Originaltitel: Milk & Serial__ Herstellungsland: USA__ Erscheinungsjahr: 2024__ Regie: Curry Barker__ Darsteller: Curry Barker, Cooper Tomlinson, Adlih Torres, Jonnathon Cripple, Andy Dubitsky, Gloria Karel, Sterling L. Pope, Paul Santoli, John Simmonds, … |
Den Film kann man sich (in der Originalfassung) hier anschauen!
Bei „Milk & Serial“ handelt es sich um einen für mickrige 800 Dollar realisierten 62-minütigen Horror-Thriller im Found-Footage-Stil, der nach seiner Veröffentlichung im August 2024 rasch für Aufsehen im World Wide Web sorgte. Während Curry Barker das Projekt verfasste und in Szene setzte, als Editor fungierte sowie den Score beisteuerte, produzierten er und sein Kumpel Cooper Tomlinson das Werk gemeinsam, waren sie beide für die Bebilderung Schrägstrich Kamera-Führung verantwortlich und verkörpern sie obendrein die zwei Haupt-Charaktere der erzählten Geschichte. Zwar hatte Barker im Vorfeld bereits eine Handvoll diesem Genre zugehörende Shorts gedreht – doch in erster Linie sind er und Tomlinson für Sketch-Comedy-Videos bekannt, welche sie regelmäßig auf ihren „That’s a Bad Idea“-Channels bei TikTok und YouTube posten. Auf letzterer Plattform stellten sie auch diesen Film hier online – frei verfügbar und somit eine prima „Visitenkarte“ markierend…
Seven (Tomlinson) und sein von allen bloß Milk genannter Kumpel Marshall (Barker) sind Content-Creator, die sich auf Pranks spezialisiert haben, die sie einander spielen und mit denen sich relativ gut Views generieren lassen. Aktuell hat Seven einen ganz besonderen Streich im Sinn, mit dem er Milk auf dessen Geburtstag reinzulegen gedenkt: Dazu besorgt er sich eine Pistole und einige Platzpatronen von einem Typen (Andy Dubitsky), der das Zeug aus seinem Van heraus verkauft, und präpariert ein Mädel aus ihrer Clique (Adlih Torres als Naomi) mit einem entsprechenden Squib-Blutbeutel. Zu Milk’s Party bringt er dann jemanden mit, den der Gastgeber nicht kennt – was jenen schonmal kräftig anpisst, denn eigentlich wollte er ausschließlich im engen Freundeskreis feiern – bevor der Fremde (Tristan Welsh) wenig später in einen hitzigen Streit gerät, eine Waffe zückt und Naomi niederschießt. Milk ist starr vor Schreck – bis die anderen alle in Happy-Birthday-Gesang ausbrechen…
Milk muss eingestehen, da total erwischt worden zu sein – und die Stimmung ist fortan ausgelassen. Mit einem Mal klopft es an der Tür: Ihr Nachbar Greg (Jonnathon Cripple) beschwert sich über den Lärm. Man entschuldigt sich und der Herr geht wieder – allerdings treffen sie im Laufe der Nacht (einem Abstecher zu 7-Eleven folgend) draußen vorm Gebäude erneut auf ihn. Daran glaubend, Seven hätte ihn ebenfalls angeheuert, beginnt Milk prompt damit, sich über dessen creepy Erscheinung lustig zu machen – woraufhin sie ihn am nächsten Morgen plötzlich weinend sowie wirres Zeug redend bei sich in der Wohnung vorfinden. Offenbar ziemlich einsam und traurig, lädt er sie als „Wiedergutmachung“ zu sich zum Essen ein, nachdem sie ihn beruhigen konnten. Um ihn nicht zu enttäuschen oder zu verärgern, sagen sie zu – woraus resultierend es Greg gelingt, sie im Zuge des Abends zu betäuben sowie hinaus in die Wüste zu fahren, wo er sie vor eine gravierende Wahl stellt…
An diesem Punkt sind rund 20 Minuten vergangen. Während sich ein Teil dieser Situation in Wahrheit als ein „Revanche-Prank“ Milks entpuppt, eskalieren die Dinge jedoch ungeplant: Greg stirbt, dessen Sohn fängt sich immer intensiver bei ihnen zu erkundigen an und Naomi’s Freundin Lara (Gloria Karel) verschwindet spurlos. Wie es scheint, treibt ein Killer in ihrem Umfeld sein Unwesen. „Milk & Serial“ (feiner Titel, by the way) ist ein Werk, das perfekt in die heutige Zeit passt. Es gibt unzählige Privatpersonen, Streamer, YouTuber, Instagrammer (etc.) auf der Welt, die geradezu ständig am Filmen sind, um Material zu haben, das sie online präsentieren können – wobei die jeweiligen Motive dafür einen breiten Radius umspannen (z.B. von Spaß über den Drang nach Aufmerksamkeit bis hin zu monetären Antrieben). Dazu die anhaltende Beliebtheit des Horror-Genres sowie die Tatsache, dass die Gen-Z-ler Barker und Tomlinson im Prinzip bloß fiktive Variationen von sich selbst zum Besten geben…
Das Duo ist geübt darin, ihre Videos im DIY-Verfahren zu kreieren. Entsprechend nutzten sie auch im Vorliegenden einfache Camcorder und Handy-Kameras (plus eine schlichte „Spionage-Brille“ in einer Szene), welche sie gemäß der Handlungen ihrer Charaktere (überwiegend deren POV-Perspektive zeigend) selbst bedienten. Konzeptionell sowie von der Umsetzung her funktioniert das prächtig. Die „klassische“ Frage, warum sie die Geräte in gewissen Momenten nicht abschalten oder zur Seite legen, wird nachvollziehbar (aus dem Kontext heraus) damit beantwortet, dass es ihnen ja sehr wichtig ist, alles einzufangen – zu dokumentieren und ggf. zu posten – schließlich wäre es ein großer Fail für sie, sollte ihnen etwas Entscheidendes (egal ob nun positiver oder negativer Natur) entgehen. Eigentlich ist das Gebotene viel treffender als ready-to-be-uploaded-Footage anstelle von Found-Footage zu beschreiben – aber diesbezüglich nimmt’s die Allgemeinheit ja ohnehin nicht so genau…
Was das Publikum zu sehen erhält, ist ein Zusammenschnitt der verschiedenen Aufnahmen der Beteiligten – und das zudem gar phasenweise mit einem Score unterlegt. Dennoch wird ein achtbarer Eindruck von Authentizität vermittelt – u.a. weil es für einen inzwischen ja normal ist, auch Nicht-fiktives in einer solchen rauen Form dargereicht zu konsumieren: Shots, die in Sachen Beleuchtung oder Framing weder professionell durchgeplant anmuten noch ausschauen, unfiligranes Editing, ungeschliffene Dialoge, wie sie im Alltagsgeschehen gängig sind, und so weiter. In der Realität hätte es einzelne Einstellungen so natürlich nicht gegeben – worüber hinaus andere eher zur Steigerung des dramatischen Effekts da sind – doch überzeugt das Ergebnis in diesem Stil nichtsdestoweniger und gebührt den Machern obendrein Lob dafür, dass sie kaum auf Shaky-Cam zurückgriffen, alles ordentlich erkennbar ist und die Optik von daher keinerlei Frust oder Verärgerung heraufbeschwört…
„Milk & Serial“ profitiert merklich davon, dass Tomlinson und Barker länger schon gute Freunde sind und gemeinsam YouTube-Content kreieren. Beide sind es gewohnt, zu improvisieren sowie mit nahezu keinem Budget zu arbeiten, ihre Chemie miteinander stimmt und mit den von ihnen abgelieferten Performances kann man problemlos leben: Zwar fern von irgendwie „preisverdächtig“ – trotzdem aber glaubwürdig; zumal ihnen durchaus eine stattliche Palette an Reaktionen und Emotionen abverlangt wurde. Zum Glück haben wir es bei Milk und Seven mit keinen dieser arg unausstehlichen Prankster zu tun, von denen es im Netz ja so einige gibt: Sie sind „moderatere Exemplare“ jener Gattung. Selbst das leicht sonderbare Aussehen Barkers harmoniert einträglich mit seinem Part. Die restlichen Cast-Mitglieder sind vorrangig Angehörige des Bekanntenkreises des Duos – welche ihrerseits aber ebenfalls allesamt nicht das erste Mal an einem Short oder Feature-Film-Projekt mitgewirkt haben…
Die Story folgt nicht nur dem vertrauten ein Streich, der außer Kontrolle gerät Pfad – sie dreht sich überdies um gezielte Manipulationen sowie die Unklarheit, was echt und was nicht vielleicht doch gestellt ist, um jemanden zu trügen sowie bei ihm oder ihr einen speziellen Respons zu provozieren. Somit ist es dem Betrachter und den Protagonisten in manchen Situationen nicht möglich, dahingehend sicher zu sein – wobei sich Verdachte und Ansichten im Verlauf wandeln, ohne dass einem das je zu forciert vorkommt. Inhaltlich und optisch düster – mitunter jeweils auch ein Stück weit creepy-beklemmend und brutal – entfaltet sich das Ganze innerhalb eines nie zu überzogenen oder unglaubwürdigen Rahmens sowie mit einer Dauer von gerade einmal einer Stunde straff und kompakt gestaltet. Was Barker einem hier bietet, mag letzten Endes nicht unbedingt herausragend originell oder vortrefflich sein – verdient aber fraglos Anerkennung und weiß einen zugleich solide zu unterhalten…
Angegangene Themen-Punkte umfassen u.a. Gaslighting und Clout-Chasing – inklusive des Drangs, sich immerzu steigern zu müssen – ebenso wie Missgunst und Soziopathie. Die erzählte Geschichte ist nicht bloß eindimensional, ergiebig erfüllen vereinzelte ominöse Text-Einblendungen ihren Zweck, atmosphärische und spannende Passagen sind zu verzeichnen und das geringe Budget wurde bestens ausgeschöpft. Barker’s Talent und Leidenschaft fürs Genre ist augenfällig – und ich bin neugierig darauf, was er uns in Zukunft so bescheren wird (aktuell arbeitet er wohl gerade mit „47 Meters down„- und „Fall„-Produzent James Harris an seinem nächsten Werk). Selbiges gilt übrigens für eine Reihe von Filme-Machern, die ihren Start auf YouTube hatten und denen inzwischen der Sprung hin zu Kino-Veröffentlichungen gelungen ist: Leute wie Kyle Edward Ball („Skinamarink“), Chris Stuckmann („Shelby Oaks“) oder die Phillipou-Brüder („Talk to Me„)…
Stefan Seidl
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Copyright des „Milk & Serial“ Postermotivs und der Screenshots: that’s a bad idea / Curry Barker & Cooper Tomlinson__ Freigabe: Not Rated__ DVD/BluRay: nein/nein |