Originaltitel: Gojira · Mosura · Kingu Gidorâ: Daikaijû sôkôgeki / GMK__Herstellungsland: Japan__Erscheinungsjahr: 2001__Regie: Shûsuke Kaneko__Darsteller: Chiharu Niiyama, Ryûdô Uzaki, Masahiro Kobayashi, Shirô Sano, Takashi Nishina, Kaho Minami, Shin’ya Ôwada, Kunio Murai, Hiroyuki Watanabe, Shingo Katsurayama, Toshikazu Fukawa, Masahiko Tsugawa, Hideyo Amamoto, Nobuo Kakuda, Takafumi Matsuo, Kazuko Kato, Katsuo Nakamura u.a. |

Das Cover der Splendid-DVD von „Godzilla, Mothra and King Ghidorah: Giant Monsters All-Out Attack“.
Zurück zu den Anfängen
Japans Verteidigungsministerium, versammelt um einen langen Konferenztisch, in tiefen Sorgenfalten vergraben. Ratlos, ziellos, machtlos. Unsichtbare Fragezeichen schweben in der Luft, rundherum stehen Wasserflaschen, damit der durch Schweißausbrüche verursachte Flüssigkeitsverlust kompensiert werden kann.
Sollte einem diese Stimmung in Vorbereitung auf „Godzilla, Mothra and King Ghidorah: Giant Monsters All-Out Attack“ irgendwie bekannt vorkommen, dann wohl eher weniger aus der letzten Handvoll Einträge der Heisei- und Millennium-Ära, in denen sich durchorganisierte Einheiten längst darauf spezialisiert hatten, die Bedrohung durch gigantische Monster im Zaum zu halten. Vielmehr wird man in eine Zeit katapultiert, in der Godzilla wie ein böser Traum wirkte, der eigentlich besiegt schien, nun aber doch wieder sehr real zu werden drohte. Es ist ein wenig so wie in der einzigen unmittelbaren Fortsetzung des Originalfilms, „Godzilla kehrt zurück“ (1955).
Villains und Helden im Rollentausch
Auch wenn der fürchterlich umständliche Titel mit seiner praktischen Auflistung der drei wohl wichtigsten Monster der Franchise auf den Wiedererkennungswert von 50 Jahren Godzilla setzt, wird sich mancher treuer Zuschauer verwundert die Augen reiben, was hier gerade passiert. Godzilla wieder als Bote des Bösen zu sehen, als eine zombie-artige, unaufhaltsame Todbringermaschine, deren letzter Funken Seele mit den Pupillen in den Augen endgültig verschwunden ist, und im Gegenzug ausgerechnet King Ghidorah als eines der drei Schutztiere irdischer Elemente präsentiert zu bekommen, das ist schon ein merkwürdiges Gefühl. Die so lange gereifte Kontinuität der Saga dreht sich ohne jegliche Vorwarnung auf links, gültiges Wissen über die Verhaltensbiologie japanischer Riesenviecher ist nichts mehr wert. Das bedeutet eine radikale Abkehr von den moralischen Navigationspfeilern des Godzilla-Universums, die zwar nicht zum ersten Mal die Richtung wechseln, aber doch wenigstens zum ersten Mal nach so langer Zeit, zumindest im Rahmen der Toho-Zeitlinie.
Man sieht also: Regisseur Shūsuke Kaneko, der von der Gamera-Reihe aus zum König der Monster wechselte, möchte wohl einiges umkrempeln am Königshof. Nur auf die Unterstützung der Strippenzieher im Hintergrund kann er dabei nicht hoffen. Das an „Godzilla vs. Mechagodzilla“ (1974) gemahnende Konzept der Schutzgötter hatte eigentlich vorgesehen, vergleichsweise unbekannte Kaiju auftreten zu lassen. Lediglich Baragon, eine Mischung aus Fledermaus, Drachen und Nashorn, erstmals zu sehen außerhalb des Kanons in „Frankenstein – Der Schrecken mit dem Affengesicht“ (1965), später auch in einem Gastauftritt in „Frankenstein und die Monster aus dem All“ (1968), schaffte es dann auch wirklich in den fertigen Film, wenn auch nicht in den überfüllten Titel. Der ist nämlich schon belegt von den Zugpferden Mothra und King Ghidorah, die offensichtlich rein der Publikumsbindung wegen zum wiederholten Male mitmischen, obwohl es gerade die lange Historie hitziger Derbys unter alten Feinden ist, die Kaneko für seinen Ansatz eigentlich ausblenden wollte.
Dem Mann auf dem Regiestuhl wird also gewissermaßen von den eigenen Bossen ein Knüppel zwischen die Beine geworfen, er gedenkt jedoch das Beste aus den Stolpersteinen zu bauen. Angesiedelt in der Gegenwart des angebrochenen neuen Jahrtausends, bemüht sich „Godzilla, Mothra and King Ghidorah: Giant Monsters All-Out Attack“ zunächst um eine mediale Perspektive, indem die Journalistin Yuri (Chiharu Niiyama) zur Hauptfigur erklärt wird. Videokameras bestimmen also im weiteren Verlauf den Blickwinkel, und Millennium-typisch übt das Hollywood-Kino einen enormen Einfluss auf die Inszenierung aus. Zerbröckelnde Tunnelwände, ein riesiger Kokon in der Bucht, ein Erdrutsch im Wald… die Omen der sich anbahnenden Katastrophe häufen sich in kurzen, ruckhaften Verschiebungen der Tatsachen und perforieren damit die Kruste der Normalität, damit Godzilla und seine Widersacher sie gewaltsam durchbrechen können.
Ein Godzilla, dem man nicht im Dunkeln begegnen möchte
Passend dazu betritt der Champ betritt die Bühne wie ein überdimensionaler kohlefarbener Kegel, gefilmt aus der Sicht des Staubkorns am Boden. Ein Vorhang aus Meerwasser löst sich in Gischt auf und offenbart eine Froschperspektive auf einen Leib, der im ästhetischen Sinne nicht gerade vorteilhaft, dafür aber umso wuchtiger eingefangen wird. Noch bevor man das Gesicht des Hünen sieht, erkennt man die Anklänge an das Originaldesign unter Ishiro Honda.
Das bis dato massigste Godzilla-Kostüm aller Zeiten wirkt entsprechend schwerfällig und unaufhaltsam. Es ist wieder mehr Hals und weniger Kopf zu sehen als im Vorgänger „Godzilla vs. Megaguirus“ (2000), auch hier sind die Rückbezüge auf Honda deutlich zu spüren. Das löwenartige Gebiß schindet mächtig Eindruck, doch letztlich sind es die ausdruckslosen, toten Augen, die ganz und gar die Ausstrahlung bestimmen. Man könnte fast schon von Anklängen an die Voodoo-Zombiefilme der 40er sprechen, wenn man Godzilla dabei zuschaut, wie er Schneisen der Verwüstung durch die Stadt zieht, ohne Herr seiner eigenen Bewegungen zu sein.
Wenn man den Dialogabschnitten zwischen den Attacken folgen möchte, ergibt das wie fremdgesteuert anmutende Auftreten des Riesenzweibeiners durchaus Sinn, stellt er doch diesmal ein leeres Gefäß dar, das den gefallenen Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg, egal ob Freund oder Feind, als Manifestation dient. Godzilla als Metapher für die von einzelnen Parteien abgelösten Schrecken des Krieges also. Nun, da das neue Jahrtausend angebrochen ist, scheint man sich wieder der dunklen Vergangenheit annähern zu wollen. Im Vergleich mit den ultramodern wirkenden ersten beiden Filmen des neuen Zyklus, in dem Hi-Tech-Komponenten in den Vordergrund gestellt wurden, mutet „Godzilla, Mothra and King Ghidorah: Giant Monsters All-Out Attack“ mit seinen Impressionen von Marineschiffen und Naturlandschaften nebst gläserner Hochhausfronten und State-of-Art-Aufnahmetechnologie betont anachronistisch an.
Obgleich die Suitmation-Technik im Digitalzeitalter ja per se schon anachronistisch wirken muss, strebt die Inszenierung in erster Linie nach Modernität. Kaneko lässt die Gummi-Herkunft seiner Monster regelmäßig vergessen und nutzt die Stärken der altmodischen Machart solcher Filme unter spürbarem Rückgriff auf moderne Produktionsmittel aus, um in Sachen Perspektive und Dynamik das Maximum herauszuholen. Stilistisch bedient er sich gerne an etablierten Standards (wenn sich die Kamera etwa ein Individuum aus der fliehenden Masse greift, um das Mittendrin-Gefühl zu verstärken), zuweilen greift er aber auch zu überraschenden Mitteln, um die von den Monstern ausgehenden Gefahren weniger abstrakt wirken zu lassen.
Gerne schert er dazu in klug geschnittene Mini-Episoden innerhalb einer Szene aus, wie bei einer ans Bett gefesselten Patientin in einem Krankenhaus, die hilflos durch das Fenster hindurch mit ansehen muss, wie sich Godzilla Schritt für Schritt nähert, um vermeintlich aufatmen zu können, als er haarscharf am Gebäude vorbei schlurft… vermeintlich. Der Immersionsgewinn durch solche Einschübe ist beachtlich und lässt sich auch bei einigen der Auftritte Mothras spüren. Baragon hingegen schaut vor allem niedlich aus der Wäsche mit seinen nach vorne angelegten Ohren beim Versuch eines Urschreis, und speziell von Ghidorah hätte man sich noch mehr Dominanz erhofft. In seiner neuen Rolle als Schutzgeist scheint er sich jedenfalls nicht allzu wohl zu fühlen.
„Godzilla, Mothra and King Ghidorah: Giant Monsters All-Out Attack“: Gute Ansätze, zu viele Kompromisse
Die Ideen, die Shūsuke Kaneko gemeinsam mit seinen Co-Autoren in die Franchise bringt, weisen letztlich sogar auf eine geistige Bruderschaft mit dem jüngsten Meisterstück „Godzilla Minus One“ (2023) hin, der sich mit einer kompromisslosen Rückwärtsrolle auf Anhieb in die obersten Ränge der Reihe katapultierte. Es ist gerade diese Kompromisslosigkeit, die „Godzilla, Mothra and King Ghidorah: Giant Monsters All-Out Attack“ noch fehlt. Der 25. offizielle Toho-Godzilla-Film unterliegt schlichtweg zu vielen Zwängen, die Altlasten aus 47 Jahren mitzuschleppen. So wurde aus einem potenziellen Peak der Serie lediglich ein weiterer brauchbarer Vertreter, der dazu beitrug, die Millennium-Phase wild, experimentell und orientierungslos wirken zu lassen. Es brauchte dann noch einmal weitere 22 Jahre, sich der Altlasten endgültig zu entledigen und einen Film von dem Geiste vorzulegen, wie er 2001 bereits möglich gewesen wäre.
Informationen zur Veröffentlichung
„Godzilla, Mothra and King Ghidorah: Giant Monsters All-Out Attack“ gehört wie alle Vertreter der Millennium-Phase zu den Godzilla-Filmen, die bereits mehrfach von Splendid Film ausgewertet wurden – unter anderem eben zu DVD-Zeiten in verschiedenen Millennium-Paketen. Im Blu-ray-Zeitalter erschien er dann ebenfalls nicht nur solo, sondern auch als Teil der – je nach Auflage – 11- beziehungsweise 12-teiligen, eher vogelwild nach Rechten zusammengestellten Godzilla Collection. Deutsche Synchronisation und japanischer Originalton sind in allen Fassungen an Bord, lediglich die Extras fallen mit einer Godzilla-Trailershow eher mager aus.
Sascha Ganser (Vince)
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Splendid Film__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein (Deutschland)__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |