| Originaltitel: Geung See Yee Saang__Herstellungsland: Hongkong__Erscheinungsjahr: 1990__Regie: Jamie Luk Kim-Ming__Darsteller: Bowie Lam, Ellen Chan, Sheila Chan, Crystal Kwok, David Wu Dai-Wai, Lawrence Lau Sek-Yin, James Wong, Ni Kuang, Peter Kjaer, Lorraine Kibble, Helena Law Lan, Yu Mo-Lin, Shing Fui-On u.a. |


Das Cover der britischen Eureka!-Blu-ray von „Doctor Vampire“.
Ein chinesischer Arzt in einem britischen Vampirbordell
Wenn der Hauptdarsteller zur Begrüßung aus einem weißen VW Golf steigt und an die Tür eines englischen Schlosses klopft, hinter dessen Mauern sich ein Vampirbordell befindet, dann ahnt man schon: Das wird keine reinrassige Hongkong-Blutsauger-Klamotte… nun, zumindest sieht es erst einmal nicht nach einem Heimspiel aus.
Bevölkert werden Vampirfilme aus Hongkong nämlich üblicherweise nicht von den Abgesandten europäischer Folklore, sondern den sogenannten Jiang Shi, die als beißende Wiedergänger etwa in Sammo Hungs „Encounters of the Spooky Kind“ (1980) oder in der „Mr. Vampire“-Reihe (1985 – 1990) einen scharfen Kontrast bildeten zum global überlieferten Bild des klassischen Vampirs. Gehüllt in traditionelle Gewänder, treten sie gemeinhin an, um Leichtathletik-Rekorde zu brechen, indem sie mit Hüpfeinlagen und sonstigen Verrenkungen gegen ihre Leichenstarre ankämpfen. Für hiesige Sehgewohnheiten bieten die Jiang Shi eine exotische und zutiefst kuriose Gesamterscheinung, anhand derer nicht nur eine eigene Unterkategorie des Martial-Arts-Films festgemacht werden kann, sondern auch ein enges Band zwischen Horror und Komödie geknüpft wird.
Was allerdings in der Einleitung von „Doctor Vampire“ aufgefahren wird, mutet in den ersten Minuten eher wie eine Blaupause für die westlichen Horrorkomödien „Bordello of Blood“ und „From Dusk Till Dawn“ (beide 1996) an. An der Bar werden Cokes serviert, leicht bekleidete Furien räkeln sich lasziv über den Boden und zapfen ihre männlichen Opfer an, während im Hintergrund ein Graf auf seinem Thron hockt und darauf wartet, dass seine weiblichen Angestellten ihn mit frisch getanktem Blut versorgen, in der Hoffnung, den verkümmerten Gaumen endlich mal wieder mit einem edlen Tropfen zu verwöhnen.
Es ist letztlich der Graf, der die wahre Natur des Films verrät. Peter Kjær, der zuvor lediglich in drei Ninja-Streifen zu sehen war, schaut nämlich auf Anhieb aus wie einer dieser übermächtig wirkenden Hünen aus dem Westen, die seit Bruce Lees „Game of Death“ (1978) immer wieder gerne in Hongkong-Produktionen eingesetzt wurden, um die Fights anhand der körperlichen Unterschiede zum Protagonisten noch brachialer wirken zu lassen. Gutes Schauspiel lieferten diese Kolosse nie, die körperliche Präsenz konnte ihnen aber keiner nehmen, und so beansprucht dann auch Kjær gleich mal einen ganzen Thronsaal, unter normalen Umständen groß genug, einer ganzen Adelsfamilie Platz zu bieten, hier aber reserviert für die dramatischen Posen und entgleisten Gesichtszüge des einsamen Herrschers unter wallender blonder Mähne, so dass die Hauptfiguren, Bowie Lam als Doktor auf Abwegen und Ellen Chan als Vampirluder, bei ihrer ersten Zusammenkunft regelrecht von Kjærs Overacting erdrückt werden.
Ein britischer Vampir in einem chinesischen Krankenhaus
Es ist der Startpunkt für eine fetzige Gruselkomödie, die mit der Rückkehr nach Hongkong im Hauptakt letztlich doch noch als typisch für ihr Produktionsland bezeichnet werden muss… abgesehen davon, dass die heimischen Jiang Shi lediglich in Form einer Parodie auftauchen, so wie die Jiang Shi ihrerseits nie echte Vampire waren, sondern Untote, die immer auch als eine Parodie westlicher Vampire betrachtet werden konnten.
Ein Krankenhaus dient als Hauptschauplatz der Handlung und gerät zum Set der unbegrenzten Möglichkeiten, derweil der Aspekt des rational Erklärbaren effektiv mit taoistischer Magie kollidiert. Was sich mit einer Ladung Untoter und unzähliger medizinischer Geräte nämlich alles anstellen lässt, das würden allerhöchstens die Ärzte des Reichskrankenhauses aus Lars von Triers „Geister“ aus eigener Erfahrung für bare Münze nehmen.
Sex, Blut & Klamauk’n’Roll
Bowie Lam nimmt den Kampf gegen die Blutsauger eigentlich eher mit der Reserviertheit eines Buster Keaton auf, wird aber von seinen Arbeitskollegen (Shek-Yin Lau als Dr. Chin, David Wu als Dr. Chang) komplementiert, die einfach für ihn die Fahne des Blödsinns hochhalten. Mit Ellen Chan als Rebellin sowie der später als Kontrast eingeführten Sheila Chan als traditionelle Hausfrau im Schlepptau entfalten sich auch gewisse RomCom-Aromen, zumal eine Affinität zu Verwechslungssituationen mit sexuell motivierten Gags zu erkennen ist, auch wenn das männliche Trio diese Gags meistens innerhalb der eigenen Gruppe abspult.
Das Gefühl für den guten Geschmack bleibt dabei auch mal auf der Strecke, wenn die Belegschaft des Krankenhauses mit Andeutungen homosexueller Praktiken in der Öffentlichkeit schockiert werden soll oder die „Fluppe danach“ den erfolgreichen Akt zwischen Vampir und Krankenschwester signalisiert, der streng genommen mit Vergewaltigung begonnen hatte. Letztlich handelt es sich hier jeweils um den Versuch, den Vampir als sexualisiertes Wesen, wie es durch zahllose Adaptionen von Bram Stokers „Dracula“ überliefert ist, in Form von Slapstick-Einlagen zu parodieren.
„Doctor Vampire“ beschränkt sich aber nicht völlig auf sexuelle Themen, sondern verarbeitet in der Hysterie so manch anderes Klischee zum Thema und präsentiert sie als visuelle Ausrufezeichen, die so manchem Kultstreifen des Genres geschmeichelt hätten. So werden etwa die Brüste einer Vampirdame auf eine wohl nie zuvor gesehene Art „gepierct“, worauf sie mit der animalischen Unbeirrbarkeit der grinsenden Vampire aus „Fright Night“ reagiert (immer noch besser als ein Pflock im Herzen, wird sie sich wohl gedacht haben). Eine Verfolgungsjagd um einen Seziertisch weckt wohlige Erinnerungen an Polanskis „Tanz der Vampire“ und im Finale putzen sich die Herren Doktoren mit Munitionsgürtel und Riesenspritze samt grün leuchtendem Serum so fein raus, als wären sie drei kleine Herbert Wests, die einen auf „Rambo“ machen.
Grün wird neben dem Weiß des Krankenhauses so zur Sekundärfarbe des Films, der primär natürlich vom Rot bestimmt wird, das in allen möglichen Variationen konsumiert wird: Als Halsgefäß zur Selbstbedienung, als Blutpudding auf dem Dessertteller oder als Sauerei auf dem Linoleum. Die Zirkulation von Blut scheint der Konsens zwischen West und Ost zu sein, der Schnittpunkt in der Mythologie völlig unterschiedlicher Kulturen, die abseits dessen kaum eine gemeinsame Tradition pflegen. Auch in „Doctor Vampire“ fungieren die rot gesprenkelten Sets als Übergangsportale zwischen der Welt der Vampire und jenen der wiedererweckten Toten im Allgemeinen, zu denen auch viele der Kreaturen Asiens zu zählen sind.
Der italienischen Küche würde man das angerichtete Buffet trotz der grün-weiß-roten Farbgestaltung nun nicht unbedingt zuordnen, der Culture Clash im britisch-amerikanisch-chinesischen Sinne ist aber dafür omnipräsent. Abrupte Schnitte, schlitternde Kamerafahrten und schräge Blickwinkel lassen den Trubel stets ein wenig verdreht erscheinen. Für den Abgang sorgt eine gute Portion Luftakrobatik, die in Anlehnung an die damaligen Martial-Arts-Kracher von Donnie Yen, Cynthia Khan & Co. erst recht die Kamera zum Tanzen bringt, um die Akteure in möglichst spektakulären Verrenkungen zu zeigen.
„Doctor Vampire“: Culture Clash der bissigen Sorte
„Doctor Vampire“ hat nicht die Anlagen, einer dieser ultimativen Vertreter einer bestimmten Vampirfilmgattung zu sein, weil er wie ein asiatisches Selbstbedienungsbuffet ein bisschen von allem bietet und nichts davon mit letzter Konsequenz. Seine Besonderheit liegt gerade in der Collage: Gleichwohl der Habitus der einer klassischen Hongkong-Horrorkomödie ist, mit allem zugehörigen Klamauk, gibt es aber doch wenige Vertreter, die den westlichen Einfluss derart gewähren lassen, dass er sich unverhohlen in Form von Capes, Fangzähnen und gelben Kontaktlinsen auf der Leinwand manifestiert. Das ist zumindest in dieser Ausformung doch wieder ein Alleinstellungsmerkmal, das als Exkurs nicht unerwähnt bleiben sollte, wenn mal wieder von der Gattung der „Jiangshi Fiction“ rund um den hüpfenden Vampir die Rede ist.
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Informationen zur Veröffentlichung von „Doctor Vampire“
„Doctor Vampire“ erschien im Februar 2025 über das britische Label Eureka! als limitierte Blu-ray im Cardsleeve und enthielt ein 20-seitiges Booklet mit einem Essay der Filmwissenschaftlerin Katarzyna Anucta. Die Disc enthält den kantonesischen Originalton als unbearbeitete Originalspur und als restaurierte Fassung (englische Untertitel natürlich inklusive), ferner zwei Audiokommentare von Frank Djeng / John Charles sowie Mike Leeder / Arne Venema.
Ferner enthalten ist ein 20-minütiges Interview mit Stacey Abbott, der Autorin von „Celluloid Vampires: Life After Death in the Modern World“, sowie ein 22-minütiger Video-Essay von Gothic-Spezialistin Mary Going.
Seit September 2025 gilt diese Fassung laut Herstellerangaben als ausverkauft und ist höchstens noch bei einzelnen Zweithändlern zu erwerben. Eine Standard-Edition ohne Cardsleeve und Booklet könnte möglicherweise demnächst folgen, ist aber bislang noch nicht angekündigt. Über eine deutsche Auswertung ist bisher nichts bekannt.
Sascha Ganser (Vince)
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