Originaltitel: Bandidos – Ein Leben zwischen Freiheit und Gesetz__Herstellungsland: Deutschland__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: Uwe Boll__Darsteller: n.a. |
Regisseur Uwe Boll („House of the Dead“) hat seine erste Dokumentation abgeliefert. Hierfür hat er den Motorradclub Bandidos über drei Jahre lang mit der Kamera begleitet und gibt Einblicke in die Geschichte und das Innere der Bruderschaft. Grund genug, den Filmemacher zu seinem Werk zu interviewen. Was er zu „Bandidos – Ein Leben zwischen Freiheit und Gesetz“ zu sagen hat, erfahrt ihr fortfolgend. Final stellen wir euch die Dokumentation kurz vor. Und damit direkt zu unserem Wortwechsler mit Uwe Boll.
Interview mit Uwe Boll über seine Arbeit an „Bandidos“
Wie kam die Idee für die Dokumentation „Bandidos“ auf?
Uwe Boll: Ein Freund von mir hat mich mit Peter Maczollek, dem Gründer des deutschen Ablegers der Bandidos, bekanntgemacht. Bei dem Treffen entwickelte ich spontan die Idee. Das war vor über vier Jahren und es entwickelte sich eine lange Odyssee bis diese Doku endlich fertig wurde, denn viele Bandidos waren gegen die Doku.
Hatten Sie vor Ihrer Dokumentation irgendwelche Berührungspunkte mit der Biker-Szene? Fahren Sie beispielsweise selbst Motorrad?
Uwe Boll: Ich habe einen Motorradführerschein und wollte mir als 18-jähriger unbedingt eine Kawasaki Z750 kaufen, aber leider hatte ich das Geld nicht. Es wurde dann nur ein 500 DM teurer Käfer. Als dann zwei Jahre später ein guter Freund von mir schwer mit seiner Maschine verunglückte, verging mir die Lust, überhaupt über den Kauf einer Maschine nachzudenken.
Uwe Boll, der Dokumentarfilmer
Sie geben in der Dokumentation zu verstehen, dass bei Ihrer Herangehensweise nicht absehbar war, wie das Projekt enden/worauf es hinauslaufen würde. War das nicht auch ein verdammt großes Wagnis und warum sind Sie es letzten Endes eingegangen?
Uwe Boll: „Bandidos“ ist eine klassische Doku, wo der Filmemacher etwas beobachtet und nicht weiß, wo es ihn hinführt. Heutzutage gibt es fast nur noch Dokus, die etwas erzählen, was vorbei ist, und die quasi einem Skript folgen.
Ich bin an meine Doku wertfrei herangegangen und wollte mir selber ein direktes Bild machen. Sind die Bandidos wie die Mafia? Alles Verbrecher, so wie es immer in der Zeitung steht? Die ersten zwei Jahre hatte ich immer wieder Produktionspartner, die mit einsteigen wollten, aber dann nicht dabeigeblieben sind. Die 5.9 Filmproduktion aus Hamm blieb dann mit mir bis zum Schluss übrig und investierte so wie ich sehr viel Zeit in die Dokumentation.
Die Schwierigkeiten bei der Entstehung von „Bandidos“
Sie geben mehrmals in der Dokumentation zu verstehen, dass selbige kurz vor dem Aus stand. Gab es einen Punkt, an dem Sie tatsächlich dachten, jetzt kann ich alle bisherige Arbeit in die Tonne kloppen?
Uwe Boll: Ich wusste immer, dass ich keine fertige Doku habe, solange ich nicht lange Interviews mit den Chefs und Mitgliedern der Bandidos bekommen würde. Erst Anfang 2024 wurden diese Interviews wahr. Hätten diese Interviews nicht stattgefunden, hätten wir uns das Zusammenschneiden sparen können.
Sie erwähnen auch die Schwierigkeiten in Sachen Finanzierung der Dokumentation.
Uwe Boll: Die Förderanstalt „Medienförderung RLP“ gab uns Unterstützung. Das war eine große positive Überraschung für mich und gab einen Motivationsschub, die Dokumentation weiterzubetreiben. Es waren ja nur 30.000 Euro, aber das ist für eine Doku schon eine wichtige Säule der Finanzierung.
Uwe Boll und die Bandidos
Wie kam es dazu, dass die Bandidos Sie überhaupt so nah an sich heranließen und wie lange mussten Sie darum kämpfen?
Uwe Boll: Wir waren bei Clubtreffen, Partys und zwei sogenannten World Runs mit Tausenden von Bandidos dabei. Ebenso bei einem Gerichtsprozess in Hagen (unter anderem gegen die beiden Gründungsmitglieder Peter Maczollek und Leslav Hause) – das schuf dann Vertrauen. Es dauerte zwei Jahre. Des Weiteren war ich mit circa zehn Club-Mitgliedern über WhatsApp verbunden und wir haben endlos am Telefon diskutiert.
Sie haben dreieinhalb Jahre an der Doku gedreht und sind den Bandidos-Mitgliedern sehr nahe gekommen. Was lässt die Mitglieder Ihrer Meinung nach trotz all der Repressalien durchhalten und die Flagge für ihren Club hochhalten?
Uwe Boll: Es ist ein Mix aus Alt-Rocker-Romantik und dem Gefühl von Stärke und Geborgenheit in einer Bruderschaft / einem Weltclub. Nach Jahren werden natürlich einige Mitglieder desillusioniert und haben immer weniger Bock, denn normale nicht kriminelle Mitglieder werden kriminalisiert, weil einige andere Clubmitglieder Verbrechen begehen.
Sie sagen selbst in der Dokumentation, dass die Bandidos keine Pfadfinder sind. Dennoch muss man bei der Art und Weise, wie gegen sie vorgegangen wird, häufiger hart schlucken. Was hat Sie am meisten erschrocken an den Schilderungen Ihrer Interviewpartner, was den Kampf gegen den Staat angeht?
Uwe Boll: Biker sind einfache Opfer. Man erkennt sie an Kutte, Maschine plus Clubhaus. Wenn die Polizei positive News braucht, wird eben eine Razzia gemacht und so getan, als ob man ein Verbrechernest ausgehoben habe. Am Schluss vieler Durchsuchungen stehen oft nur Lappalien in den Berichten, ganz nach dem Motto: „Wir haben eine Machete sichergestellt!“ Ein Witz.
Das Wirken nach „Bandidos“
Haben Sie nun Blut geleckt und werden weitere Dokumentationen auf den Weg bringen?
Uwe Boll: Erstmal nicht, denn diese Dokumentation hat mich mehr Arbeit gekostet als drei Spielfilme zusammengenommen. Daher bin ich erst einmal bedient, zumal ich ja auch nix verdient habe.
Hätten Sie Lust, den in der Dokumentation auch häufiger erwähnten Hollywood-Verwurstungen der Biker-Szene ein realistischeres Abbild in Form eines eigenen Filmes entgegenzusetzen?
Uwe Boll: Nein ….
Apropos: Was haben Sie aktuell in der Pipeline? Steht ein neuer Uwe-Boll-Film an?
Uwe Boll: Mein Film „First Shift“ ist ein Cop-Film, der in New York spielt und gerade sensationell bei Paramount+ und Showtime in den USA läuft. Hoffentlich auch bald in Deutschland. Und mein Film „Run“ mit Amanda Plummer kommt im nächsten Jahr raus. Außerdem drehe ich ab Ende Januar „Dark Knight“ in Zagreb.
Vielen Dank für das Gespräch!
……
Gedanken zu „Bandidos – Ein Leben zwischen Freiheit und Gesetz“
Uwe Boll setzt bei den Konsumenten seiner Dokumentation ein gewisses Grundinteresse an dem Motorrad- und Rockerclub „Bandidos“ voraus. Entsprechend unvermittelt steigt er auch ein. Eine Einordnung zu den präsentierten Personen und den zugrunde liegenden Ereignissen sowie zur Geschichte der Bandidos liefert Boll erst nach und nach. Und zwar mittels geradlinig und simpel umgesetzten Interviews, bei denen er vom Anwärter bis zum „Bandidos Europa Vize-Präsident“ Peter Maczollek verschiedenste Akteure zu Wort kommen lässt.
Unaufgeregt erlauben die Einblicke in die Werte, die Strukturen und das Funktionieren ihrer Vereinigung. Immer wieder wird die Gemeinschaft beschworen und die Freundschaft untereinander, die ans Familiäre grenze. Das, was die „Bandidos“ und andere Clubs immer wieder ins Gerede bringe, seien einzelne Irre, wie sie jeder Verein potentiell habe.
Mehrfach wird das im März 2017 verschärfte Vereinsgesetz angeprangert, das es den Bandidos und anderen Motorradclubs verbietet, Westen mit ihren offiziellen Emblemen offen in Deutschland zu tragen. Ein erstaunlicher Eingriff in die durch das Grundgesetz vorgegebenen Möglichkeiten zur freien Entfaltung des Einzelnen. Der Grund wird von einem BKA-Mitarbeiter diffus benannt: „Zahlreiche“ „Leute“ würden Angst verspüren, wenn sie „uniformierte“ Motorradfahrer sehen würden. Noch verquerer: Der Gesetzgeber hat es sich mit diesem Verbot selbst schwerer gemacht, Mitglieder von Motorradclubs überhaupt zu erkennen, zu überwachen oder gar zu verfolgen.
In diesen Momenten bringt einen Uwe Bolls Film zum Schlucken. Zumal wenn seine Haupt-Interviewpartner erklären, sie seien ohne jedwede Beweise teils mehrere Jahre weggesperrt worden. Ohne irgendwelche Vorstrafen zu haben oder jemals kriminell auffällig geworden zu sein. Die Mitgliedschaft bei den „Bandidos“ scheint jedwede Repressalie möglich zu machen.
Was Uwe Boll ein wenig verpasst, ist, Sachen einzuordnen. Erst gegen Ende hält er fest, dass die „Bandidos“ keine Pfadfinder seien. Und er stellt den zahlreichen Interviews „Pro-Bandidos“ eben auch nur den einen BKA-Mitarbeiter als „Contra-Bandidos“ gegenüber. Die Folge ist das Gefühl einer gewissen Einseitigkeit. Der man aber nach der Dokumentation auch kaum ein „Ja, aber…“ gegenüberstellen kann, ohne die Interviewten der Lüge zu bezichtigen.
Insgesamt passt das alles aber gut ins Werk des allgemein immer etwas unbequemen Filmemachers, der hier eben tatsächlich nur dokumentiert und nicht kommentiert. So ist man selbst gefordert, sich mit dem Thema ausführlicher auseinanderzusetzen. Mehrfach stellt man sich infolgedessen die Frage, ob eine Demokratie wie Deutschland (in keinem anderen Land sind etwa Bikerkluften mit entsprechenden Symbolen verboten!) Clubs wie die „Bandidos“ nicht aushalten können muss. Und inwiefern die häufiger von den Gesprächspartnern angedeutete Sippenhaft, in die alle Rocker wegen einiger weniger immer wieder genommen würden, eine Zierde für eine Demokratie darstellt.
Kurzum: Der Provokateur Uwe Boll hat mal wieder zugeschlagen. Dreieinhalb Jahre war er nah dran an den Bandidos. Führte mit ihnen Interviews auf Augenhöhe, begleitete sie auf Festivitäten, war im Gerichtssaal bei Urteilen dabei und stand aufgrund letzterer auch mehrfach vor dem Aus seiner Dokumentation.
Neben den Aufregerthemen, die den Zuschauer durchaus an der deutschen Demokratie zweifeln lassen, sind es aber vor allem die melancholischen Momente, die nachwirken. Etwa wenn neben den wichtigen „Bandidos“-Köpfen Peter Maczollek und Leslav Hause auch andere Biker sehr melancholisch über die Zukunft der Rocker- und Bikerclubs sinnieren und auf die aktuell stattfindenden Werteverschiebungen in den Vereinigungen hinweisen. Und wenn sie traurig zu Protokoll geben, dass der jahrzehntelang andauernde Kampf gegen das deutsche System sie ausgelaugt habe und ihnen in gewisser Weise auch den Spaß und der Szene die Leichtigkeit genommen habe. „Born to be Wild“ mit ordentlich Knüppeln in den Speichen, sozusagen.
Schaut den Trailer zu „Bandidos“
Die DVD / Blu-ray zur Dokumentation erscheint am 12. Dezember 2024 von Dolphin Medien. Ungeschnitten und mit einer Freigabe ab 16. Streamen könnt ihr den Film natürlich ebenfalls.
In diesem Sinne:
freeman
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