Originaltitel: Jiu Long cheng zhai: Wei cheng__Herstellungsland: Hongkong__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: Soi Cheang__Darsteller: Louis Koo, Sammo Hung, Richie Jen, Raymond Lam, Chun-Him Lau, Philip Ng, Tony Tsz-Tung Wu, Man Kit Cheung, Chung-Chi Cheung, Cecilia Choi, Pak Hon Chu, Aaron Kwok u.a. |
„City of Darkness“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Yi Yu und dem darauf basierenden Manhua (chinesische Graphic Novel) des Künstlers Andy Seto. Beide Werke erweckten die Kowloon Walled City noch einmal zu neuem Leben. Dabei handelte es sich um einen Stadtteil Hongkongs auf der Halbinsel Kowloon, der zu seiner Hochzeit der Ort mit der höchsten Bevölkerungsdichte der Welt war.
Die Kowloon Walled City
![City of Darkness Poster City of Darkness Poster](https://www.actionfreunde.de/wp-content/uploads/city-of-darkness.jpg)
Furioses Actiongewitter aus Hongkong: „City of Darkness“.
Ursprünglich befand sich auf dem Gebiet des Stadtteils ein chinesischer Militärposten. Dieser wurde 1847, Hongkong war unmittelbar zuvor im Vertrag von Nanking an Großbritannien abgetreten worden, zu einem mit starken Mauern umgebenen Fort ausgebaut. Diese Mauern gaben dem Stadtteil später seinen Spitznamen: „Walled City“. Als Großbritannien 1898 unter anderem auch die Kowloon-Halbinsel pachtete, blieb das Fort in chinesischer Hand und bildete damit eine chinesische Exklave – jedoch ohne große sonderliche Bedeutung.
Immer wieder äußerten die Kronkolonie und Nationalchina Ansprüche an der Exklave, wirklich passiert ist allerdings nichts. Mehr noch: Niemand fühlte sich wirklich für das Gebiet verantwortlich und es entstand eine nahezu rechtsfreie Zone – in der nicht einmal Steuern eingetrieben wurden. Nach dem Ende der japanischen Besetzung Hongkongs im Zweiten Weltkrieg fanden dementsprechend viele Flüchtlinge hier billigen Wohnraum. Das hatte sowohl ein dramatisches Bevölkerungswachstum als auch eine dichte und unkontrollierte Bebauung zur Folge.
Immer mehr Hochhäuser ragten fortan in den Himmel und schirmten große Teile der Walled City vom Tageslicht ab. Was ihr einen weiteren mystischen Spitznamen einbrachte: „Hak Ngam zi Sing“ – City of Darkness. Für die Einwohner entstanden natürlich auch Einrichtungen wie Schulen, Geschäfte und Betriebe, aber die allgegenwärtige Rechtsfreiheit ließ vor allem die Kriminalität unter der Kontrolle der Triaden wuchern. Infolgedessen wagte sich selbst die Polizei gar nicht oder nur in großen Gruppen in die Walled City.
Ab den 1970er-Jahren beschloss Hongkong, den Triaden Einhalt zu gebieten. Als das in den 80ern ansatzweise gelungen war, galt der Stadtteil aber immer noch als Schandfleck. Nach einer 1987 eingeleiteten und mehrere Jahre andauernden Räumung wurde die gesamte Walled City von 1993 bis 1994 abgerissen. Für das hier zu besprechende filmische Denkmal an die Walled City wurde selbige in Teilen detailgetreu wieder errichtet.
Leben und Überleben in der „City of Darkness“
Als der Flüchtling Chan Lok-kwan auf der Halbinsel Kowloon ankommt, ist er gezwungen, sein Geld mit Gelegenheitsjobs und Underground-Fights zu verdienen. Als er nach einem dieser Kämpfe von den örtlichen Triaden unter Führung des Tyrannen Mr. Big abgezogen wird, greift er sich in einer Kurzschlusshandlung einen Sack voller Drogen und flieht in die Kowloon Walled City.
![Raymond Lam als Lok in City of Darkness Raymond Lam als Lok in City of Darkness](https://www.actionfreunde.de/wp-content/uploads/city-of-darkness-raymond-lam.jpg)
Raymond Lam spielt Flüchtling Lok in „City of Darkness“.
Diese hat ihre besten Zeiten bereits weit hinter sich. Die engen Straßen sind vermüllt, die sanitären Zustände sind eine Katastrophe und in den kleinen Wohnungen stapeln sich die Menschen. Hinter vorgehaltener Hand wird bereits gemunkelt, dass die Walled City abgerissen werden soll. Als Zuflucht reicht sie für Lok jedoch vollkommen aus, da sie sich fest in der Hand der Unterweltlegende Tornado befindet, mit der sich nicht einmal Mr. Big anzulegen gedenkt.
Obendrein sieht Tornado etwas in Lok und nimmt ihn unter seine Fittiche. So findet der Flüchtling schnell angenehmere Jobs und Anschluss an das nähere Umfeld von Tornado. Das erste Mal hat der als Waise aufgewachsene Lok eine Art Familie. Doch unter der Oberfläche schwelt es. Tornado ist schwerkrank, Mr. Big will seinen Einfluss ausbauen und Lok ist enger mit den Schicksalen aller Personen verwoben, als er es sich je hätte träumen lassen.
Furiose Martial-Arts-Action an faszinierenden Bildern
Regisseur Soi Cheang („Lethal Warrior“) steigt zunächst eher simpel in seine Geschichte ein. An der Seite von Lok lässt er den Zuschauer seine Vision von der Kowloon Walled City entdecken. Mehr braucht es auch nicht, denn diesen wuselnden Ameisenhaufen voller Leben präsentiert er mit Verve und an wirklich tollen Bildern. In prächtiger Farbigkeit zelebriert er die Walled City.
Dabei dominieren allerdings eher abschreckende Motive von Enge, Dreck, gescheiterten Existenzen, Kriminalität und Brutalität. Kleine Momente der Hoffnung lockern das Geschehen aber auf. Beispielsweise unterstützen zu Beginn unsichtbar bleibende Helfer Lok, drängen ihn in die richtige Richtung und zeigen Menschlichkeit an einem wenig menschlich wirkenden Ort.
Trifft Lok dann auf Tornado, ändert sich der Erzähl-Duktus leicht. Wir sind nun dabei, wie Lok immer mehr zum organischen Teil der „City of Darkness“ wird, sich einfügt, Freunde und eine Art Ersatzfamilie findet. Der düstere Ton ändert sich leicht. Lok selbst wird irgendwann sagen, dass er aus der Walled City nicht mehr weg will.
Nach dieser wirklich ausgiebigen Exposition, die uns in erster Linie den eigentlichen Hauptdarsteller von „City of Darkness“ vorstellt, nämlich die Walled City, legt Regisseur Soi Cheang erzählerisch deutlich zu. Reichert die Story mittels Flashbacks und zahlreichen Dialogen spürbar an. Denn sämtliche bislang vorgestellte Figuren scheinen eng miteinander verwoben. Dramatische Ereignisse kommen ans Licht und Lok ist unvermutet ein wichtiges Element derselben.
![Sammo Hung als Mr. Big in City of Darkness Sammo Hung als Mr. Big in City of Darkness](https://www.actionfreunde.de/wp-content/uploads/city-of-darkness-sammo-hung.jpg)
Sammo Hung gibt den fiesen Mr. Big.
Das ist spannend, zieht noch tiefer in die Welt des Filmes hinein und sorgt nach dem einfachen Einstieg für erstaunliche Komplexität. Die in der Installation eines wirklich fiesen Fieswichtes mündet, den man bis dahin eher weniger auf der Uhr hatte. Ist der mit Wucht im Film angekommen, startet „City of Darkness“ in Richtung seines spektakulär geilen Showdowns durch und bringt alle offenen Fäden zu einem runden Ende. Klasse.
Bereits auf seinem Weg zum Showdown zündet „City of Darkness“ in loser Folge immer wieder tolle Actioneinlagen. Es dominiert in Teilen furios choreographierte Martial-Arts-Action. Dabei prügeln sich die Kombattanten auf Glasbruch, was wirklich fies anzusehen ist, hangeln an fahrenden Bussen und an Gebäudefassaden herum, verwammsen sich in den engen Gassen der Walled City, hauen sich in Handwerksbetrieben eine aufs Maul oder geben sich auf den Dächern des Stadtteiles Saures.
Die gesamte Walled City wird bespielt, auch über verschiedene Höhenlevel hinweg. Dadurch haben alle Fights schon optisch etwas Originäres. Hinzu kommt, dass hier mal mano-a-mano gekämpft wird und mal richtige Burly Brawls abgefeuert werden. In Richtung Finale nehmen die Actioneinlagen in Sachen Länge und Spektakel immer mehr zu.
Im Showdown werden zunächst sämtliche Henchmen des Bösewichtes platt gemacht. Das kann man in Teilen sogar wortwörtlich nehmen. Es wird eine Art Motorrad-Fu präsentiert, wenn einer der Helden sein Gefährt wie eine Waffe nutzt. Im Finale wird erstmalig auch ausgiebig geballert, wobei dies nur genutzt wird, um das Treiben nur noch dynamischer zu machen. Alles führt dann zu dem großen Showdown-Fight.
![Louis Koo als Tornado in City of Darkness Louis Koo als Tornado in City of Darkness](https://www.actionfreunde.de/wp-content/uploads/city-of-darkness-louis-koo.jpg)
Louis Koo lässt als Tornado seine Gegner herumwirbeln.
Hierbei zündet der Stunt-Koordinator Kenji Tanigaki („Sakra“) Idee um Idee, wenn er gleich vier Helden gegen einen nahezu unbesiegbaren Fieswicht stellt. Der darf herrlich seltsame Moves und Bewegungsabläufe präsentieren und gleich zweimal ein Schwert zerbeißen!!! Absolut fantastisch. Aber freilich auch ein Hinweis, wie die Action in „City of Darkness“ aussieht. Wer nämlich seine Fights an viel Realismus braucht, der ist hier falsch.
Denn es gibt nicht nur diesen unbesiegbaren Gegner. Nein, in „City of Darkness“ wird auch wider alle physikalischen Gesetze gesprungen. Und Gegner fliegen nach Schlägen teils meterweit durch die Gegend und zertrümmern beim Aufprall sogar Mauerwerk. Diesen fantastischeren Momenten, die mit geiler Wucht inszeniert wurden, stehen erstaunlich brutale und raue, dann eher geerdete Fights gegenüber. Vor allem, wenn sich die Gegner mit Messern und Rohren bekämpfen, hat man das Gefühl, die Hiebe und Stiche selbst zu spüren. Die Folge ist eine interessante Melange aus Realismus und „Strippengeziehe“, die zumindest bei mir voll aufging.
Im Grunde genommen bekommen alle wichtigen Figuren im Film mindestens einen Fight zugeschustert. Und hier überzeugen wirklich alle. Selbst der doch ziemlich angetagte Sammo Hung („Naked Soldier“) darf mehrfach ordentlich aufdrehen und hinlangen. Actiontechnisch passt das also alles. Darstellerisch wird es etwas schwieriger.
Raymond Lam („Badges of Fury“) liefert als Lok sauber ab. Er funktioniert als Bindeglied zum Zuschauer genauso, wie er funktionieren soll. Auch seine jungen Helfer werden von den engagierten Darstellern Terrance Lau („Stuntman“), Tony Wu („Raging Fire“) und German Cheung („Kung Fu Killer“) mit viel jugendlichem Furor zu überzeugendem Leben erweckt.
![Alles bereit für den Showdown Alles bereit für den Showdown](https://www.actionfreunde.de/wp-content/uploads/city-of-darkness-action.jpg)
Alles bereit für den Showdown…
Sammo Hung macht als Mr. Big ebenfalls nicht viel verkehrt. Schwierig wird es rund um Tornado. Der wird von Louis Koo („Paradox“) gegeben, der rundweg wirkt, als habe Andy Lau einfach keine Zeit für den Film gehabt. Ich mag Koo nicht sonderlich. Er ist mir immer zu glatt und eigenschaftslos und genau das trifft trotz Grauhaarfrisur auch hier zu. Ich habe ihm zu keiner Zeit seine gewichtige Figur, die an eine Art Paten der Walled City erinnert, abgekauft.
Ähnlich denke ich über Aaron Kwok („Stormriders“). Der hat hier zwar nur eine kleine Nebenrolle, aber auch die konnte ich ihm nicht abnehmen. Ein ganz besonderer Fall ist aber Philip Ng („Chasing the Dragon“) als rechte Hand von Sammo Hung. Klar, man sieht, wo der Regisseur mit der Figur hin will und prinzipiell könnte man infolgedessen über etwas Overacting hinwegsehen. Dabei liegt die Betonung allerdings auf „etwas“. Wenn Ng dann aber vor und nach jedem Satz mit großem Gestus irre lacht, ist es des Guten eindeutig zu viel. Zumal seine Figur unter dieser Zeichnung leidet und an bedrohlichem Potential verliert. Frauen spielen in „City of Darkness“ im Übrigen gar keine Rolle. Entsprechend könnt ihr euch auch ausmalen, wie romantisch es in dem Actioner zugeht.
In Sachen Inszenierung habe ich bereits eine Menge gesagt. Dabei soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass „City of Darkness“ auch in Sachen Ausstattung, Outfits und Haarmoden den anvisierten Ton komplett trifft. Der Film wirkt als Zeitreise in die 80er absolut stimmig. Ein weiteres Highlight ist die Musik von Kenji Kawai. Der Kenner hat nun bereits nur wegen des Namens eine ganz bestimmte Art von Musik im Ohr. Und Kawai liefert auch diesmal: Egal, ob er einen ruhigen Charaktermoment, erhabene Kameraflüge über die Walled City oder Actioneinlagen untermalt.
„City of Darkness“ beschließt das Kinojahr 2024 mit fetter Action
Grundsätzlich besinnt sich Regisseur Soi Cheang mit seinem „City of Darkness“ zurück auf eine Zeit, in der Kintopp aus Hongkong vor allem für halsbrecherische Action der spektakulären Art stand. Und wirklich: Sobald in dem Film Action aufkommt, wird es extrem spektakulär. Was man der Action vorhalten kann: Sie wirkt ab und an etwas schnell geschnitten und sie wird in Richtung Finale immer wilder – im Sinne von unrealistischer. Aber sie trifft eben den damaligen Duktus von schier unbesiegbaren Helden und Bösewichten richtig gut.
Die Story wirkt zunächst ein wenig unterkomplex. Bereit, von der Action und dem Style überfahren zu werden. Doch mit zunehmender Laufzeit gewinnt sie an Dichte, zeichnet ausreichend plastische Charaktere und führt alle Storylines um Themen wie Bruderschaft, Ehre und Loyalität zu einem ordentlichen Finale. Trotzdem: Hier und da wirken manche Nebencharaktere (das Fischmädchen!) lebendiger beziehungsweise interessanter als die Hauptfiguren und ab und an hat man bei dem minimal zu langen Film (126 Minuten) das Gefühl, er müsse zu viele Figuren händeln.
Am Ende gewinnt der Stil, gewinnt vor allem das unfassbar starke Setting und gewinnen die brillanten Fights. Das Ergebnis ist Kintopp, an dem man sich gar nicht satt sehen kann. Mehr noch: In einem in Sachen Actionkino alles andere als besonderem Kinojahr 2024 setzen die Chinesen ein echtes finales Ausrufezeichen. Danke dafür!
Der Film ist seit dem 28. November 2024 in den deutschen Kinos zu sehen. PLAION hat den Vertrieb für Deutschland übernommen und für den Film ungeschnitten eine Freigabe ab 16 erwirkt.
In diesem Sinne:
freeman
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Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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