Originaltitel: Madame Web__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: S.J. Clarkson__Darsteller: Dakota Johnson, Sydney Sweeney, Isabela Merced, Celeste O’Connor, Tahar Rahim, Mike Epps, Emma Roberts, Adam Scott, Kerry Bishé, Zosia Mamet, Jill Hennessy u.a. |

In dem „Spider-Man“-Spin-Off „Madame Web“ gibt Dakota Johnson die Titelheldin
Geht es um das Aus des Sony Spider-Man-Universe (SSU) nach nur sechs Filmen, dann kommt „Madame Web“ darin die ungute Schlüsselfunktion zu. Bei der Kritik beliebt war keiner davon, die „Venom“-Filme profitierten von der Zugkraft ihrer Hauptfigur, „Morbius“ war kein Totalflop und „Kraven the Hunter“ der letzte Wurmfortsatz, als der Stecker schon gezogen war, doch es war das brachiale Versagen von „Madame Web“, was dazu führte.
Wieder mal steht möglicherweise fehlgeleiteter Entdeckergeist am Beginn der Origin Story. Anno 1973 jedenfalls sucht die hochschwangere Constance Webb (Kerry Bishé) im peruanischen Dschungel nach einer seltenen Spinnenart, deren Gift übernatürliche Heilungskräfte besitzen soll, weshalb ein einheimischer Kult die Achtbeiner verehrt. Als sie ein Exemplar der Spinne einfangen kann, wittert ihr Fremdenführer Ezekiel Sims (Tahar Rahim) allerdings die fette Beute, mopst das Tier und verwundet Constance tödlich. Ein paar Kultisten eilen zu Hilfe und lassen die Sterbende von einer Spinne beißen, als sie mit letzter Kraft ihr Baby gebiert. Das hat natürlich einige der Spider-Skills abbekommen, die aber erst aktiviert werden müssen, wie man später erfährt.
30 Jahre später ist das Kind von einst zur Rettungssanitäterin Cassandra Webb (Dakota Johnson) herangewachsen, die schnell und verkehrssicher mit dem Krankenwagen durch die Straßen von New York braust, an ihrer Seite ihr Kollege Ben Parker (Adam Scott). Als Cassandra bei einem Einsatz von einer Brücke stürzt, beinahe ertrinkt und für kurze Zeit auch klinisch tot ist, ist das der obligatorische Kickstart für ihre Superfähigkeiten, denn schon bald sieht sie Flashbacks der nahen Zukunft. In die spätere Zukunft schaut der Film an sich, denn das 2003-Setting hat jetzt weniger mit Retrofeeling zu tun, sondern mit einer geplanten SSU-Timeline. Bens Schwester Mary (Emma Roberts) ist jedenfalls schwanger – da muss man selbst als weniger Comic-Kundiger nicht lange raten, wer denn dieser Nachwuchs wohl sein wird.
Ezekiel, mittlerweile ein reicher Kerl, hat ebenfalls Visionen seiner Zukunft, jedoch nur eine bestimmte: Seinen eigenen Tod durch die Hand von Julia Cornwall (Sydney Sweeney), Anya Corazón (Isabella Merced) und Mattie Franklin (Celeste O’Connor), die irgendwann zu Spider-Superheldinnen werden. Um das zu verhindern, nutzt Ezekiel seine Ressourcen, um sie im Teenageralter aufspüren und auslöschen zu können. Allerdings hat Cassandra wiederum eine Vision des Mordanschlags, kann diesen verhindern und mit den drei Mädels fliehen, woraufhin Ezekiel die Verfolgung aufnimmt…
Schaut euch den Trailer zu „Madame Web“ an
Bei „Madame Web“ musste man ausnahmsweise mal keinen Spider-Man-Bösewicht zum tragischen (Anti-)Helden umschreiben, da die Nebenfigur oft eine Unterstützerin der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft ist. Dass die alte, blinde Frau der Vorlage, deren Name sich wenig subtil an die Hellseherin Cassandra aus der griechischen Sage anlehnt, hier noch jung und sehend ist, ist angesichts des Origin-Story-Charakters und der Timeline noch verständlich, allerdings besaß diese eher obskure Randfigur des Spider-Man-Kosmos schon an sich wenig Zugkraft. Dass das Gimmick des In-die-Zukunft-Sehens auch nicht gerade ein Garant für sonderlich gute oder spektakuläre Actionfilme ist, hatte das murksige Nicolas-Cage-Vehikel „Next“ schon 17 Jahre zuvor bewiesen, an den „Madame Web“ manchmal erinnert. Das (in beiden Filmen handlungslogische sehr wackelige) Gimmick des multiplen In-die-Zukunft-Guckens mit parallelen Pfaden im Finale findet sich beispielsweise hier wieder, ebenso die Anlage der Hauptfigur als Normalo, die also kein Profi im Draufhauen oder Totschießen ist.

Auch Cassandra Webb (Dakota Johnson) erhielt ihre Fähigkeiten durch eine besondere Spinne
Allerdings fallen dann die meisten Actionszenen dann auch entsprechend aus, da Cassandras bevorzugte Methoden zur Bekämpfung des einzigen Filmfieslings wahlweise aus Wegrennen oder Mit-dem-Auto-Umfahren bestehen. Im Finale langt Cassandra dann etwas mehr zu, wobei dies dann an – wie die meisten Actionszenen in dem Film – unter mangelnder Übersicht und hakeligem Schnitt leidet. Noch so ein Schwachpunkt ist der Schurke an sich, dessen Geheimidentität zwar aussieht wie eine Art Dark Spider-Man, aber keinen Namen besitzt, und den man auch Langweilo-Man nennen könnte.
Abgesehen von seinem selbstsüchtigen Handeln zu Beginn und seinen Mordabsichten gegenüber den Teenies erfährt man nichts über ihn, außer dass er sich mithilfe der geraubten Spinne jung und fit hält und es durch sie wohl auch zu Geld gebracht hat. Aber welche schurkischen Umtriebe er in seinem Alltagsleben hat, das sagt „Madame Web“ nicht, sodass er einfach eine Luftpumpe bleibt. So mag er dann skrupellos über die Leichen einiger Polizisten, die sich ihm in den Weg stellen, gehen, aber zu einem memorablen Bösewicht macht ihn das nicht.
Dass dieser trotz nachtschwarzem Kostüm total blasse Schurke dann auch noch entsprechend farblos von Tahar Rahim („Der Adler der neunten Legion“) verkörpert wird, macht die Sache nur noch schlimmer. Allerdings spielt Dakota Johnson („Need for Speed“) die Hauptrolle dann auch wenig enthusiastisch, als wäre ihre Lust auf den Film nur so semi gewesen – und ihr Kostüm in der Zukunftsvision am Filmende (a.k.a. Vorschau auf mögliche Sequels) sieht dann reichlich albern aus, vielleicht kam ihre Unlust daher. Isabella Merced, die schon mit Rollen in Filmen wie „Plötzlich Familie“ oder „Sicario 2“ auf sich aufmerksam machte, kommt da wesentlich überzeugender rüber – überzeugender als die Hauptdarstellerin oder die anderen beiden Jungstars.
Die Darbietung von Celeste O’Connor („Ghostbusters: Frozen Empire“) als rebellisches Skatergirl wirkt immer etwas aufgesetzt, Sydney Sweeneys („Immaculate“) Rolle als graue Schulmädchenmaus mit Hornbrille, kurzem Rock und hohen Stiefeln wie das pure Klischee einer Teenieklamotte. Adam Scott („Krampus“) als werdender Onkel Ben setzt noch starke Akzente, während Emma Roberts („The Hunt“) total verschenkt in ihrer Rolle erscheint, die quasi rein auf ihre Schwangerschaft reduziert wird. An bekannten Gesichtern sieht man noch Zosia Mamet („Spartan“) als Hacker-Komplizin des Schurken, Jill Hennessy („Exit Wounds“) als Verführungsopfer Ezekiels und Mike Epps („Death Wish“) als Sani-Chef, aber deren Screentime ist reichlich begrenzt.

Cassandra beschützt Anya Corazón (Isabella Merced), Julia Cornwall (Sydney Sweeney) und Mattie Franklin (Celeste O’Connor),
Regisseurin S.J. Clarkson hatte zuvor nur fürs Fernsehen und für Streamingserien gearbeitet, mit Folgen von „Jessica Jones“ und „The Defenders“ allerdings schon erste Superheldenerfahrungen gemacht. Ihren Kinoerstling inszeniert sie ganz solide, aber gänzlich ohne Handschrift und basierend auf reichlich undankbarem Drehbuchmaterial, an dem sie freilich selbst mitschrieb. Neben Clarkson und Debütautorin Claire Parker muss allerdings vor allem das Drehbuchduo aus Matt Sazama und Burk Sharpless das verkorkste Script auf seine Kappe nehmen, deren vorige Kino-Filmographie sich wie ein Worst of des Blockbusters liest: „Dracula Untold“, „The Last Witch Hunter“, „Gods of Egypt“, „Power Rangers“ und „Morbius“. Plotmäßig ist den Damen und Herren vom Drehbuch allerdings nicht viel eingefallen, sodass „Madame Web“ eine sehr simple Schurke-jagt-gute-Menschen-Geschichte geworden ist, die sich durch ihren Mangel an Tempo und Spannung auszeichnet.
Auch sonst scheint mehr Aufmerksamkeit für das reichlich dreiste Pepsi-Product-Placement drauf gegangen zu sein als für Drehbuchfeinheiten. So trinken die Figuren die Cola nicht nur gern mit überdeutlich sichtbarem Schriftzug, nein, das Finale findet sogar vor einer Reklame des Getränks statt, die auch noch in die Handlung eingebaut wird. Da war dann nicht mehr so viel Zeit für Logik, weshalb die Netz-Madame in einer Vision zu Fuß durch den Wald genauso lange zu einem Diner braucht wie anschließend mit einem Auto auf einer ausgebauten Straße in der Realität oder Reisen zwischen Peru und New York anscheinend in Rekordzeit abgehandelt werden können. Dass Cassandras Visionen immer nur dann kommen und nur so weit gehen wie das Drehbuch es gerade braucht, ist auch etwas dünn, lässt sich aber immerhin halbwegs damit erklären, dass sie noch mit ihrer neu erwachten Kraft klarkommen muss.

Vor dem Schurken müssen Cassandra und Co. meist fliehen
Zu den wenigen guten Qualitäten von „Madame Web“ gehört dann der kleiner skalierte Ansatz, dass es mal nicht um das potentielle Ende der Welt geht, sondern einfach nur um die Rettung weniger Figuren. Schade nur, dass die drei Spider-Azubinen kaum über Ansätze hinaus skizziert werden: Julia ist die nette Schüchterne, Anya der vernünftige Schlaukopf und Mattie das rebellische Skatergirl in Baggy Pants, alle sind auf die eine oder andere Weise ohne Eltern in ihrem Leben, das war es dann auch. Ob es dann ein Paradoxon ist, dass ausgerechnet Ezekiels Angriff diese drei zusammenführt, aus denen nachher ein Heldinnentrio werden soll, fragt der Film gar nicht.
Passend zum Alter des Trios läuft Popmusik aus der Zeit der Jahrtausendwende, darunter „Breakfast at Tiffany’s“ von Deep Blue Something, „Bitch“ von Meredith Brooks und ganz zentral „Toxic“ von Britney Spears. Etwas besser gelingt die Charakterisierung von Cassandra, die aufgrund ihrer Vergangenheit als Heim- und spätes Adoptivkind nicht so schnell einen Draht zu Menschen findet; echten Tiefgang kriegt „Madame Web“ auch hier nicht hin, aber immerhin den einen oder anderen guten Moment (etwa Cassandra als Außenseiterin unter den Frauen auf der Baby-Namen-Party).
Viel rettet das nicht, leidet „Madame Web“ doch sehr unter dem lahmen Plot, den drögen Schauwerten, dem absolut farblosen Schurken und den Logiklöchern, die das Script wie ein Spinnennetz aussehen lassen. Trotz einiger Schnitzer in Sachen Schnitt ist das Ganze immerhin sauber produziert, aber das ist ja auch nur die Mindestanforderung im Blockbusterkino. Isabella Merced und Adam Scott können noch etwas punkten, im Gegensatz zum ganzen Weltrettungsgetöse ist der Ansatz sympathisch, aber das war es auch. Ob „Madame Web“ dann der Tiefpunkt der gegenwärtigen Comicverfilmungen ist, darüber darf man sich streiten, immerhin sind die hauseigene Sony-Konkurrenz aus dem kreuzlangweiligen „Morbius“ und dem enervierend blöden „Venom: The Last Dance“ ebenfalls heiße Anwärter auf den Titel.
Die deutsche DVD und Blu-Ray von „Madame Web“ kommen von Sony/Plaion Pictures, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben. Als Bonusmaterial gibt es mehrere Featurettes und eine entfallene Szene. Ihr könnt den Film auch streamen.
© Nils Bothmann (McClane)
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