Originaltitel: Krazy House__Herstellungsland: Niederlande__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: Steffen Haars, Flip van der Kuil__Darsteller: Nick Frost, Alicia Silverstone, Gaite Jansen, Kevin Connolly, Jan Bijvoet, Walt Klink, Jacob Derwig, Chris Peters, Victoria Koblenko, Matti Stooker, Lolu Ajayi, Greg Shapiro, John Jones, Olly u.a. |

Das Poster von „Krazy House“.
Honey, I’m Home!
Als Bernie (Nick Frost, „Slaughterhouse Rulez„) die Bühne betritt und warm vom Dosenpublikum empfangen wird, öffnet er nicht nur eine handelsübliche Haustür, sondern ein Portal in eine Dimension aus einem anderen Jahrtausend. „Kra! Zy! House!“, schleudert der Theme Song seinen Wiedererkennungswert in schmissiger Vertrautheit heraus, während der Full-House-Gedächtnistitel in poppigen Seinfeld-Lettern eingeblendet wird. Versteht sich von selbst, dass das wandelnde „Fat Comic Relief“ aus der Fred-Feuerstein-, Homer-Simpson-, Earl Sinclair- und Peter-Griffin-Erblinie auch „eine schrecklich nette Familie“ im Rücken hat, wie man nicht nur an seiner liebreizenden Frau-Sohn-Tochter-Hund-Musterfamilie ablesen kann, sondern auch am Wohnzimmerschnitt mitsamt der Ausstattung (noch einmal… diese Haustür! Hach!).
Bernie stammt zwar nicht aus der privilegierten Oberschicht wie Bill Cosby, hat aber dessen Gutmenschentum mit den Löffeln gefressen. Seine Hobbies sind Heimorgel spielen, Ugly Sweaters mit religiösen Motiven stricken und aus Versehen Sachen kaputtmachen. Wo Steve Urkel „War ich das etwa?“ stammeln würde, da warten wir bei Bernie freudig auf seine Tagline „Oh Gott! Was für ein Chaos!“. Und dann klopfen die Russen an die Haustür und bieten ihre Tim-Taylor-Heimwerkerdienste an. Hat da etwa jemand die 18. Folge der 5. Staffel „King of Queens“ gesehen?
Steffen Haars und Flip van der Kuil offenbar schon. Die Macher der niederländischen Kultserie „New Kids“ fackeln nicht lange und borgen sich einfach das komplette Skript ihrer mutmaßlichen Doug-und-Carrie-Lieblingsfolge, um sie zum Grundgerüst ihrer eigenen Sitcom zu erklären. Und während man in Echtzeit dabei zusieht, wie das traute Familienheim von den zwielichtigen Eindringlingen langsam in seine Bestandteile zerlegt wird, weicht die Mattscheiben-Idylle den aggressiven Horrorvisionen aus der ganz und gar unchristlichen Rob-Zombie-Ecke.
Fast wie in den 90ern: Schöne heile Welt
„Krazy House“ ist authentisches Revival einer Form der TV-Unterhaltung, die mit den 90er Jahren unwiederbringlich verschütt gegangen ist, sowie gleichzeitig ihre Neuzusammensetzung als parodistischer Akt. In den ersten Minuten kann man die Familie Christian von ihren offensichtlichen Vorbildern, die ihrerseits immer schon haarscharf an einer Persiflage des Bürgertums vorbeischrammten anstatt sie nur zu spiegeln, kaum unterscheiden, insbesondere, wenn wir von den patriarchal geprägten Vorabendserien sprechen, in denen der Hausherr sämtliche Entscheidungen für die Familie traf und dabei gerne auch so manches Chaos anrichtete. In der Montage der Opening Credits, der Ausstattung der Kulisse und der Optik sowie dem Schnitt des klassischen Multi-Angle-Kamerasystems darf den Machern eine gute Beobachtungsgabe attestiert werden; das sieht tatsächlich alles aus wie die Produktionen der frühen 90er Jahre.
Zwar versanden selbst in der heiteren Auftaktphase etliche Gags als Rohrkrepierer, doch man sollte nicht vergessen, dass selbst einige der späteren Klassiker nur langsam in die Gänge kamen und neben den Gagschreibern am Ende auch immer den Vertrautheitseffekt brauchten, um erfolgreich zu sein. Auftaktepisoden, zu denen „Krazy House“ ja im weiteren Sinne gehört, gingen noch selten als Sternstunde in die TV-Unterhaltung ein. Darüber hinaus soll es ja eigentlich gar nicht witzig, sondern bizarr werden. Ein völlig aus dem Kontext gerissener Schwarzweißprolog um eine Nonne, ein Baby und einen schießenden Polizisten signalisiert frühzeitig, dass man nicht in der Heile-Welt-Blase zu bleiben gedenkt.
Immerhin, Nick Frost verspricht auf Anhieb in seiner Rolle aufzugehen. Bernie passt im Grunde genommen perfekt ins Portfolio des Briten, und wäre dies eine echte Sitcom, würde man wohl darauf hoffen, seinen alten Weggefährten aus „Spaced“-Tagen, Simon Pegg, als Gast begrüßen zu dürfen, zum Beispiel in einer wiederkehrenden Rolle als Pastor. Auch Alicia Silverstone („The Requin – Der Hai„) macht als Bernies Frau Eva eine tolle Figur, sie bringt das Verzweifeln und das Vergeben all der Sitcom-Mamas da draußen auf den Punkt. Und Gaite Jansen und Walt Klink sind eben das, was sie sein sollen… die trotzigen Kinder.
Etwas gewöhnungsbedürftig hingegen wirkt die thematische Ausrichtung, mieden die Produzenten solcher Formate doch in aller Regel einen allzu starken Fokus auf religiöse, politische oder anderweitig gesellschaftlich brisante Aspekte, die entweder nur am Rande behandelt wurden oder schlichtweg nicht allzu erfolgreich liefen. Unter dem Deckmantel der Satire wählen die Autoren hier also ein eher ungünstiges Werkzeug mit wenig Bezug zur uns bekannten Dreiwand-Scheinwelt aus dem Querschnitt der Bevölkerung, so dass man hier wohl eher von einem Zugeständnis sprechen muss, um den Bogen zur anderen Seite des Films zu spannen, seiner Entladung in Form von kriminellem Exzess, von biblischer Anstößigkeit, Blut und galliger Groteske.
Fast wie im Horrorfilm: It’s a Mad Mad Mad World
Ab hier gelten nun die New-Kids-Gesetze. Wände werden aufgerissen, soziale Regeln außer Kraft gesetzt, Gabber dröhnt aus dem Ghettoblaster, das Heim verwandelt sich in eine Hölle – was fortan auch mit düsterer Beleuchtung und unangenehmen Close-Up-Perspektiven visuell untermalt wird. Im Übergang von der einen Realität zur nächsten kommt es zu Bildern, die man als Sitcom-Konsument garantiert nicht sehen möchte: Sex, Drogen, Selbstmordversuche. Haars und van der Kuil torpedieren das moralische Empfinden des Publikums und stellen klar, dass es ihnen nicht länger um das Sitcom-Format geht oder darum, es mehr oder weniger bissig zu verballhornen, sondern es geht ihnen nur noch um Anarchie.
Dass die Autoren hier im Wesentlichen eine Episode einer (zugegeben hochklassigen) Sitcom ohne nennenswerte Änderungen im Aufbau auf Filmlänge strecken, fliegt ihnen bald um die Ohren. Weder ein durch Drogenhalluzinationen ins Spiel gebrachtes ALF-Ersatz-Alien noch die Jesus-Visionen (Kevin Connolly, „Reach Me – Stop at Nothing„) des Familienoberhaupts liefern genug Abwechslung, um den schrecklich linear herbeigeführten Untergang des Hauses Christian angemessen aufzulockern. Jan Bijvoet, Chris Peters und Matti Stooker liefern ebenso wie die Hauptfiguren zweifellos tadellose Leistungen als schwer einschätzbare russische Invasoren, die von Verbrüderungsritualen über Verwirrtaktiken bis hin zu verstörenden Einschüchterungstaktiken das ganze Programm auf der Pfanne haben. Ihre Hintergrund, ihre Motivation bleibt aber reiner Aufhänger, als Story nicht relevant genug, als Werkzeug zum Sezieren gutbürgerlicher Aufrichtigkeit nicht scharf genug. Also werden munter weiter moralische Vorstellungen mit der Schrotflinte bombardiert anstatt mit dem Zielfernrohr aufs Korn genommen.
„Krazy House“ ist wie eine zähe Sonderfolge mit Überlänge
Während also das Haus vor Live-Publikum Stein für Stein abgetragen wird, bleibt das Fundament doch völlig intakt. So richtig möchte man „Krazy House“ weder Sitcom- noch Godsploitation-Fans empfehlen, weil beide Bestandteile nie harmonisch zusammengefügt werden. Der Cast bereitet Freude, das manchmal etwas obskure niederländische Humorverständnis kommt streckenweise durch und die Grundidee hat Potenzial. Im Abgang wirkt das alles aber weder besonders witzig noch allzu schockierend, sondern hinterlässt einfach nur ein Gefühl der Leere. Wie eine Folge mit Überlänge, die manchmal einfach über das Ziel hinausschießt. Die großen Sitcoms wussten offenbar ganz genau, weshalb sie ihre Rezeptur über viele Jahre hinweg nie geändert haben.
„Krazy House“ feierte im Januar 2024 seine Premiere auf dem Sundance Film Festival und startete im Mai desselben Jahres dank Splendid Film in den niederländischen Kinos. Bei uns ist die Horrorkomödie seit Anfang 2025 über Amazon Prime zu sehen. Über eine mögliche physische Veröffentlichung ist derzeit nichts bekannt.
Sascha Ganser (Vince)
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder und Screenshots/Label: Splendid Film / Amazon Prime__FSK Freigabe: n/a__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein / Nein |