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The Accountant

Ben Affleck gibt die Titelfigur von „The Accountant“ und ist Autist, Buchhalter und Actionheld in einer Person. In Gavin O’Connors eigenwilligem Mix aus Finanzthriller, Actionfilm und Autismusdrama soll das Zahlengenie von Protagonist die Bilanzen einer Robotik-Firma überprüfen und stößt dabei auf gefährliche Unstimmigkeiten. Bald haben er und Konzernbuchhalterin Anna Kendrick Killer am Hals, doch der autistische Actionheld weiß sich zu wehren.

Originaltitel: The Accountant__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2016__Regie: Gavin O’Connor__Darsteller: Ben Affleck, Anna Kendrick, J.K. Simmons, Jon Bernthal, Jeffrey Tambor, Cynthia Addai-Robinson, John Lithgow, Jean Smart, Andy Umberger, Alison Wright, Jason Davis, Robert C. Treveiler, Mary Kraft, Seth Lee, Jake Presley, Ron Yuan u.a.
The Accountant

In „The Accountant“ von Gavin O’Connor ist Ben Affleck Autist, Buchhalter und Actionheld in einer Person

Egal ob der Copthriller „Das Gesetz der Ehre“, das MMA-Drama „Warrior“ oder der Western „Jane Got a Gun“ – Gavin O’Connor ist ein Regisseur für straight durchgezogene Genrestoffe, was sich auch in „The Accountant“ niederschlägt, einem Genre-Mix, der eigentlich starken Pulp-Appeal hat.

Denn die Hauptfigur ist definitiv ein Unikum. Es handelt es sich um einen autistischen Buchhalter (Ben Affleck), der ein Zahlengenie ist und unter Namen lebt, die berühmten Personen mit ähnlichem Persönlichkeitsprofil nachempfunden sind. Aktuell heißt er Christian Wolff und hilft auch mal einem netten Farmerehepaar in finanzieller Schieflage bei der Steuererklärung. Seine hauptsächlichen Klienten sind allerdings ein anderes Kaliber, nämlich Kartelle, Syndikate und Gangster, die buchhalterische Hilfe von außen benötigen. Bezahlung gibt es nicht nur in Form von Cash, sondern auch in Form von Comic-Erstausgaben und millionenschweren Kunstwerken, die der Buchhalter in einem riesigen Wohnwagen aufbewahrt, den er aktuell in einer Lagerbox geparkt hat. Ray King (J.K. Simmons), Chef der Finanzaufsicht und kurz vorm Ruhestand, ist sich der Aktivitäten des Buchhalters bewusst und setzt die Agentin Marybeth Medina (Cynthia Addai-Robinson) auf ihn an.

Als wäre das alles noch nicht schon illuster genug, vermittelt der Film über Rückblenden und Gegenwartsszenen noch mehr Facetten seiner Titelfigur. Nachdem der Autismus in Kindertagen bei dem Soldatensohn festgestellt wurde, entschied sich dessen Daddy für eine Radikaltherapie, um ihn an das Zivilleben zu gewöhnen, ließ ihn im Schießen und Kämpfen unterrichten, damit er lernte auch schwere Reize auszuhalten. Also ist Buchhalter Wolff in der Gegenwart nicht nur ein Bilanz-Zauberer, sondern auch ein veritabler Scharfschütze und Nahkampfexperte.

Ein vermeintlich seriöser Job für eine Robotik-Firma entpuppt sich dann ausgerechnet als Gefahrenherd: Als Chris Unstimmigkeiten in den Büchern bestätigt, die im Ansatz bereits der jungen Konzernbuchhalterin Dana Cummings (Anna Kendrick) aufgefallen sind, haben die beiden bald eine Horde Killer am Hals, die jedoch nicht mit der Wehrhaftigkeit von Christian gerechnet haben…

Schaut euch den Trailer zu „The Accountant“ an

Die Prämisse von „The Accountant“ ist totaler Pulp, bisweilen sogar grober Unfug, doch O’Connor inszeniert das Ganze quasi ironiefrei. Es gibt einige humoristische Momente, etwa wenn Christians nüchtern-emotionslose Art auf harte Weise einen Strich durch alltägliche menschliche Interaktionen macht oder er und Dana durch Gespräche über buchhalterische Details eine Verbindung formen, aber kein offensichtliches Augenzwinkern. Die Inszenierung ist betont gritty und realistisch, ohne die comichafte Überzeichnung eines „John Wick“, an den „The Accountant“ bisweilen immer wieder erinnert. Das bedeutet allerdings auch, dass das Worldbuilding weniger gut funktioniert, denn die Exotik der Hauptfigur beißt sich immer etwas mit dem Rest, mit der nüchternen Machart, mit den Graue-Maus-Konzernschurken und deren weitestgehend gesichtslosen Schergen. Einzige Ausnahme ist der großmäulige Hitman Braxton (Jon Bernthal), der auch immer ein bisschen drüber erscheint.

Auch die Action ist im Vergleich dazu kleiner skaliert: Der Buchhalter ist zwar blendend ausgebildet und kann sich gegen eine Überzahl an Gegner glänzend behaupten, schickt im Gegensatz zu einem John Wick aber keine Heerscharen über den Jordan. Die Action ist dosiert eingesetzt: Ein erster Überfall auf einer Farm, eine Rettungsaktion in Danas Wohnung, schließlich das etwas ausladendere Finale. Zusammen mit Stunt Coordinator und Second-Unit-Regisseur Sam Hargrave (der vier Jahre später mit „Tyler Rake: Extraction“ sein Regiedebüt im Actiongenre gab) sorgt O’Connor für schick choreographierte und übersichtlich inszenierte Fights und Shoot-Outs, in denen der Protagonist ähnlich effektiv und ökonomisch wie bei der Buchhaltung vorgeht: Gegner werden schnell via Kopfschuss kalt gestellt, auch sonst versucht Christian mit wenig Aufwand das maximale Ergebnis zu erzielen, wie ein Elitesoldat, was zum realistischen Inszenierungsstil des Films passt.

So betont der von Bill Dubuque („Das Glück des Augenblicks“) geschriebene Actionthriller eher den Thrillerpart, ohne allerdings allzu komplex zu werden, gerade in Sachen Mainplot. Mit Firmengründer Lamar Blackburn (John Lithgow), dessen Schwester Rita (Jean Smart) und CFO Ed Chilton (Andy Umberger) bekommt man gerade einmal drei mögliche Drahtzieher aus der Konzern-Chefetage präsentiert, wovon eine Person bald noch als Bauernopfer dran glauben muss, sodass die Verantwortlichensuche mäßig komplex ausfällt. Auch für das Motiv der Täter müssen Christian und Dana nicht allzu aufwändig ermitteln, sondern kommen während eines Gesprächs in einem Hotelzimmer drauf. Gegen Ende wird Kollege Zufall bei zwei, drei Plottwists arg bemüht und der Handlungsstrang um Ray King so aufgelöst, dass die Logik ordentlich im Gebälk knarzt. *SPOILER* Dass King gar nicht hinter dem Buchhalter her ist, um ihn für Verbrechen oder Akte der Selbstjustiz hops zu nehmen, wirkt schon antiklimaktisch. Wenn man dann allerdings erfährt, dass der Buchhalter die Finanzbehörde mit Tipps versorgt, dann tun sich schon einige Lücken im Plot auf. Warum verrät er die Verbrecher einerseits, wenn er ihnen durch seine Arbeit andrerseits immer wieder hilft, etwa indem er diebische Elstern in den eigenen Reihen ausfindig macht? In der Unterwelt kriegt in all den Jahren keiner spitz, dass diejenigen, die seine Dienste in Anspruch nehmen, regelmäßig verknackt werden? Über mangelnde Aufträge kann er sich schließlich nicht beklagen. *SPOILER ENDE*

So klingt „The Accountant“ nach einem Film, der an vielen Punkten eigentlich nicht funktionieren sollte – aber irgendwie tut er es doch. Auf der handwerklichen Ebene erzeugt O’Connor dann mehr Spannung als man dem Buch zutrauen würde und das, obwohl die Laufzeit von etwas mehr als zwei Stunden vielleicht etwas zu lang für den übersichtlichen Plot erscheint. Doch wenn Christian, Dana und ihr Umfeld ins Visier der Schurken geraten, dann zieht der Film die Spannungsschraube mit Bedrohungssituationen und Fluchtszenarien wirkungsvoll an. Aber es ist auch der Reiz all dieser verschiedenen Parts und Genre-Einflüsse, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, es letztendlich aber doch tun. Das liegt auch daran, dass O’Connor seinen Film so ernst nimmt, dass die Hauptfigur trotz des Pulp-Stoffes immer noch genug Fallhöhe bekommt, dass „The Accountant“ versucht die Gedankenwelt und den Werdegang der Protagonisten glaubhaft zu vermitteln, so sozial ungeschickt sich der titelgebende Buchhalter oft auch verhalten mag.

Dass die Figur funktioniert, liegt auch an dem sonst oft geschmähten Ben Affleck („Hypnotic“). Als stoischer, ritualfixierter Autist kann er jedoch auf voller Linie überzeugen und dessen ganz eigene Verhaltensweisen glaubwürdig vermitteln. Anna Kendrick („End of Watch“) lässt ihren Charme mal wieder so sehr spielen, dass man sofort versteht, warum der sonst so zurückgezogene Buchhalter für sie sein Leben riskiert. Mit J.K. Simmons („Red One“), John Lithgow („Daddy’s Home 2“), Jean Smart („Babylon“) und Jeffrey Tambor („Hangover 3“) gibt es Edelsupport, der zwar nur wenige Szenen hat, aber in diesen stets Akzente zu setzen weiß. Ein kleines Highlight mit ebenfalls überschaubarer Screentime ist Jon Bernthal („They Want Me Dead“) als genervter Heavy mit großer Klappe, aber auch Cynthia Addai-Robinson („Star Trek: Into Darkness“) als Jungagentin schlägt sich durchaus wacker. Einen Gastauftritt als Silat-Meister in einer Rückblende hat Nebendarsteller und Stuntprofi Ron Yuan („Mulan“).

„The Accountant“ ist bisweilen schon ziemlicher Humbug, der Main Plot eher unterkomplex, aber trotzdem funktioniert dieser eigenwillige Mix aus „Rain Man“, „John Wick“, den Bourne-Filmen und einem Finanzthriller auf seine ganz eigene Weise – vielleicht gerade, weil Gavin O’Connor diese totale Pulp-Prämisse komplett ernst nimmt und ohne Augenzwinkern inszeniert. Denn gerade durch die Verbindung von Genres und Versatzstücken, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, ist „The Accountant“ ein eigenwilliger Film abseits ausgetretener Pfade – auch wenn man die eine oder andere Kröte im Drehbuch dafür schlucken muss.

Knappe:

Warner hat „The Accountant“ in Deutschland auf Blu-Ray und DVD veröffentlicht, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben. Die DVD hat als Bonusmaterial eine Featurette an Bord, die Blu-Ray drei Featurettes.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Warner__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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