Wir zelebrieren Actionfilme, die rocken!

Broken (1993)

Trent Reznor ließ zur Begleitung des zweiten Nine-Inch-Nails-Albums „Broken“ einen gleichnamigen Kurzfilm drehen, der mehrere Musikvideos mit einer Rahmenhandlung verbindet, die dem Serienkiller- und Torture-Porn-Genre entspringt. In dem brutalen, nie wirklich offiziell veröffentlichten Werk ist Robert Patrick in einer Minirolle als Cop zu sehen.

Originaltitel: Broken__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1993__Regie: Peter Christopherson, Jon Reiss, Serge Becker__Darsteller: Trent Reznor, Bob Flanagan, Robert Patrick u.a.
Broken

In dem berühmt-berüchtigten NIN-Musikkurzfilm “Broken” hat Robert Patrick eine Minirolle

Als Nine Inch Nails am Nachfolger zu ihrem Debütalbum „Pretty Hate Machine“ arbeiteten, kam es zum Knatsch zwischen Frontman Trent Reznor und dem Label TVT. Letztere wollten die Band, kurz NIN genannt, in die Synthie-Pop-Ecke stellen, Reznor hingegen wollte in härtere Gefilde. Daher wurde das Album, später „Broken“ genannt, im Guerilla-Stil aufgenommen, während Reznor einen gleichnamigen Begleitfilm drehte, der seiner damaligen Wut Ausdruck verlieh.

„Broken“ wurde nie offiziell veröffentlicht, zirkulierte aber erst als Bootleg auf VHS und DVD, später im Internet – mit dem inoffiziellen Segen der Band, die zeitweilig einen versteckten Link zu „Broken“, auch bekannt als „The Broken Movie“, auf ihrer offiziellen Webseite präsentierte. Dass „Broken“ in seiner Gesamtheit nicht groß präsentiert wurde, dürfte an seinem Inhalt und seiner Gewaltdarstellung liegen: Der größtenteils von Peter Christopherson inszenierte Film arbeitet an der Grenze zwischen Musikfilm, Torture Porn, Horror und Surrealismus. Teilweise sind es offizielle Musikvideos, die es jedoch im Fernsehen schwer hatten: Beim Clip von „Wish“ ließ MTV bei Ausstrahlungen gern das Ende weg, „Happiness in Slavery“ wurde wegen seiner expliziten Natur so gut wie nie gezeigt.

So ist „Broken“ ein Film für das MTV-Zeitalter, gemacht mit den Stilmitteln von MTV, aber von einer graphischen Natur, die eine tatsächliche MTV-Ausstrahlung unmöglich machte. Den Rahmen bildet die Geschichte eines Mörders. Der äußere Rahmen sind die letzten Momente vor seiner Hinrichtung, eingefangen in nüchtern-stilisierten Schwarz-Weiß-Bildern. Der innere Rahmen ist eine der Taten, für die er sein Leben aushauchen muss: Er entführt einen Teenager, quält und ermordet diesen, während auf einem Fernseher NIN-Videos laufen. Dies ist in körnig-grisseligen Home-Video-Optik gehalten, was „Broken“ in die Nähe des Snuff-Video-Mythos rückte, der in den 1990ern an einem Höhepunkt angelangt war. In diesen Szenen präsentiert „Broken“ in konzentrierter Form Darstellungen, die manchen Torture Porn aus den Kinosälen und Videothekenregalen harmlos aussehen lassen: Folter, sexuelle Erniedrigung, Leichenschändung, Genitalverstümmelung, Nekrophilie.

Eingebunden in diese Geschichte sind folgende Musikvideos:

„Pinion“

Das rund einminütige Instrumentalstück untermalt in schwarz-weiß eine Sequenz, die in einer öffentlichen Toilette beginnt, wo die Kamera der Abflussröhre eines Pissoirs in den Keller folgt, das sich am Ende als perfide Tötungsmaschine für ein Opfer entpuppt.

„Wish“

Hier sind Farbe und Hochglanz angesagt. NIN spielen in einem Käfig, der von einer Horde von Männern attackiert wird, deren Raserei eher an Zombie- oder Infiziertenfilme erinnert. Am Ende hält der Käfig nicht mehr stand, die Band wird nach und nach von den Männern gepackt und getötet. In der Rahmenhandlung spult der Psychopath mehrmals zu der Stelle zurück, an der Reznor „fistfuck“ brüllt und berührt sich dazu unsittlich.

„Help Me I’m in Hell“

Wieder ein Instrumentalstück, wieder ein Schwarz-Weiß-Video. Dieses Mal sieht man einen gut gekleideten Mann in einer Gummizelle, der von Fliegen umschwärmt wird. Sie sitzen auf ihm, auf dem Steak auf seinem Teller, auf seinem Weinglas. Trotzdem isst und trinkt der Mann ungerührt weiter, schiebt sich teilweise sogar Fleischstücke voller Fliegen in die Futterluke.

„Happiness in Slavery“

In diesem Schwarz-Weiß-Video ist der Performancekünstler Bob Flanagan zu sehen. Er setzt sich nackt in eine Maschine, die ihn immer weiter durchbohrt, am Ende schreddert und als Dünger für Pflanzen verwendet. Doch passend zum Titel scheint der Mann die Prozedur zu genießen, dadurch sexuell angeregt zu werden. Man fühlt sich schnell an den Body Horror von David Cronenberg erinnert in dieser Verschmelzung von Maschine und Fleisch, Zerstörung und Lust. Auch die Bildsprache greift das auf, etwa wenn sich das Loch, aus dem der Menschenbrei später fließen wird, öffnet und schließt wie eine menschliche Körperöffnung.

Broken

Als Cop ultrakurz zu sehen: Robert Patrick, dessen Bruder Tourgitarrist bei Nine Inch Nails war

Der finale Part wird von dem Song „Gave Up“ untermalt, allerdings nicht vom offiziellen Musikvideo. Hier sieht man einen Großteil der Folter- und Mordtat des Psychopathen, unterbrochen von Schwarz-Weiß-Sequenzen, in denen sein Domizil durchsucht wird. Dort findet man Leichenteile im Kühlschrank und in der Kühltruhe, damit auch Kannibalismus der Liste der Tabubrüche hinzugefügt werden kann. Den sonnenbebrillten Cop, der die grausigen Funde macht und nur kurz zu sehen ist, spielt angeblich Robert Patrick (manche Menschen meinen allerdings dort Reznor selbst zu erkennen). Dies ist weniger eine Anspielung auf Patricks T-1000-Rolle, die er quasi zeitgleich in „Wayne’s World“ und „Last Action Hero“ aufleben ließ, sondern ein Gefallen für einen Bruder Richard, der damals Tourgitarrist bei NIN war (in einem Making Of zu „Terminator 2“ sieht man Robert Patrick auch mit NIN-Pin an der Lederjacke sitzen).

Die Frage ist am Ende nur, was man von „Broken“ in seiner Gesamtheit halten soll. Mal ist das Ganze ästhetisch, mal bewusst abstoßend, doch der Stilwille hält das Gesamtwerk zusammen, so sehr sich einzelne Bestandteile auch in der Form unterscheiden mögen. Doch es ist kaum mehr als ein Ausdruck von Reznors Wut und Unsicherheit, gegossen in die Form des Horror- und Folterfilms, sicherlich schockierend, aber ohne großen Nährwert. „Broken“ will sein Publikum herausfordern, tut dies jedoch eher durch Tabubrüche und Schläge in die Magengrube, denn auf einer intellektuellen Ebene. Denn das psychopathische Serienmörder ihren Opfern grausame Dinge antun, die absolut böse sind, das ist jetzt keine bahnbrechende Erkenntnis, Stilwille hin oder her.

„Broken“ hat eine kuriose (Nicht-)Veröffentlichungsgeschichte. Reznor verteilte anfangs selbst VHS-Kopien des Films an Freunde, die ihrerseits kopiert wurden und bei Fans sehr beliebt waren. Eine Vollversion von „Broken“ war später auch auf einer Bootleg-DVD in den USA zu finden. Mitte der 2000er fand „Broken“ seinen Weg in Filesharing-Netzwerke – angeblich soll Reznor selbst den Film dort verbreitet haben. Später war „Broken“ auch bei Vimeo zu sehen, die Band selbst baute einen versteckten Link auf ihrer Webseite ein, doch Vimeo löschte das Video mehrfach. Mittlerweile taucht „Broken“ immer mal wieder auf Plattformen wie dem Internet Archive auf.

© Nils Bothmann (McClane)

Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love

Copyright aller Filmbilder/Label: Nine Inch Nails__FSK Freigabe: ungeprüft__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein

Tagged as: , , , , , , , , , ,

Categorised in: Psychohorror, Reviews

Wie Viele Actionnerds gibt es?

  • Keine Sorge, du bist mit deiner Vorliebe nicht allein! Uns besuchten bereits 17217131 andere Actionnerds