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Caltiki – Rätsel des Grauens

Originaltitel: Caltiki – I mostro immortale__Herstellungsland: Italien / USA__Erscheinungsjahr: 1959__Regie: Riccardo Freda, Mario Bava__Darsteller: John Merivale, Didi Perego, Gérard Herter, Daniela Rocca, Giacomo Rossi Stuart, Daniele Vargas, Vittorio André, Black Bernard, Blake Bernard, Arturo Dominici u.a.

Caltiki - Rätsel des Grauens Banner

Caltiki - Rätsel des Grauens

„Caltiki – Rätsel des Grauens“ erscheint als Nr. 80 der „Limited Collector’s Edition“-Reihe.

Dass diese – nach „Der Vampir von Notre Dame“ (1957) – bereits zweite Regie-Kollaboration von Riccardo Freda und Mario Bava sich anfühlt wie eine alternative Fassung des amerikanischen „Blob“ (1958), ist mit Blick auf die Produktionsdaten beider Filme nicht allzu überraschend. Auch Parallelen zum britischen SciFi-Thriller „Schock“ (1955) hat man in Form wissenschaftlicher Neugier und militärischer Angriffslust schnell gezogen. Blitz und Donner der Hammer Studios sind ohnehin bereits heraufbeschwört, sobald der ausbrechende Vulkan die Pre-Title-Credits mit einem Feuerwerk begleitet. Die italienische Filmszene ist somit treffend im Spannungsfeld zwischen Scary Movies aus der Hollywood-Schmiede und britischem SciFi- und Gothic-Horror eingeordnet.

Heute ist „Caltiki – Rätsel des Grauens“ vor allem der Film, mit dem Bava, eigentlich noch Kameramann, seinen Fuß in die Tür bekam, um sie bereits ein Jahr später als eigenständiger Regisseur des Gothic-Klassikers „Die Stunde, wenn Dracula kommt“ weit aufzureißen. Noch aber ist seine Identität nicht ausgeformt. Die Handschrift verschwimmt in der gleichermaßen formlosen Bedrohung, dem Titelmonster, einem bakteriellen Klumpen aus dem Maya-Tümpel, verehrt als Gottheit und seziert als biologische Masse. Nicht einmal die Filmgeschichte ist sich sicher, wem sie den Credit für die Inszenierung des Ungetüms zuschreiben soll, das seine Opfer weniger frisst als vielmehr assimiliert.

Wenn man den späteren Bava wiedererkennt, dann wohl am ehesten in den kompromisslosen Spezialeffekten, die für anno ’59 bisweilen überaus drastisch geraten. Totenköpfe, die unter gelatiniertem Gewebe grinsen, faltige Putzlappen, die umschlungene Unterarme nur noch skelettiert freigeben… Derartige Anblicke war man vielleicht in den 80ern durch Remakes wie „Der Blob“ (1988) und „Das Ding aus einer anderen Welt“ (1982) gewohnt, wohl kaum jedoch zur Zeit der Originale. Unzählige Miniaturbauten, in denen pulsierendes Gewebe sich anschickt, von der Inneneinrichtung bis zur guatemaltekischen Wildnis Kulissen jeglicher Größenordnung zu Kleinholz zu verarbeiten, geraten zum Spielplatz für das wilde Austesten von Spezialeffekten.

Wenn man „Caltiki – Rätsel des Grauens“ auf eine Eigenschaft reduzieren möchte, so ist es seine Fähigkeit, unterschiedlichste Perspektiven auf Existenzielles wie ein Saugschwamm zu sammeln, um es dann zu einer Masse zu verschmelzen. Scheinbar mühelos werden mythologische Komponenten mit SciFi-Futurismus verknüpft, Brücken geschlagen zwischen Genres, die sonst oft den Anschein der Autarkie aufrechtzuerhalten versuchen.

Bereits in den ersten Minuten wird man von waghalsigen Bildcollagen übermannt, die kulturelle Relikte, ausbrechende Vulkane und die Unendlichkeit des Himmels zeitgleich einfangen, so als wolle man dem Betrachter andeuten, dass im Grunde alle Unterarten des phantastischen Films dem gleichen Urschlamm angehören. Mathematik und Astronomie, Geologie, Naturwissenschaften, Ursprung und Zivilisation sind in Windeseile auf einen Nenner gebracht. Obwohl in Schwarzweiß gedreht, kann man die Farbkontraste, die man von Bavas späteren Arbeiten kennt, regelrecht entflammen sehen: Das saftige Grün des Dschungels, das tiefe Blau des Himmels, loderndes Orangegelb vom Feuer und zinnoberrote Bauwerke von Menschenhand, nun also püriert zu einem Strudel von Graustufen.

Menschliches Drama bleibt bei alldem natürlich keineswegs außen vor. Die Leinwandpaarungen sind von gezielt disharmonischer Qualität, Konflikte somit vorprogrammiert. Liebe, Schuld, Abhängigkeit und Niedertracht sorgen für ein hitziges Klima, menschliche Faktoren wie Neugier, Gier, Begierde, Aberglaube und die Angst vor dem Unbekannten setzen die Parameter für den Wachstum des Monsters, das als verknoteter Wischmop im handlichen Shar-Pei-Format fast niedlich wirken kann, als ausgewachsener Pizzafladen jedoch einmal mehr den Reaktionismus in Form militärischer Feuerkraft provoziert. Einige der Darsteller, wie John Merivale oder Didi Sullivan, schmiegen sich in die Aura von Heldenfiguren klassischer Science Fiction, andere wiederum, wie der deutsche Schauspieler Gérard Haerter, verkörpern diabolische Kantigkeit, und wieder andere, wie Daniela Rocca, stehen für etwas Exotisches, das der alles zersetzenden Entität auf der Gegenseite unter Farnen und Gestrüpp etwas Heterogenes entgegensetzt. Das hinter dem Terror lauernde Melodram fühlt sich sogar manchmal eher nach einem mexikanischen B-Western an als nach dem Übernatürlichen.

Gleichwohl fehlt den Akteuren sichtbar die Führung und den einzelnen Abschnitten der Handlung die logische Verknüpfung. Dass die Produktion einen Wechsel auf dem Regieposten zu verkraften hatte, kann sie nicht völlig verbergen; der wilde Stilmix aus Dschungel-Abenteuer, Science Fiction und Monster-Horror, der zunächst etwas Absichtsvolles verströmt, zerfasert schließlich in eine willkürliche Abfolge von Aktion und Reaktion, die es gar nicht erst erlaubt, einen sauberen dramaturgischen Bogen zu spannen. Obwohl die 80-Minuten-Marke nie überschritten wird, gerät das Treiben dadurch gelegentlich etwas zäh. An den Grundierungen des Genre-Kinos wird nicht gespart, aufgerissene Augen und dramatische Wendungen gibt es zuhauf, aber es fehlt die feinmotorische Entwicklung der Charaktere, die dazu hätte beitragen können, die Handlung in einen Rahmen zu fassen.

Also bastelt Bava weiter an seinen Trickeffekt-Schaukästen, um die Sensationslust des Zuschauers anderweitig zu befriedigen. Für ein breites Publikum ist „Caltiki – Rätsel des Grauens“ wohl ohnehin zu nah an den Rändern des kosmischen Horrors Lovecrafts gebaut, lässt sich dieser Blob doch anders als sein Namensvetter keineswegs so einfach zu einer Allegorie auf zeitgleich tobende gesellschaftliche Konflikte verarbeiten – dazu bleibt die italienische Produktion zu universell, was die Themen angeht, und zu spezifisch bezüglich seiner kommerziellen Absichten. Das Ergebnis ist im klassischen Sinne kein guter Film, wenn man das Gesamtbild betrachtet. Die Miniaturlandschaften, in denen gegen jede Vernunft Gott, Natur, Außerirdisches und Wissenschaft Platz finden, üben jedoch bis heute einen seltsamen Reiz aus, wie man ihn in Mario Bavas Spätwerk noch öfter spüren würde. Selbst wenn sein Beitrag als Regisseur noch vergleichsweise gering gewesen sein sollte: Die DNA ist bereits ausgestreut.

Gute:
05 von 10

Informationen zur Veröffentlichung von „Caltiki – Rätsel des Grauens“

Limited Collector’s Edition #80

„Caltiki – Il mostro immortale“. Caltiki – Das unsterbliche Monster. Tatsächlich ist die gefräßige Riesenamöbe nicht so einfach totzukriegen. Da sind wir nun, 66 Jahre später, und sprechen über einen Film, der zu den ersten Schritten einer der größten italienischen Genre-Koryphäen überhaupt gehört: Mario Bava.

Trotzdem schlummerte der Italo-Blob viele Jahre dieser Zeitspanne im Dornröschenschlaf. In Frankreich, den USA, nicht zuletzt natürlich in Italien und auch in manch anderem Land erschien in den 200er Jahren hier und da mal eine DVD; in Deutschland hingegen wollte seit der – damals auch noch gekürzten – Kinoaufführung einfach nichts geschehen, so dass im Laufe der Zeit sogar die Kinosynchronisation zu einem verschollenen Artefakt wurde.

2017 wagte sich dann Arrow Video in Großbritannien an eine gut ausgestattete Blu-ray-Veröffentlichung, die allerhand zu bieten hatte: Den Hauptfilm mit italienischem und englischem Ton und zwei Audiokommentaren, einer Bonus-Fassung, neu produzierten sowie aus dem Archiv geborgenen Featurettes, einem Booklet mit etlichen Essays und sogar einem Fotocomic auf BD-Rom bzw. DVD-Rom, alles in einer schick aufgemachten Dual-Format-Edition mit frischem Artwork.

Die deutsche Blu-ray-Premiere von Wicked Vision orientiert sich hauptsächlich an der Arrow-Disc, verarbeitet aber zusätzlich Material der italienischen DVD und steuert darüber hinaus außerdem noch Exklusives bei, so dass die Auszeichnung als derzeit beste weltweite Edition erneut in Reichweite ist.

Fotoroman

Endlich auch in Deutschland: Caltiki – Rätsel des Grauens. Deko nicht enthalten.

Die Verpackung

Eine durch und durch klassische Linie fährt die Veröffentlichungsstrategie. Zur runden Nr. 80 in der „Limited Collector’s Edition“-Reihe gibt es mal wieder drei Mediabook-Cover zur Auswahl. Alle Ausgaben kommen wie zumeist mit einem Deckblatt, das die Last des dicken FSK-Siegels trägt, auf dass das Mediabook-Motiv frei atmen möge. Ein Schelm übrigens, wer bei der Bubblegum-Kolorierung der schreienden Dame auf Cover A an den „Blob“ denkt. Das ansonsten mit Akzenten in Türkis und dem gelben Blubbertitel ausgestattete Artwork, das dem deutschen Kinoplakat entspricht, gibt sich auch sonst sehr farbenfroh, hat aber trotzdem ein Herz für Schwarzweiß-Ästhetik, wie die obere rechte Ecke beweist. Die Collage als solche gehört vielleicht nicht zu den hübschesten, bei den Farbkompositionen kann man aber gerade jetzt im Hochsommer glatt Lust bekommen auf verrückte Eiskombinationen der Marke Himbeer-Pfefferminz-Stracciatella… dabei soll es zum Kinostart am 6. Mai eher Temperaturen im 20-Grad-Bereich gegeben haben.

Cover B, das allem Anschein nach für den US-Markt verwendet wurde, ist gewissermaßen eine wilde Hommage an das große Monster-Kino um Urzeit-Dinosaurier, Seeschlangen und Riesenkraken, schmiegt sich das Ungetüm doch gleich an eine ganze Stadt und umarmt mit seinen Patscheklumpen ganze Hochhäuser, während die Army von vorne ihre Feuerkraft walten lässt. Im Hintergrund stapeln sich die Maya-Artefakte, die Damsel in Distress darf über dem Titelschriftzug natürlich auch nicht fehlen, der übrigens auf dieser Edition anders als Cover A den englischen Zusatztitel „The Immortal Monster“ trägt. Überaus gelungen sind auf diesem Artwork vor allem die Farbverläufe von Beige über Gelb zu Orange. Einige Palmwedel des Motivs ragen sogar noch in den Spine hinein, was im Filmregal ziemlich schick aussieht – da muss man nicht erst die Packung aus dem Regal ziehen, um Lust auf einen exotischen Monsterfilm zu bekommen.

Ein C-Cover gibt es auch noch. Nur logisch, dass es auf dem italienischen Kinoplakat basiert. Mit seinen grob aufgeteilten Grün-, Rot- und Beige-Flächen ähnelt es ein wenig der A-Variante, nur dass die Farben hier für eine andere Stimmung sorgen. Didi Sullivan und Gérard Haerter wurde die Ehre zuteil, neben einer Maya-Statue verewigt zu werden. Das Monster ist lediglich als weiße, ausgeschnittene Silhouette zu erahnen, die aufgrund der klumpigen Beine fast ein wenig an „Tarantula“ denken lässt. Dem „Rätsel“ aus dem deutschen Titel wird damit jedenfalls entsprochen.

Das Booklet

Ein weiteres Motiv, ebenfalls mit Monster-Silhouette und etlichen kreischenden Damen, ziert das Booklet, dessen Inneres nach längerer Zeit mal wieder im klassischen Wicked-Vision-Beige gehalten ist, wie es früher öfter mal zur Anwendung kam. Die Silhouette lebt hier übrigens weiter als putziges schwarzes Seitenzahlen-Icon am unteren Seitenrand.

Bevor der Hauptautor loslegen darf, meldet sich zunächst einmal der Chef persönlich. Daniel Perée, Inhaber von Wicked Vision, setzt auf den ersten sieben Seiten zunächst einmal zu einem Vorwort an, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Die eingangs angedeutete Veröffentlichungsgeschichte des Films wird hier aus Insider-Perspektive noch einmal aufgerollt. Dem Label dient diese Einleitung dazu, die Erwartungshaltung des Käufers richtig einzupegeln, darüber hinaus ist es aber einfach spannend zu lesen, wie sich Filmprojekte nach Fertigstellung manchmal verselbstständigen… und dass es alles andere als selbstverständlich ist, wenn sämtliches Material gut erhalten vorliegt.

Es übernimmt schließlich Stammkraft Christoph N. Kellerbach. Wer einige seiner Texte zu vorangegangenen Veröffentlichungen bereits gelesen hat, weiß, dass er gerne weit ausholt, um schließlich bei der Produktion des präsentierten Films zu landen. Was muss er wohl gedacht haben, als man ihn bat, einen Film mit Maya-Bezug einzuordnen? Chef, ein Booklet reicht nicht, wir brauchen eine Enzyklopädie! Tatsächlich gelingt es ihm aber, alles Relevante in den folgenden 14 Seiten unterzubringen. Da werden die Jump Cuts von uralten Zivilisationen über die Zeit nach WWII bis zum Drehzeitpunkt einfach ein bisschen großzügiger gesetzt.

Zum Nachzeichnen der Wege Mario Bavas und Riccardo Fredas hin zum geteilten Regiestuhl für „Caltiki“ reicht es allemal. Der Abschnitt über die Dreharbeiten macht einige von Bavas Künsten als Tricktechniker sichtbar (und „riechbar“, wenn man von Statisten liest, die das Monster unter kiloweise Tiermägen zum Leben erweckten), indes sein Weg zur Übernahme der Regie geschildert wird. Abgeschlossen wird mit einigen Quervergleichen zu ähnlichen Vertretern und einem Ausblick auf Bavas späteren Weg. Auf den nachfolgenden Seiten darf man sich noch durch eine Galerie aus schwarzweißen Aushangfotos blättern, und bevor die Credits anstehen, gibt es noch zwei Info-Seiten zur Neusynchronisation und zur Restauration – zwei Aspekte, die uns bei der folgenden Betrachtung der Präsentation des Hauptfilms beschäftigen werden.

Das Bild: Hauptfassung

So bestätigt das Booklet, dass das Bild auf dem 2017 für Arrow angefertigten Transfer basiert, der damals nicht vom Original-Kameranegativ angefertigt wurde, das verloren gegangen war, sondern von einem 35mm-Duplikat. Dieses wurde in 2K abgescannt und von Verschmutzungen befreit; auch Anpassungen der schwankenden Helligkeit waren nötig. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen: Von Schmutzpartikeln und Artefakten ist nicht mehr viel zu sehen, auch bei Szenenwechseln wirkt alles stabil und konsistent. Das Korn ist sehr fein aufgelöst. Der Schwarzwert erreicht zwar selten die allertiefsten Werte, der Kontrast ist dennoch stark genug ausgeprägt, dass eine spürbare Dynamik ins Schattenspiel eingearbeitet ist, was für ein plastisches, greifbares Sehvergnügen entsorgt. Die Miniaturbauten sind dadurch zwar noch schneller als ohnehin entlarvt, aber dafür ist man sehr nah dran an den kreativ gestalteten Trickeffekten und stimmungsvollen Kulissen.

Das Bild: Geöffnete Bildfassung

Während die Hauptfassung auf 1,66:1 maskiert ist, findet man im Bonusmaterial außerdem noch eine „Geöffnete Bildfassung“ vor, die auf der Arrow-Blu-ray noch „Full Aperture Version“ genannt wurde, das heißt, es handelt sich um eine Fassung, die nach oben und unten hin mit maximal geöffneter Blende dargestellt ist, so dass sämtliche Bildinformationen enthalten sind. Die Ecken sind dabei leicht abgerundet. Da sich diese Fassung inhaltlich nicht von der Hauptfassung unterscheidet, hat man sämtliche Audio- und Untertiteloptionen derselben zur Verfügung, die man per Fernbedienung nach Wunsch einstellen kann. Die Bonus-Fassung ist übrigens das einzige Extra, das ausschließlich auf der Blu-ray zu finden ist; alle anderen Extras finden sich auch auf der DVD.

Der Ton

Wie im Vorwort des Booklets bereits angeklungen, lief „Caltiki – Rätsel des Grauens“ Anfang der 60er zwar mit deutscher Synchronisation im Kino, doch fehlen Hinweise auf eine VHS-Veröffentlichung oder mögliche TV-Ausstrahlungen. Und weil es die Studios mit der Lagerung der Materialien nicht immer so genau nahmen, gilt die Synchronisation aufgrund der nicht vorhandenen Verbreitung des Films nun als verschollen.

So ganz ohne deutschen Ton wollte man die Disc aber nicht auf den Markt bringen, daher beauftragte Wicked Visison eine neue Synchronisation unter Leitung von Bodo Traber. Diese ist als Retro-Fassung angelegt, das heißt, sämtliche Toneigenschaften entsprechen denen einer Produktion aus dem Entstehungsjahr, was für ein authentisches Hörerlebnis hört. Es ist nicht die erste Synchronisation dieser Art für das Label, unter anderem profitierte die Jean-Rollin-Reihe stark von diesem Vorgehen. Dass es sich um eine Replika handelt, hört man natürlich alleine anhand der aus Gegenwartsfilmen bekannten Stimmen schnell heraus, davon abgesehen gelingt die Illusion aber und geht in einem druckvollen Mono-Track auf, der klingt wie eine besonders gut erhaltene Tonspur seiner Zeit.

Allenfalls die fehlende Variation im Vergleich zu früheren Synchronisationen trübt das Hörvergnügen ein wenig; einen Bernd Vollbrecht oder eine Sabine Jäger hat man eben schon sehr oft in vergleichbarem Kontext gehört. Und wenn ein kleines Mädchen mit einer offensichtlich erwachsenen Sprecherin besetzt wird, weiß man, dass es in der Breite auch ein wenig eng wird. Dennoch bereichert die Neusynchro die Edition ungemein und korrigiert so die Versäumnisse des Studios.

Der englischen Synchronisation ging es übrigens nicht anders, auch sie ging im Original verloren, konnte aber zumindest aus etlichen Quellen zu einer Frankenstein-Kreatur aus qualitativ unterschiedlichen Teilen zusammengesetzt werden. Da knistert es dann je nach Sequenz auch mal ein wenig im Hintergrund. Gemessen an den Umständen lässt sich aber auch diese Tonspur ohne größere Störfaktoren anhören.

Das eigentliche Original ist ohnehin die italienische Fassung, die natürlich ebenfalls mit an Bord ist. Qualitativ ist das sicherlich die beste Wahl, verströmt sie doch die höchste Authentizität, wenn sie auch selbst nicht ohne Dubbing auskommt, und bietet die organischste Abmischung. Da deutsche und sogar englische Untertitel mit an Bord sind, steht dem Versuch auch nichts im Wege.

Wer sich einen Spaß daraus machen will, am Filmabend mit den Mitschauern spontan eine eigene Synchronisation zu improvisieren, kann sogar noch auf den reinen Music&Effects-Track zurückgreifen. Schreie und Hintergrundgeräusche während der Musikpassagen sind dabei immer noch zu hören, aber Dialogszenen laufen stumm ab.

Die Audiokommentare

Damit alleine sind wir schon bei vier Tonspuren, das ist aber erst die halbe Wahrheit – es gibt nämlich noch einmal ebenso viele Audiokommentare. Die beiden englischsprachigen Kommentare entsprechen jenen der Arrow-Disc. Tim Lucas kann man wohl als Bava-Experten bezeichnen, der Kritiker, Biograf und ehemalige Betreiber von „Video Watchdog“ ist schließlich Autor des 1100-Seiten-Wälzers „All the Colors of the Dark“, eine über Jahrzehnte entstandene Biografie über Bava, an der sich unter anderem Kaliber wie Scorsese, Dante und del Toro beteiligt haben und zu deren Bewunderern sich auch ein Tarantino zählt. Lucas legt auch gleich los und hat bereits etliche Fakten geliefert, bevor er sich überhaupt vorstellt. Der narrativ-nüchterne Erzählfluss des Sprechers mag manchem Zuhörer ein wenig zu trocken sein, er bleibt aber immer nah am Film und liefert sehr gut analysierte Fakten in einer einfach verständlichen Sprache, die auch als Voice-Over für eine Dokumentation herhalten könnte.

Auch Troy Howarth kennt sich ziemlich gut mit europäischem Genre-Kino aus. Sein Kommentar steht dem von Lucas kaum in etwas nach. Er löst sich etwas öfter von den eingeblendeten Szenen als sein Kollege, nimmt sich für Schlüsselmomente wie die Unterwassersequenzen aber viel Zeit für detaillierte On-Screen-Analyse, ohne dabei zu vergessen, den Zuhörer mit Hintergrundinformationen zu versorgen, was die Biografien der Beteiligten und ihre besonderen Fähigkeiten angeht.

Ein paar Alleinstellungsmerkmale müssen aber auch sein, deswegen wird mit zwei deutschen Kommentaren ordentlich Scheite nachgelegt. Einer entstand in einer eher raren Runde bestehend aus Jörg Buttgereit, Matthias Künnecke und Gerhard Midding. Die Stimmfärbung des Letzteren erinnert ein wenig an Dr. Gerd Naumann, und er nimmt auch so ein wenig dessen moderierende Funktion, indem er oft aus dem Nichts den Scheinwerfer auf neue Themen lenkt.

Dabei geht er allerdings noch etwas lebhafter vor. Da gerade Buttgereit auch nicht gerade einer der ruhigen Sorte ist und Künnecke ohnehin mit Begeisterung bei jedem Thema dabei ist, kommt es zu einem hochgradig dynamischen Austausch, bei dem sich die Teilnehmer teilweise fast schon ins Wort fallen müssen, um auch mal etwas sagen zu können. Es ist jedenfalls lebhaft wie auf einem geselligen Filmabend mit den eigenen Kumpels. Inhaltlich geht’s so ein bisschen in die Richtung „Mr. Bava, wie haben Sie das gemacht?“, begünstigt durch ein ausgeprägtes Interesse an den Effekten und deren Umsetzung.

Und vielleicht hätte ich mir die letzten drei Absätze einfach sparen können, denn im gemeinsamen Kommentar von Jörg Kopetz und Daniel Perée von Wicked Vision werden die Vorzüge aller vorherigen Kommentare als Einleitung noch einmal kurz und bündig zusammengefasst. Warum sie es für nötig hielten, trotzdem noch einen vierten aufzunehmen? Nun, tatsächlich geht es hier nicht um Content um des Contents willen, sondern vielmehr um die diffusen Lovecraft-Andeutungen, die über diesem Film und seiner Rezeption schweben.

Wer sich ein wenig mit der Label-Historie auskennt, weiß, dass es hier eine ausgeprägte Lovecraft-Affinität gibt. Also dachte man sich: Warum nicht einmal konkret die Lovecraft-Bezüge herausarbeiten? Wenn man sich für die Thematik interessiert, lohnt sich dieser Kommentar also ganz besonders, zumal hier teilweise Parallelen ausgearbeitet werden, die nicht direkt offensichtlich sind, aber doch äußerst schlüssig; wie die Found-Footage-Sequenz, durchaus eine Innovation zu jener Zeit, die mit der Tendenz zur indirekten Ich-Erzählform des Autoren anhand von Briefen oder anderen Dokumenten verknüpft wird. Zwischenzeitlich geht es aber auch mal um andere Themen, wie die neu erstellte Synchronisation.

Die Extras

Die Video-Extras werden eingeleitet mit einem gerade mal 20-sekündigen Vorwort von Stefano Della Casa, das für die italienische DVD von 2007 aufgenommen wurde. Der italienische Komponist ist außerdem der Sprecher einer 20-minütigen Featurette über „Caltiki“, das italienische Genre-Kino und Riccardo Freds. Dass er dabei von Nicholsons/Arkoffs „AIP“ über spanischen Schmuddelhorror und japanische Kaiju bis zur deutschen Edgar-Wallace-Welle alle möglichen Einflüsse in den Topf wirft, passt sehr gut zu dem vor Einflüssen zerberstenden Betrachtungsgegenstand. In der zweiten Hälfte konzentriert sich der Inhalt zunehmend aus persönlich gemachte Erfahrungen mit Freda, an dessen Beerdigung im Jahr 1999 anscheinend nur der Sprecher und einige wenige weitere Menschen teilgenommen hatten, was den persönlichen Bezug zum Regisseur sehr deutlich macht.

Fotoroman

Von links nach rechts: Stefano Della Casa, Kim Newman, Luigi Cozzi.

Die Anekdoten Della Casas enden recht traurig, doch dafür kann einem das Herz aufgehen darüber, dass ein deutsches Publikum nun auch endlich mal in den Genuss Kim Newmans kommt. Der britische Filmkritiker ist seit Jahren Stammgast auf unzähligen Veröffentlichungen britischer Labels, nicht zuletzt auch Arrow, von denen auch die Featurette „From Quatermass to Caltiki“ stammt. Newman ist immer mit einer so herrlich nerdigen Leidenschaft für das Genre-Kino am Start, dass man seinen Ausführungen stundenlang zuhören könnte. Hier wühlt er nun alles auf, was irgendwie für die Entstehung von „Caltiki“ relevant gewesen sein könnte und lässt die Assoziationen sprießen wie Äste während des großen Frühlingserwachens, ausgehend eben von Filmen wie „Schock“ oder auch „Das Ding aus einer anderen Welt“, die ihren eigenen Stil durchgesetzt und damit Maßstäbe gesetzt haben.

Auch Luigi Cozzi, bekannt vor allem für sein Sandalen-Abenteuer „Hercules“ mit Lou Ferrigno, kommt noch einmal zu Wort. In „The Genesis of Caltiki“, wie Della Casas Beitrag 2007 für die italienische DVD gedreht, geht er noch etwas direkter auf die Entstehung des Films im Sinne einer Produktionshistorie und speziell auf die Arbeitsteilung am Set ein. Letztlich überschneiden sich die von ihm angeschnittenen Aspekte aber auch mit den Vorrednern, nur dass er gefühlt näher am Film bleibt und weniger auf die Personen hinter der Kamera oder die Genre-Einbettung eingeht, auch wenn beides bei ihm ebenso geschieht.

Zum Ausklang folgt noch der US-Trailer und der US-Vorspann, gefolgt vom „Trailer from Hell“, in dem Regisseur und Kameramann Ernest Dickerson sich mit Ehrfurcht und Ekel über die Effekte des Films äußert und nebenbei in den knapp drei Minuten einige Trivia zum Film einstreut.

Als Rausschmeißer dient eine rund 12-minütige, mit dem Soundtrack unterlegte Bildergalerie, die einen ganzen Haufen Alternativposter, Aushangfotos und nicht zuletzt auch den Fotocomic der Arrow-Edition an Bord hat.

Separat erhältlich: Fotocomic und Cthulhu-Traktat

Fotoroman

Als Ergänzung zum Mediabook erhältlich: Der Fotoroman, inklusive Cthulhu-Essay von Jörg Kopetz.

Wem dieser Comic übrigens in digitaler Form nicht ausreicht, der hat sogar die Möglichkeit, ihn im Magazin-Format beim Wicked-Vision-Onlineshop zu bestellen. Das Heft ist 84 Seiten stark, wobei 58 Seiten auf den Foto-Comic fallen, der anhand von Screenshots kombiniert mit Sprechblasen und Off-Kommentarfeldern, hier in deutscher Übersetzung, erzählt wird. Weitere drei Seiten fallen auf Filmplakate und deutsche Aushangfotos. Dreht man das Heft nun einmal auf den Kopf und beginnt von der Rückseite aus zu lesen, bekommt man zusätzlich noch ein „cthuloides Traktat“ von Jörg Kopetz obendrauf, ganz einfach, weil es über „Caltiki – Rätsel des Grauens“ mehr zu erzählen gibt als ein Mediabook-Booklet fassen kann. Dieser Text eignet sich hervorragend als Ergänzungslektüre zum Kopetz-Perée-Audiokommentar. Während die bereits im Juli 2024 veröffentlichten Mediabooks bereits inzwischen ausverkauft sind, gibt es das Heft zum Entstehungszeitpunkt dieser Zeilen noch im Shop zu erwerben.

Neuauflage im Scanavo Case

Aber auch wer das Mediabook verpasst hat, muss sich nicht grämen, hat Wicked Vision doch „Caltiki – Rätsel des Grauens“ inzwischen im Scanavo Keep Case neu aufgelegt. Auch hier handelt es sich um eine Dual-Format-Ausgabe mit Blu-ray und DVD. Verzichten müssen Spätkäufer also nur auf das Booklet der Mediabook-Auflage. Dafür liegt der Preis selbst im Bundle mit dem Fotoroman deutlich unter dem des Mediabooks. Als Cover dient diesmal übrigens das Motiv, das in der Erstauflage auf dem Cover des Booklets genutzt wurde. Und der Vorteil eines Scanavo Case ist es eben, dass man dank Wendemöglichkeit zwei Cover-Motive anstatt nur eins bekommt – in diesem Fall fiel die Wahl auf das im Abverkauf begehrte Cover B der Erstauflage.

Leer geht also keiner aus… so wie es sein sollte, wenn ein Film über so viele Jahrzehnte sträflich vernachlässigt wurde. Wenn die Umsetzung dann auch noch so üppig und qualitativ hochwertig ausfällt, gibt es eigentlich keine Ausreden mehr, sich diese Wiederentdeckung entgehen zu lassen.

Sascha Ganser (Vince)

Bildergalerie zu „Caltiki – Rätsel des Grauens“

Caltiki - Rätsel des Grauens

Na, wer wird denn da gleich in die Luft gehen?

Caltiki - Rätsel des Grauens

Wüssten die Herrschaften, was unter der Wasseroberfläche lauert, würden sie ein wenig Sicherheitsabstand nehmen.

Caltiki - Rätsel des Grauens

Maya-Götter mit karibischen Tänzen beschwichtigen? Einen Versuch ist es wert.

Caltiki - Rätsel des Grauens

Neben jedem guten Schatz ruhen alte Knochen.

Caltiki - Rätsel des Grauens

Also Caltiki! Warum hast du die Augen wieder nicht mitgegessen? Na gut, dann gibt’s auch keinen Nachtisch!

Caltiki - Rätsel des Grauens

Spielt die zweite Filmhälfte herrlich eingeschnappt: Gérard Herter.

Caltiki - Rätsel des Grauens

Die Putzfrau hat den Lappen schon wieder nicht ausgewrungen.

Caltiki - Rätsel des Grauens

Honeey! I’m Hooome!

Sascha Ganser (Vince)

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