von Enrico Corsano, in der außer Emrich noch sechs weitere Filmschaffende von ihrer prägenden Beziehung zum Kino erzählen. Dementsprechend liegt der Fokus eben auf dem Erleben von Film als Gemeinschaftserfahrung, untermalt mit spannenden Eindrücken aus VHS-Quellen von Privatarchiven.
Die nun folgende „Kino-Premiere“ (18 Min.) liefert hier einen perfekten Übergang, handelt es sich hier doch um eine ebensolche Videokamera-Aufnahme, mit der die Atmosphäre der Premiere von „Das Mikado Projekt“ in einem Frankfurter Kino eingefangen wurde. Es ist beachtlich, wie pompös hier alles inszeniert ist, mit vorfahrenden Limousinen, wartenden Gästen vor dem Eingang und einem prall gefüllten Saal. Der junge Emrich moderiert auf der Bühne, als gäbe es hier einen Mini-Oscar zu vergeben, derweil Werner Röglin allen Anwesenden mit seinem roten Glitzeroutfit die Show stiehlt. Und natürlich darf auch hier der musikalische Act nicht fehlen.
Von besonderem historischen Wert sind nicht zuletzt drei TV-Berichte aus dem Programm von Hessen 3, ZDF Heute Journal und Sat.1 (je 4 bis 7 Min.), die den Zuschauer mit ihrer Anmoderation und ihrer Berichterstattung automatisch zurück ins 20. Jahrhundert katapultieren. Der ironische Unterton der Reportagen sorgt für einen enormen Unterhaltungswert, aber auch darüber hinaus sagen derartige Formate weit mehr über ihre Entstehungszeit als über den Betrachtungsgegenstand.
Fehlen darf selbstverständlich auch das „Geheimagenten“-Musikvideo nicht. Man muss einfach selbst gesehen haben, wie Emrich mit Schlafzimmerblick und Schmollmund in die Kamera schmachtet und seine bekloppten Zeilen liefert, übertroffen nur noch durch die noch bekloppteren Backing Vocals, die im wahrsten Sinne das Kasperletheater beschwören. Das Musikvideo „Giovanni T. – Balla Mozzarella“ setzt da sogar noch einen drauf. In klassischer Völkerklischee-Manier, wie sie in den 80ern und frühen 90ern noch weit verbreitet war, ballert Emrich als zwielichtiger Italiener verkleidet allerhand eingebürgerte Begriffe der italienischen Küche in den Äther. Der Refrain wird von der Mozzarellakugel dominiert, nur damit ein männlicher Chorus in derbstem Kneipendeutsch „En guude Käs“ skandieren kann. Sehenswert auch die Pizzaschneidebewegungen, die von mehreren Damen auf der Stange äußerst stilsicher umgesetzt werden.

Das Musikvideo zu „Balla Mozzarella“ ist in der Tat Balla-Balla.
Ein „Titelmusikvorschlag“ in Form einer alternativen musikalischen Filmeinführung ist auch noch an Bord; hierbei handelt es sich um eine knapp 5-minütige Instrumentalspur, die über einem Standbild läuft. Der Originaltrailer ist ja sowieso obligatorisch, hier wird er in der unbearbeiteten Fassung sowie im 2025er-Recut mit dem restaurierten HD-Material geboten.
Wer wissen will, was Emrich sonst noch so getrieben hat, sollte sich auch die Trailer zu „Ebene 7“ nicht entgehen lassen, einer offenbar nie realisierten Serie, sowie zum 2015 entstandenen Kurzfilm „Brandy Scotchland“, den man wohl als Persiflage auf den Film Noir begreifen kann.
Am Ende der Fahnenstange warten dann noch acht kurze Social Media Clips, die kurz vor dem Release, nun ja, vielleicht nicht viral gegangen sind, aber doch zugänglich gemacht wurden. Und wer ein bisschen sucht, findet vielleicht auch noch ein kleines Easter Egg auf der Scheibe.
Der Soundtrack
Als wäre man nach dem Film mit Kommentar und Extras nicht schon völlig balla-balla, kann man sich anschließend mit dem Soundtrack den Rest geben. Die Tonqualität ist entsprechend der Quelle etwas dünn, zudem ist bei einigen Stücken am Anfang ein gewisses Hintergrundrauschen zu vernehmen. Isoliert von der Bildquelle wird auch noch einmal deutlich, wie viel Einfluss die durchaus abwechslungs- und einfallsreichen, auf Langrille aber dann doch nervtötenden Stücke auf die Wirkung des Films haben. Die insgesamt rund 45 Minuten lange CD enthält aber nicht nur den kompletten Soundtrack aus dem Film, sondern auch „Geheimagenten“ und „Balla Mozzarella“ in ihren jeweiligen Original- und Alternativversionen. Wenn man damit erstmal durch ist, bleibt vom Hirn nicht mehr übrig als eine rosa Pfütze, in der bestenfalls noch ein weicher Mozzarella schwimmt.
Kurzum: Mit der Limited Collector’s Edition von „Das Mikado Projekt“ bekommt man eine bis zum Rand mit Blödsinn vollgestopfte Gelegenheit, einfach mal einen Abend lang den Wind durch die Ohren rauschen zu lassen. Da stört es dann vielleicht auch nicht so, dass die Kuration der Edition sich weitestgehend auf ein Interview im Booklet und eine Moderation im Audio/Videokommentar beschränkt. Das macht die intensive, durchaus begeistert wirkende Beteiligung des Regisseurs und Hauptdarstellers aber mehr als wett. Nicht umsonst reiste er auch zur Kinowiederaufführung in Gelsenkirchen an, um diese Edition und nicht zuletzt sein von hinten aufgezäumtes Meisterwerk noch einmal zu zelebrieren, als wären wir wieder in den 80ern.
Sascha Ganser (Vince)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Wicked Vision__Freigabe: Keine Jugendfreigabe/ab 12__Geschnitten: Nein__UHD/Blu Ray/DVD: Nein/Ja (Wicked Vision)/Ja (Cineplus / Marketing / Screen Power) |