Im erneut von Gavin O’Connor inszenierten Sequel „The Accountant 2“ tritt Ben Affleck wieder als autistischer Buchhalter und Actionheld in Erscheinung. Als Menschenhändler jemanden aus seinem Umfeld ermorden, geht er der Sache auf den Grund und holt sich Unterstützung in Form seines Bruders Jon Bernthal.
Originaltitel: The Accountant 2__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2025__Regie: Gavin O’Connor__Darsteller: Ben Affleck, Jon Bernthal, Cynthia Addai-Robinson, J.K. Simmons, Allison Robertson, Daniella Pineda, Robert Morgan, Grant Harvey, Andrew Howard, Yael Ocasio u.a. |
Nachdem der Mid-Budget-Actionthriller „The Accountant“ fast das Vierfache seiner Kosten an der Kinokasse einspielte, wurde schnell über ein Sequel geredet, doch „The Accountant 2“ kam erst knappe neun Jahre nach dem Erstling in die Kinos.
Intradiegetisch ist die gleiche Zeit ins Land gegangen. Ray King (J.K. Simmons) ist nicht mehr Chef der Finanzaufsicht, stattdessen hat sein Protegé Marybeth Medina (Cynthia Addai-Robinson) übernommen. King ist seitdem Privatdetektiv und trifft sich in einem Bingolokal mit der der Killerin Anaïs (Daniella Pineda), für die er allerdings keinen Tötungs-, sondern einen Suchauftrag hat. Allerdings sind beide einer Hitman-Truppe ein Dorn im Auge, die das Lokal stürmen, größtenteils niedergestreckt werden, aber Ray fatal verwunden können, der sich noch mit letzter Kraft eine Botschaft auf den Arm schreibt: „Finde den Accountant.“ Damit ist die knappe Screentime von J.K. Simmons („Red One“) vorbei, aber man merkt dem Film an, dass er möglichst eng an den Vorgänger anschließen möchte, weshalb nicht nur Regisseur Gavin O’Connor („Warrior“) und Drehbuchautor Bill Dubuque („Das Glück des Augenblicks“) wieder dabei sind, sondern auch große Teile des Casts.
Hauptfigur ist weiterhin der autistische Buchhalter, Scharfschütze und Nahkampfexperte, den man nur als Christian Wolff (Ben Affleck) kennt. Der geht seiner bisherigen Arbeit trotz der Vorfälle in Teil eins in gewohnter Manier nach, lässt sich weiterhin gern in Kunstgegenständen bezahlen und kann sich auf die Hilfe seiner stummen, neurodivergenten Partnerin Justine (Allison Robertson) verlassen, die weiterhin in jenem Heim für besonders begabte Autisten lebt, das man am Ende des Vorgängers gesehen hatte, und von dort aus als Tech-Support dient. In jenem Heim ruft Medina an, um Christian zu rekrutieren – man merkt schon, dass O’Connor und Dubuque wohl eine Reihe im Stil des Vorbilds „John Wick“ vorschwebt, denn hüben wie drüben steigt man mit jedem Teil immer mehr in die erschaffene Welt mit ihren eigenen Regeln und eigenen Gegebenheiten ein.
Tatsächlich ist Christian direkt zur Stelle, um nach den Verantwortlichen für Kings Tod zu suchen. Schnell findet er die erste Spur, könnte aber noch einen Mann fürs Grobe gebrauchen, weshalb er seinen Bruder, den Hitman Braxton (Jon Bernthal), nur Brax genannt, hinzuzieht…
Schaut euch den Trailer zu „The Accountant 2“ an
„The Accountant 2“ bleibt seinem Vorgänger in vielerlei Hinsicht treu – auch was die Stärken und Schwächen angeht. Insofern inszeniert O’Connor das Ganze erneut mit ein paar humoristischen Einlagen, aber ohne offensichtliches Augenzwinkern, sondern eher realistisch und gritty, egal was da gerade auf Handlungsebene passiert. Dabei schrauben er und Dubuque das Quatsch-O-Meter bisweilen in neue Höhen, denn die illustre Welt des wehrhaften Buchhalters wird noch absurder. So hat Justine eine Horde autistischer Kinder an ihrer Seite, die sich problemlos in jede Behörde und jedes Sicherheitssystem der Welt einhacken können und dabei noch eine Art Wettbewerb untereinander daraus machen. Man mag sich an die Akademie fürs besonders begabte (Mutanten-)Kinder aus den „X-Men“-Filmen erinnert fühlen, zumal auch „The Accountant 2“ dem Schema treu bleibt Autismus und artverwandte Phänomene weniger als Krankheit oder Behinderung, sondern als Andersbegabung oder gar Superkraft zu sehen. Hier spielt unter anderem auch Persönlichkeitsveränderung nach einem Schädeltrauma eine Rolle.
Die Tatsache, dass der Buchhalter nun auch noch Justine und deren spezialbegabte Youngster in der Hinterhand hat, lässt die Spannungskurve nicht gerade ansteigen. Vor vielen Hindernissen stehen Christian und Brax mit ihren Ressourcen also nicht, sodass die Ermittlungen unterkomplex ausfallen, zumal eh nach kurzer Zeit klar ist, dass es um Menschenhandel und Sexsklaverei geht. Warum die Protagonisten nicht sofort darauf kommen, was die Aussage einer Zwangsprostituierten zu bedeuten, dass sie eher Auskunft geben kann, weil sie keine Kinder hat, ist angesichts ihrer sonstigen Auffassungsgabe kaum nachzuvollziehen. Die Schurken sind vor allem durch ihr Metier und ihre Kaltblütigkeit als böse gezeichnet, sonderlich starke Figuren sind sie nicht. Immerhin: Ein paar Plottwists zu der Familie, nach der Anaïs suchen soll, haben Überraschungspotential und O’Connor inszeniert den Film dann auch so temporeich, dass die gut 130 Minuten Laufzeit auch nicht allzu sehr auffallen. Ob jetzt jeder Exkurs – etwa der Versuch des Protagonisten beim Speeddating eine Freundin zu finden – hätte sein müssen, darüber kann man sich freilich streiten.
Andrerseits ist es dann auch das Figurenkarussell, dass „The Accountant 2“ am Laufen hält, vor allem die Buddy-Komik zwischen Christian und Brax. Auf der einen Seite der Autist, der sich mit zwischenmenschlichem Verhalten schwertut, auf der anderen Seite der aufbrausende, großmäulige Heavy, der gleichzeitig wie ein kleines Kind nach Bestätigung und Aufmerksamkeit giert. Egal ob die beiden gemeinsam auf dem Dach von Christians Wohnwagen ein Bierchen zischen oder gemeinsam in eine Bar gehen (Kneipenschlägerei inklusive), dann ist gute Laune angesagt. Dass der Film Brax als Sympathieträger verkauft, obwohl der weiterhin für Leute Geld umbringt und auch noch stolz auf seine Arbeit ist, fällt dann auch erst beim genaueren Nachdenken auf. Christian wird als Figur kaum weiterentwickelt, hat aber seine Momente, etwa wenn er das Speeddating zu Beginn zwar mit Anekdoten zur Steuererklärung in den Sand setzt, beim Kneipengang mit seinem Bruder dafür unerwartet gut ankommt und im mathematisch anmutenden Formationstanz sogar punkten kann. Ganz amüsant ist auch der Kontrast zwischen Marybeth, die an Vorschriften gebunden ist, und dem Bruderduo, das seine eigenen Regeln macht und Verdächtige kurzerhand in den Kofferraum stopft oder ihnen einfach mal die Schulter ausrenkt.
Die Action ist ähnlich wie im Erstling eher dosiert eingesetzt. Eine Schlägerei in einer Pizzafabrik hier, ein Zweikampf zweier Frauen in einem Haus da. Erst im Finale räumen Christian und Brax dann größer in Mexiko ab, wobei O’Connor weiterhin seinem eher realistischen Ansatz treu bleibt. Die Waffenhandhabung erinnert an Spezialeinheiten, die beiden gehen taktisch vor und versuchen ihre Kontrahenten möglichst schnell auszuschalten. Doch wenn die beiden durch das Schurkenquartier hechten, einander Deckung geben, Magazine tauschen und die Übelwichte über den Jordan schicken, dann geschieht das mit ansprechender Inszenierung durch O’Connor und sehenswerter Choreographie durch Fight Choreographer David Conk („Rumble Through the Dark“) – da verzeiht man dann auch, dass der Oberschurke und dessen rechte Hand, sein eigener Sohn, kaum gefährlicher sind als ihre restlichen Henchmen und relativ schnell die Segel streichen.
Robert Morgan („Babylon“) kann als Gangsterboss, der zur Tarnung Fische im eigenen Betrieb zerhackt, immer noch seine Charakterfresse ins Spiel bringen, Grant Harvey („Emancipation“) als sein Chefvollstrecker ist dagegen eine ziemliche Luftpumpe. Daniella Pineda („Plane“) agiert relativ emotionsarm, was aber irgendwie zu ihrer Rolle als Killerin passt. Cynthia Addai-Robinson („Star Trek: Into Darkness“) ist guter Support, auch wenn sie im letzten Drittel des Films weitestgehend Sendepause hat, stark ist auch Allison Robertson („Despise Not, My Youth“) als neu besetzte Justine. Doch der Film gehört in erster Linie Ben Affleck („Hypnotic“) und Jon Bernthal („They Want Me Dead“). Affleck als in seiner eigenen Welt lebender, aber empathischer und wehrhafter Autist, der sich an normalem Verhalten versucht, ist schon eine Schau, Jon Bernthal als Rüpel mit mangelnder Impulskontrolle und Aufmerksamkeitsbedürfnis eine noch größere. So gehört die Chemie der beiden zu den großen Pluspunkten des Films.
Das starke Hauptdarstellerduo und die souveräne Inszenierung können dann auch manche Schwäche des Films übertünchen. „The Accountant 2“ ist bisweilen nämlich grober Unfug, was noch dadurch verstärkt wird, dass es sich nicht an dem comichaften Worldbuilding von Kollege John Wick versucht, sondern eher realistisch wie Kollege Jason Bourne in dieser Hinsicht daherkommt. Der Mainplot ist eher simpel, die Actionmenge eher klein, in den Spektakelszenen aber durchaus wuchtig. Doch das, was im Gedächtnis bleibt, sind die Interaktionen des Duos Affleck/Bernthal.
Warner bringt „The Accountant 2“ am 23. April 2025 in die deutschen Kinos, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Warner__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 23.4.2025 in den deutschen Kinos |