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Interceptor

„Interceptor“ ist das Regiedebüt von Bestseller-Autor Matthew Reilly. In dieser „Stirb langsam“-Variante gibt Elsa Pataky die Elitesoldatin J.J. Collins, die auf eine schwimmende Abfangstation für Atomraketen versetzt wird. Als die Basis von Terroristen eingenommen wird, ist sie die einzige, welche garantieren kann, dass die USA nicht schutzlos im Falle des nuklearen Erstschlags sind.

Originaltitel: Interceptor__Herstellungsland: Australien/USA__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: Matthew Reilly__Darsteller: Elsa Pataky, Luke Bracey, Aaron Glenane, Mayen Mehta, Colin Friels, Paul Caesar, Belinda Jombwe, Zoe Carides, Marcus Johnson, Deniz Akdeniz, Chris Hemsworth u.a.
Interceptor

Matthew Reilly schrieb und inszenierte „Interceptor“ mit Elsay Pataky als Actionheldin

Dass Netflix mit „Interceptor“ die x-te „Die Hard“-Variante vorlegte, war nicht unbedingt ein Grund für große Aufregung. Dass dies allerdings das Filmdebüt von Matthew Reilly darstellt, dem Autoren actionreicher Romane wie der erfolgreichen Shane-Schofield-Reihe, macht das Projekt dann schon wesentlich interessanter.

Da Reilly auch Regie führen wollte, legte er „Interceptor“ so an, dass man die Geschichte für einen Actionfilm eher kostengünstig produzieren konnte und man so eher gewillt sein würde das Projekt in die Hände eines Debütanten zu geben. So ist schon der Beginn so angelegt, dass er über Texttafeln, Graphiken und eine kurze Szene von der Ermordung eines überwältigten Soldaten funktioniert, während er eigentlich eine große Geschichte erzählt: Die USA haben zwei Abfangstationen, um Atomraketen aus dem Feindesland noch rechtzeitig abschießen zu können, eine in Alaska, die andere als schwimmende, Bohrinsel-artige Station im Pazifischen Ozean. Als die Basis in Alaska von Terroristen überrannt wird, bleibt also nur noch eine letzte Verteidigungslinie.

Hierhin wird Captain J.J. Collins (Elsa Pataky) zurückversetzt. Die Elitesoldatin war eigentlich befördert worden, hat sich jedoch beim eingeschworenen Männerbund der US-Armee unbeliebt gemacht, als sie einen General wegen sexueller Belästigung anzeigte. Im Grunde die typische Plotvariante des aufrechten Kriegers, der etwas zu aufrecht ist und dafür die Konsequenzen tragen muss, hier eben in der weiblichen Variante, was einerseits nicht uninteressant ist, andrerseits aber am Ende des Tages ohne große Bewandtnis für den Plot bleibt.

Schon kurz nach Collins‘ Ankunft erweist sich die Elitesoldatin als falsche Frau am falschen Ort zur falschen Zeit, zumindest aus Schurkensicht. Als ein Überfallkommando unter der Leitung von Alexander Kessel (Luke Bracey) die Station einnimmt, kann sich Collins mit einigen Kameraden in der Kommandozentrale verschanzen. Doch die ist natürlich das Hauptziel der gefährlichen und gut bewaffneten Terroristen…

httpv://www.youtube.com/watch?v=zYa2KFAwDFQ

„Interceptor“ ist ein Film voller Querverbindungen von Leuten vor und hinter der Kamera. Am offensichtlichsten die Mitwirkung von Chris Hemsworth („Men in Black: International“), der als Produzent dieses Vehikel für seine Ehefrau anschob. Der Hollywoodstar hat auch eine Minirolle als Fernseherverkäufer mit Zottelbart, der das Geschehen gelegentlich kommentiert, und mal wieder sehr großen Spaß an diesem Comedypart. Seine Gattin Elsa Pataky („Operation: 12 Strong“) hingegen versucht sich als No-Nonsense-Actionheldin, ist körperlich in bester Verfassung, schauspielert jedoch eher durchwachsen. Gerade das Vortragen von Onelinern wirkt nicht cool und natürlich, sondern aufgesetzt und gespielt – auch wenn ihr das Script nicht unbedingt die flottesten oder originellsten Sprüche in den Mund legt. Luke Bracey („Hacksaw Ridge“) macht sich gut als Schurke, liefert aber auch keine Performance für die Ewigkeit ab, ähnlich wie Mayen Mehta („Sweet Tooth“) als Collins‘ wichtigster Verbündeter. Der Rest vom Fest der kleinen Besetzung ist kaum der Rede wert, allenfalls Colin Friels („Darkman“) als Vater der Heldin kann noch kleine Akzente setzen.

Dass die Belegschaft so klein ist und große Teile des Films nur in dem Set der Kommandozentrale stattfinden, liegt auch an den Budgetlimitierungen von „Interceptor“. Das bedeutet auch, dass die Eliminierung der restlichen Crew eher behauptet als gezeigt wird (auch wenn Reilly kleine Momente von Spannung und Unsicherheit daraus ziehen kann), dass die Anzahl der Schurken überschaubar bleibt und dass auch die Set Pieces kleiner gehalten werden müssen, was „Interceptor“ leider etwas an die Kette legt. Immerhin sind die komplett am Rechenknecht entstandenen Außenaufnahmen der schwimmenden Kontrollstation für einen Film dieser Budgetklasse überraschend gut aus, andere Digitaltricks wirken dagegen durchwachsener, gerade bei allen Szenen, in denen Raketen abgefeuert oder abgefangen werden, steht Kollege Computer deutlich schlechter da.

Als Action Consultant heuerte man immerhin Sam Hargrave an, seines Zeichens erfahrener Stunt Coordinator und Regisseur des Netflix-Actionkrachers „Tyler Rake: Extraction“ mit Chris Hemsworth. Stunt Coordinator und Second-Unit-Regisseurin ist allerdings Ingrid Kleinig („Zack Snyder’s Justice League“), Fight Coordinator ist Tim Wong („The Suicide Squad“). Deren geballte Erfahrung sieht man den dynamischen choreographierten, wenn auch nicht immer sauber inszenierten und montieren Actionszenen an, in denen gelegentlich die Waffen sprechen, vor allem aber auf Hand-to-Hand-Combat gesetzt wird. Die Fights wissen zu überzeugen, bieten kleinere Härten und sind ganz gut über den Film verteilt, leiden aber darunter, dass man der Heldin eine überschaubare Gegnerzahl gibt und sie einige von diesen enttäuschend schnell abfrühstückt. Hinzu kommen ein paar (computeranimierte) Explosionen und eine einarmige Kletterpartie, die allerdings noch deutlich unrealistischer daherkommt als Arnies einarmiger Klimmzug aus „Eraser“.

Nun will die Zeit zwischen den kurzen Actionszenen mit Inhalt gefüllt werden, wofür Reilly den hollywooderfahrenen Stuart Beattie, der unter anderem „Fluch der Karibik“ und „Collateral“ schrieb und in seinem australischen Heimatland „Tomorrow, When the War Began“ inszenierte, mit ins Boot. Leider fällt diesem vermeintlichen Autoren-Dream-Team wenig ein. „Interceptor“ ist nicht nur klar von „Stirb langsam“ inspiriert, sondern auch von dessen Epigonen „The Rock“ (die Bedrohung durch Raketen, die abtrünnigen Soldaten als Antagonisten) und „Alarmstufe: Rot“ (das maritime Setting, die strafversetzte Protagonistin). Dass sich ausgerechnet der Kerl, der sich schon immer wie ein Arschloch verhielt, später als Verräter erweist, ist kein sonderlich subtiler Zug, die Motive der Schurken sind auch kaum auszumachen. Während der eine neurechte Parolen ausstößt, dass „sein Land“ durch Frauenrechte und Migranten bedroht werde, will der andere das in seinen Augen sexistische, rassistische und fehlgeleitete Amerika brennen sehen, auf dass dort besserer Neuanfang möglich ist. Wobei es in Sachen Schurkenmotivation eine Wendung gibt – „Interceptor“ kopiert genau den Twist aus dem Vorbild, den man erwartet.

Auch mit der Logik ist es nicht immer so weit her. Warum Collins und ihre Verbündeten bei der Suche nach möglichen Einfalloptionen der Schurken ausgerechnet die einfach aufzubrechende Riesenluke im Boden vergessen, deren Sinn eh kaum ersichtlich ist, ist beispielsweise schon ein dicker Klops. Vermutlich gibt es sie, damit Schurken nicht ganz chancenlos sind, nachdem ihnen Collins die letzte Keycard wegnimmt. So kommt der Plot öfter von Hölzchen auf Stöckchen, um das Geschehen einerseits am Laufen, andrerseits möglichst lange in der Kommandozentrale zu halten – dementsprechend stottert der Plotmotor, wirkt der Film unorganisch. Das ist schade, denn immer mal wieder hat „Interceptor“ gute Ideen und spannende Einzelmomente, nur ein kohärentes Ganzes wird nie daraus.

Angesichts von Matthew Reillys Begeisterung für das Actiongenre wäre es sicherlich wünschenswert, wenn man ihm weitere Chancen auf dem Regiestuhl gibt, aber dann muss er das nächste Mal besser abliefern. „Interceptor“ ist leider schwach und inkohärent geplottet, die Oneliner wirken aufgesetzt und sonderlich originell wirkt dieses Best of großer Vorbilder nicht. Die eher kurzen Actionszenen sind stark choreographiert, die Inszenierung ist trotz kleinerer Schnitzer solide, in Einzelmomenten kann die australische Netflix-Produktion glänzen – aber sollte Reilly irgendwann seinen Buchhit „Ice Station“ verfilmen dürfen, sollte er bis dahin noch dazulernen.

Als Netflix-Produktion ist „Interceptor“ nur dort zu sehen und wurde nicht von der FSK geprüft. Der Streamingdienst empfiehlt den Film ab 16 Jahren.

© Nils Bothmann (McClane)

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