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Flucht aus Sobibor

Originaltitel: Escape from Sobibor__Herstellungsland: Großbritannien, Jugoslawien__Erscheinungsjahr: 1987__Regie: Jack Gold__Darsteller: Alan Arkin, Joanna Pacula, Rutger Hauer, Hartmut Becker, Jack Shepherd, Simon Gregor, Emil Wolk, Kurt Raab, Klaus Grünberg u.a.
Sobibor deutsches DVD Cover

Rutger Hauer in “Flucht aus Sobibor”

Sobibor, ein Judenvernichtungslager der Nazis im Osten Polens. Jeden Tag kommt hier ein Zug voller Juden an. Sie werden zu den Klängen großer deutscher Komponisten “Willkommen” geheißen. Zügig, aber ohne große Hetze, werden die Juden nach Männlein und Weiblein aufgeteilt. Es wird gefragt, wer über besondere handwerkliche Fähigkeiten verfügt. Jene Juden sollen hervortreten, während alle anderen zu den Duschen gebracht werden. Typhus grassiere im Land und man wolle keinen Typhus in Sobibor, heißt es. Die handwerklich begabten Juden ahnen zu dem Zeitpunkt nicht, dass sie ihre Angehörigen, die zur „Desinfektion“ gebracht werden, nie wieder sehen werden…

600 Juden leben in Sobibor und verrichten tagtäglich Arbeiten für die Nazis: Goldschmiedearbeiten, Lebensmittelanbau, Holzbeschaffung, Näharbeiten. Sie gehen einer seltsamen Routine nach, aus der sie nur durch die regelmäßigen Appelle gerissen werden. Abends leben sie zusammengepfercht in engen Baracken und singen, tanzen und lieben einander. Denn …

Die beste Rache ist, zu überleben…

Die länger in dem Lager lebenden Gefangenen wissen freilich nur zu genau, was in Sobibor und genauer in Lager drei passiert. Ein nicht erlöschendes Feuer, das in der Nacht den Himmel erleuchtet und am Tag die Sonne verdunkelt, zeugt tagtäglich davon. Doch die Juden wollen sich mit ihrem Schicksal nicht abfinden. Immer wieder versuchen sie, zu fliehen. Erfolglos. Eines Tages kommt eine Gruppe Kriegsgefangener im Lager an. Allesamt Russen und allesamt schockiert, was in Sobibor passiert. Sie versprechen, den Juden zu helfen und planen das Unglaubliche: Eine Flucht aller im Lager eingepferchten Juden…

“Flucht aus Sobibor”: Die geschichtlichen Hintergründe

Der Film “Flucht aus Sobibor” geht auf die einzig verbriefte, erfolgreiche Revolte jüdischer Vernichtungslagerinsassen gegen die Nazis zurück. Sobibor, 1942 im von den Nazis besetzten Polen errichtet, diente neben den Lagern Belzec und Treblinka als Vernichtungslager im Rahmen der Aktion Reinhardt und damit der Endlösung der Judenfrage. Generalstabsmäßig und mit eisiger Präzision wurden in Sobibor 150 000 – 250 000 Juden aus ganz Europa ermordet. Am 14. Oktober 1943 kam es dann zu dem in dem Film „Sobibor“ abgehandelten Aufstand mit anschließender Massenflucht.

Unter Führung des Rotarmisten Alexander – Sascha – Petscherski und des Zivilgefangenen Leon Feldhendler tötete man erst die hochrangigen SS-Angehörigen der Lageraufsicht und floh dann durch das das Lager umgebende Minenfeld in die angrenzenden Wälder. Etwa 400 Juden ergriffen die Gelegenheit zur Flucht, beinahe die Hälfte starb im Kugelhagel und letztendlich überlebten die Folgetage der Flucht nur etwa 50. Die im Lager verbliebenen Juden wurden nach der Revolte von der SS vergast und das Lager dem Erdboden gleichgemacht…

Die Massenflucht aus dem Vernichtungslager Sobibor als TV-Film

Die englisch/jugoslawische Koproduktion “Flucht aus Sobibor” wurde 1987 vornehmlich für das Fernsehen gedreht und setzt den Menschen ein Denkmal, die sich im Oktober 1943 gegen das Unfassbare erhoben. Dabei zeichnet der Film ein eindrückliches Bild der Zustände in dem Lager, ohne die heftigen Gewalteruptionen von zum Beispiel „Schindlers Liste“ zu suchen. Vielmehr besticht die Fernsehproduktion vor allem in der ersten Stunde durch eine fast nüchterne Wiedergabe des Lageralltags in Sobibor. Jeden Tag kommt ein Zug an, Hunderte Menschen werden vergast, einige wenige in den Arbeitsalltag im Lager eingebunden. Hier arrangieren sie sich mit den Begebenheiten und sind der Willkür der Deutschen ausgeliefert.

“Flucht aus Sobibor” zeichnet die Deutschen erstaunlich ambivalent. Während der eine oder andere sichtlichen „Spaß“ an den Vorgängen im Lager hat, scheinen andere das Ungeheuerliche um sich herum bereits ausgeblendet zu haben. Drakonische Bestrafungen mit Peitschen gehen nicht einmal von den Nazis aus, sondern von Juden, die als Aufseher bzw. Vorarbeiter für die anderen Juden eingesetzt wurden. Auch überraschen Fakten, dass etwa ganz Sobibor von gerade einmal einer Handvoll SS-Soldaten bewacht wurde, während der größte Teil der Wachmannschaften sich aus ukrainischen Söldnern zusammensetzte.

Um den eigentlichen Schrecken der Lager aufleben zu lassen, arbeitet “Flucht aus Sobibor” mit ikonischen Bildern. Nackte Menschen vor langen Gebäuden, an deren Ende die Motorabgase ausströmen, die zum Töten der Juden eingepumpt wurden. Das immer brennende Feuer im Lager 3. Die Transportzüge mit den herausgestreckten Armen. Lagerräume voller Besitztümer der getöteten Menschen. Sobibor nutzt diese Bilder und eine eindringliche Musik, um gräuliche Bilder im Kopf entstehen zu lassen und erreicht auf diese Art und Weise auch ohne exploitative Gewalt Herz und Seele des Zuschauers. Was bleibt ist einfach nur Wut…

“Flucht aus Sobibor” wird mehr und mehr zum Fluchtfilm

Unterschwellig deutet “Flucht aus Sobibor” schon in der ersten Stunde immer wieder an, dass die Juden planen, auszubrechen. Irgendwann beschließen sie, dass sie im Falle einer Flucht alle Lagerinsassen mit sich nehmen werden. Nur wie sollen sie das organisieren? Auftritt Rutger Hauer (“Vaterland“) als Rotarmist Sascha. Mit dem Auftauchen Rutger Hauers nimmt “Flucht aus Sobibor” deutlich an Fahrt auf und der Film wird zu einem typischen Lagerfluchtfilm a la „Gesprengte Ketten“ usw. Die Flucht wird vorbereitet, Pläne werden geschmiedet, Allianzen geschlossen, Dinge gehen schief, man befürchtet beständig Verrat und es muss ausgelotet werden, wem man überhaupt vertrauen kann und wem nicht. Mit diesem Abschnitt rückt der Alltag im Lager fast ein wenig zu sehr in den Hintergrund und hat man ein wenig den Eindruck, alles mutiere zu einer Art Abenteuerspielplatz.

Immer wieder spannungsfördernd eingesetzte Kontrapunkte, die das ganze Unternehmen scheitern lassen könnten und eindrücklich den Lagerhorror in den Streifen zurückbringen, verhindern eine zu unterhaltsame Gestaltung dieses Abschnittes. Insofern man bei dem Grundthema überhaupt von Unterhaltung sprechen kann. Und gleichzeitig ist die zweite Hälfte von “Flucht aus Sobibor” genau das, denn die Geschichte bekommt nun ordentlich Drive und die Spannungskurve zieht doch enorm an, um dann in einen Showdown zu münden, der leider ein wenig zu deutlich macht, dass man es letztendlich eben doch „nur“ mit einem TV Film zu tun hat. Bei der Bebilderung des Lageralltags funktioniert der unaufgeregte, nüchterne, funktionale, glanzlose TV-Look nämlich noch sehr gut. Im actionreichen und dank ordentlicher Mengen an Statisten auch aufwändigen Showdown, hätte man sich eine deutlich dynamischere Umsetzung gewünscht, die dann auch dem sich leicht gewandelten Charakter des Filmes hätte Rechnung tragen können.

Rutger Hauer erhielt für seine Rolle seinen bislang einzigen Golden Globe

Schauspielerisch ist “Flucht aus Sobibor” ein zweischneidiges Schwert. Hier und da wirken manche Darsteller recht steif, die etwas ungelenke Synchronisation unterstreicht dieses Dilemma sogar noch. Dafür gefallen das sympathische, sehr zurückhaltende und irre souveräne Spiel von Rutger Hauer (der für seine Rolle seinen bisher einzigen Golden Globe erhielt) ebenso wie jenes von Alan Arkin (“Zwei vom alten Schlag“), der eine Art Vaterfigur für alle jüdischen Gefangenen gibt. Auf Seiten der Deutschen überzeugt vor allem Hartmut Becker als einer der ambivalentesten Lageraufseher, der scheinbar wie auf Knopfdruck zwischen vernunftbegabtem Mensch und eiskaltem Killer hin und herschaltet. Ein ziemlicher Totalausfall ist die hübsche Joanna Pacula (“Warrior Angels“) als Luka, bei der man häufiger den Eindruck hat, sie wisse gar nicht, was sie in dem Film zu suchen habe.

“Flucht aus Sobibor” ist ein wichtiges Werk wider das Vergessen

Das liegt aber vielleicht auch daran, dass der Film trotz einer Laufzeit von über zwei Stunden nur wenig Zeit für seine Figuren hat. Von wenigen erfährt man mehr als die wesentlichsten Angaben, verändern oder weiterentwickeln darf sich gar keine Figur. So erfährt man beispielsweise von Rutger Hauers Sascha gar nichts, so dass die Figur eigentlich nur wegen dem souveränen Hauer funktioniert. Dieser Umstand, der eben auf alle Figuren zutrifft, sorgt dafür, dass der Film in letzter Konsequenz nicht ganz das Herz des Zuschauers erreicht. So bleibt vor allem ein stark zweigeteilter Film in Erinnerung. Der Einstieg ist in seiner nüchternen Aufarbeitung des Lagerlebens brillant. Man bekommt einen Eindruck, wie die Menschen sich in den Lagern organisierten, wie die Strukturen funktionierten und wie unmenschlich das ganze System war.

Im zweiten Teil öffnet sich Sobibor dann gefühlt ein wenig zu sehr in Richtung Flucht- und Unterhaltungsfilm und setzt eher auf Mittel des Spannungskinos denn auf eine realistische Bebilderung der Umstände, die zur Flucht führten. Wirklich schlechter wird “Flucht aus Sobibor” dadurch aber nicht. “Flucht aus Sobibor” ist vielmehr ein interessantes Werk wider das Vergessen und als Bebilderung eines zumindest mir bis dato unbekannten Kapitels aus dem 2. Weltkrieg mehr als gelungen.

Lange Zeit sah es mit Veröffentlichungen des Streifens sehr schlecht aus. Im Juni 2012 schaffte SchröderMedia endlich Abhilfe für deutsche Rutger-Hauer-Fans und brachte den Film (FSK 16) auf DVD heraus.

In diesem Sinne:
freeman

Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love

Copyright aller Filmbilder/Label: SchröderMedia__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Ja

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