Originaltitel: The 4:30 Movie__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: Kevin Smith__Darsteller: Genesis Rodriguez, Adam Pally, Diedrich Bader, Justin Long, Jason Lee, Kate Micucci, Ken Jeong, Rachel Dratch, Sam Richardson, Harley Quinn Smith, Method Man, Nicholas Cirillo, Siena Agudong, Betty Aberlin, Austin Zajur, Evelyn Giovine u.a. |

Das Cover der Splendid-DVD von „The 4:30 Movie“.
In der Erinnerung des Film-Geeks kann sich die eigene Kindheit auch schon mal wie ein Film anfühlen. Mit seinem halb autobiografischen Werk „Die Fabelmans“ bewies Steven Spielberg erst 2022, wie scharf man das wahre Leben dennoch abbilden kann, auch wenn man Realität und Fiktion wie Wasserfarben vermischt.
Kevin Smiths („Yoga Hosers„) View Askewniverse funktioniert da nicht viel anders. Seit es 1994 mit „Clerks“ aus der Taufe gehoben wurde, expandiert es mithilfe derselben Wasserfarbentechnik. Menschen sind Comicfiguren und Comicfiguren sind Filmfiguren, die wiederum Menschen sind – so funktioniert der Verstand des Filmemachers, der Filme macht, weil er sie wahrhaftig lebt, weil es für ihn keinen nennenswerten Unterschied zwischen den Dimensionen des Wachzustands und des Tagtraums zu geben scheint.
„The 4:30 Movie“, das ist nun Kevin Smiths „Die Fabelmans“. Aber Kevin Smith ist eben nicht Steven Spielberg. Wer sich vergleichbare Einblicke in den kollektiv erlebten Kolorit der 80er erhofft, wie Spielberg sie für die 50er aufbereitete, ist auf dem falschen Dampfer. Noch schlechter stehen die Aussichten auf ein authentisches, möglichst unverwässertes Zeitportrait, wie es unter anderem in Filmen wie „Everybody Wants Some!!“ (Richard Linklater, 2016) oder „Mid90s“ (Jonah Hill, 2018) geboten wurde. Wie hoch der Anteil der Ereignisse liegt, die frech ins Drehbuch geflunkert wurden, und welche Plot Points auf tatsächlichen Erinnerungen basieren, das weiß wohl nur Smith selbst. Die überdramatisierte Handlung und die ausgeschmückten Nerd-Dialoge weisen aber eindeutig darauf hin, dass wir es hier nicht mit einer möglichst akkuraten Abschrift aus dem Gedächtnis zu tun haben, sondern mit einem Märchen, das bestenfalls hier und da ein Fünkchen Wahrheit enthält. Im Grunde reicht ein Blick auf Knautschvisage Ken „The Hangover“ Jeong, der als Kinomanager in einem mit Kinorollen gepimpten Batmobil vorfährt, um diesen Verdacht zu erhärten.
Und doch ist der Rückblick auf die tuschierten Erinnerungen Smiths vielleicht sein bester, zumindest aber sein warmherzigster Film seit „Clerks II“ (2006) geworden – deutlich vor dem sentimentalen Kitsch aus „Clerks III“ (2019) und dem saftlosen „Jay and Silent Bob Reboot“ (2019) jedenfalls.
Natürlich tragen Austin Zajur als Brian und Siena Agudong als Schwarm Melody maßgeblich zu diesem Gefühl bei. Immer schon waren es die nahbaren Charaktere, beziehungsweise deren Darsteller, die der Kevin-Smith-Rezeptur ihre besondere Süße verliehen haben. Alte Weggefährten wie Rosario Dawson oder die drei Jasons (Lee, Biggs, Mewes) laufen jetzt durch den Hintergrund der Lounge und überlassen der neuen Generation die vorderen Plätze. Neben Zajur und Agudong dürfen sich vor allem Nicholas Cirillo und Reed Northrup als Brians beste Freunde Burny und Belly in den Vordergrund spielen. Während Cirillo den arschigen Macho liefert, der mitunter auch mal in hausgemachte Jason-Mewes-Gesten verfällt, vervollständigt Northrup die altbekannten Stereotype mit einer Interpretation des stets eingeschnappten Sensibelchens. Und man kann sie spüren, die Schwingungen der 80er-Buddy-Comedy. Es sind die vielen bunten Comic Reliefs im gut gefüllten Foyer, die das Feuerzeug an die Lunte halten, doch es sind die drei Kumpels und das Mädchen, die am Ende die Kanonenkugel reiten.
Schaut in den Trailer zu „The 4:30 Movie“
Denkbar minimalistisch ist dabei die Handlung geraten, die sich lediglich um ein Date im Kino mitsamt der Vorbereitungen und des Ausklangs dreht. Als Altmeister des trivialen Dialogs hat Smith kein Problem damit, die Leerstellen mit rhetorischen Schlagwechseln um filmische Fakten zu füllen; er hat zeit seiner Karriere schließlich nie etwas anderes gemacht. So mancher Ausblick auf eine damals noch ungeschriebene Zukunft kommt dabei aber als erschreckend plump getarntes Bashing daher, bei dem sich vor allem das Star-Wars-Universum (alles nach Teil IV – VI) besser wieder warm anziehen sollte. So manche fäkale Entgleisung, da kann er einfach nicht aus seiner Haut, ist ebenfalls zu durchstehen. Umgekehrt trifft der Pfeil insbesondere dort ins Schwarze, wo über die Geek-Blase hinausgedacht wird, etwa bei der herzhaft komischen, weil einleuchtenden Schlussfolgerung über den Wahrheitsgehalt von Filmen, die Method Man in einem frühen Cameo als Nichtfilmkenner zieht.
Wo noch ein paar Minuten übrig sind, da werden einfach Fake-Trailer à la „Planet Terror“ eingespielt (Jennifer Schwalbach spielt eine Nonne im Undercover-Einsatz auf dem Strich und stellt dabei eine göttliche Verbindung zwischen „Sister Act“ und dem Nunsploitation-Subgenre her) oder auch Ausschnitte aus dem besuchten Kinofilm „Astro Blaster & The Beaver Men“ (eine Verbeugung vor all den Z-Streifen, die sich „Flash Gordon“ & Co. als Vorbild genommen haben). Diese Zutaten sind nicht mehr ganz taufrisch, sie verbinden sich auch nicht zu einer schlüssigen Narrative, sondern geraten zu episodischem Stückwerk, das einfach nicht vorwärts kommt. Aber das ist es im Grunde, was Smith da erreichen will… die Uhrzeit aus dem Titel bei 4:30 zum Stillstand bringen nämlich, um von Zeit und Raum losgelöst den Blödsinn zu zelebrieren, den man als Teenager auf sich genommen hat, um den Frauen zu gefallen… oder seinen Freunden.
Nach Verlassen des Kinos wird es dann noch einmal nachdenklich, ganz wie bei den benebelten Filmanalysen unter Gleichgesinnten während eines Absackers nach dem Filmabend. Aufarbeitungen des Vergangenen, flüchtige Blicke auf eine ungewisse Zukunft, Offenbarungen, Streits, Versöhnungen und Geständnisse… jede der Hauptfiguren erlebt im Schnelldurchlauf noch einmal seine persönliche Katharsis als Individuum und schließlich wieder als Gruppe. Der Schnitt wird holprig, die Inszenierung unstet; das Herz eines Verliebten auf der Suche nach einem poetischen Ende ist deutlich spürbar. Und er soll sein poetisches Ende bekommen. Es verrät letztlich die Lügengebilde einer der Ausschmückung dienenden dichterischen Freiheit, aber wichtig ist wohl, dass es sich schön anfühlt… nicht nur für den Regisseur, sondern auch für die Zuschauer, die bereits seit „Clerks“ mit an Bord sind.
Was nostalgische Rückblicke auf vergangene Jahrzehnte angeht, ist man längst von hochwertigeren Alternativen verwöhnt; dazu musste man nicht extra auf „The 4:30 Movie“ warten. Was Kevin Smith angeht, hätte er aber keinen besseren Mittelweg finden können, um zu seinen Anfängen zurückzukehren. Nach den eingefallenen Gesichtern, die in den Sequels und Reboots der View-Askew-Klassiker eher Traurigkeit auslösten, sind die rosigen Bäckchen des Smith’schen Alter Ego ein Grund zu lächeln – auch wenn man ihm manch platten Schwanz- oder Star-Wars-Gag mit Mitte 50 wohl nicht wieder ausgetrieben bekommt.
„The 4:30 Movie“ ist seit Ende November über Splendid Film auf Blu-ray und DVD erhältlich. Enthalten ist neben dem Hauptfilm mit deutschem und englischem Ton auch ein Making Of. Alternativ ist der Streifen natürlich auch über alle gängigen Portale als VOD oder Stream erhältlich.
Sascha Ganser (Vince)
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder und Screenshots/Label: Splendid Film__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja / Ja |