Originaltitel: The Dead Next Door__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1989__Regie: J.R. Bookwalter__Darsteller: Pete Ferry, Bogdan Pecic, Michael Grossi, Jolie Jackunas, Robert Kokai, Floyd Ewing Jr., Roger Graham, Maria Markovic, Jon Killough, Scott Spiegel, Jeff Welch, Michael Todd, J.R. Bookwalter, Jennifer Mullen, Joe Wedlake, Lester Clark, Michael Tolochko u.a. |

Mediabook Cover B von „The Dead Next Door“.
Der erste Gedanke kommt reflexartig. Schnapp dir die Fernbedienung, drück die Eject-Taste und leg lieber nochmal einen Romero ein. Die Selbstschutzmechanismen sind aktiviert, sie flüstern deinem Großhirn zu, dass nun mal einfach nicht genug Zeit ist, jedes schnodderige Heimvideo über Zombies und andere Untote zu konsumieren. Selbst „Evil Dead“, heiliger Gral des Homemade-Horrors, aufgrund der vermeintlich einfachen Kopierbarkeit vielleicht die größte Inspiration für jeden Nachwuchs-Horrorfilmer, wurde zumindest auf 16mm gedreht. Bei einem mit Video-Inserts aufgefüllten 8mm-Zombiestreifen hingegen, der mit dem Einbruch in einen schnöden Keller irgendwo bei Großmuttern auf dem Land beginnt, erwartet man nichts Besseres, als dass es gleich Maskeneffekte hagelt, die aus Ketchup-Resten und Folienkäse vom letzten Grillabend bestehen.
Es ist aber nicht der Zombie, dem der Käse aus dem Gesicht fällt, sondern der Horror-Geek auf der Couch, als er sich bei den ersten Effekten vor lauter Staunen fast an seiner Pizza verschluckt. Spätestens bei der Säuberung des ersten Zimmers, als die Situation beim Köpfen eines Zombies außer Kontrolle gerät, da lässt sich das Gezeigte nicht mehr in die Kategorie Do-It-Yourself einordnen. So etwas gibt’s nur beim Metzger vom Fach. Von den wenigen Tom Savinis dieser Welt ist man derartige Detailliebe vielleicht noch gewohnt. Die arbeiten aber auch normalerweise in einer anderen Budgetklasse.
Im Wesentlichen ist „The Dead Next Door“ ein typischer Vertreter des konservativen Fan-, Zitate- und Hommage-Kinos, das gerade im Splatterfilm fast schon ein Monopol besitzt und bis zum heutigen Tage nicht ausgestorben ist. Seinen Antrieb bezieht diese Art des Filmemachens gemeinhin daraus, den Ikonen ihres eigenen Bereichs zu würdigen, ihnen nachzueifern, sie wenn möglich am Ende sogar in ihrer eigenen Königsdisziplin zu übertreffen. Progressivität ist da ein Fremdwort; es geht nicht um Innovation, sondern um die Perfektionierung eines traditionellen Handwerks. Dass niemand Geringerer als Sam Raimi während der Vorbereitungen für „Evil Dead II“ (1987) höchstpersönlich als ausführender Produzent einstieg und auch noch seinen Kompagnon Bruce Campbell zwecks Synchronisation und Postproduktion mitbrachte, muss Regisseur J.R. Bookwalter folglich wie ein Ritterschlag vorgekommen sein.

Die Zombie Squad sorgt für Ordnung… und einige blöde Sprüche.
Grundlegend Neues oder Unerforschtes hat der Streifen im inhaltlichen Sinne also nicht zu bieten. Einmal mehr ist die Apokalypse angebrochen, und die Menschheit verzweifelt daran, dass die Infizierten sich einfach weigern zu sterben. Die „Zombie Squad“, zu denen auch die Hauptfigur gehört, versucht vergeblich, die Pandemie einzudämmen, während die verbliebenen Wissenschaftler fieberhaft daran arbeiten, ein Gegenmittel zu finden. Doch die Menschen machen es sich mal wieder selbst schwerer als nötig, denn eine Sekte versucht die Zombies für ihre eigenen niederen Zwecke zu nutzen…
Militär, Wissenschaft, Wahnsinn: Das im Drehbuch von „The Dead Next Door“ gespeicherte Grundwissen entspricht in etwa dem breiteren Genre-Konsens zur Mitte der 80er Jahre hin. Zu dem Zeitpunkt hatte George A. Romeo bereits seine „Dead“-Trilogie vervollständigt und mit derartigen Themen bereits ausgiebig experimentiert. Gerade in „Day of the Dead“ (1985) wurden die Beißer im medizinischen Sinne bis in die kleinste Funktionseinheit hinein seziert und im soziologischen Sinne domestiziert.
Bookwalter eifert diesen Errungenschaften nach, indem er seine Figuren in post-zivilisatorische Gruppen klassifiziert und entsprechend uniformiert: Squad-Mitglieder, die modifizierte Polizeiuniformen auftragen und Streifenwagen fahren, für die eigens ein fettes Logo entworfen wurde, das dem Film auch als Marketing-Instrument dient; Wissenschaftler, die angelehnt an das Mad-Scientist-Erbe Frankensteins, vielleicht aber auch an einige Italo-Zombiefilme, die an solchen Stereotypen Gefallen gefunden hatten, in weißen Kitteln in Labors hantieren, wie um den Platz der Mediziner einzunehmen, die in dieser Realität verschollen scheinen; Sektenmitglieder in Kutten, die als Reaktion auf Ereignisse wie das Jonestown-Massaker von 1978 den Okkulthorror der 40er bis 60er wieder auferstehen lassen und den restlichen Widerstand ins Verderben zu stoßen drohen; dazu Zombies, die sich zumeist aus der einfachen Landbevölkerung rekrutieren und am liebsten in Karohemden und Latzhosen spazieren gehen.
Wenn dann auch noch eine SciFi-Komponente zum Einsatz kommt, durch welche die Zombies das Sprechen lernen und damit nichts Geringeres als einen Schlüssel zurück in die Zivilisation erhalten, dann muss man von einer logischen Fortführung der bisherigen Errungenschaften des Subgenres sprechen. Bookwalter kennt seine Pflichtlektüre nur allzu gut und nutzt das gewonnene Wissen dazu, etwas, das im schlimmsten Fall ein Mitschnitt einer privaten Motto-Fete im Partykeller hätte werden können, zu nichts Geringerem als einem Epos zu verarbeiten.

The Dead Walk Washington.
Das gelingt ihm in einigen Einstellungen sogar besser als es einem mit Millionen aufgeblasenen Eventfilm heute je könnte. Welcher Filmemacher wäre wohl dieser Tage noch dazu in der Lage, seine modrigen Komparsen live vor Ort an den Zäunen vor dem Weißen Haus protestieren zu lassen oder sie auf der Grünfläche vor dem Washington Monument auszusetzen? Permanent verschneidet Bookwalter die klaustrophobischen Aufnahmen aus den schlecht ausgeleuchteten Interieurs mit Panoramashots der verseuchten Außenwelt, die von den Wiesen und Feldern Virginias bis ins Zentrum US-Hauptstadt reichen, um auf diese Weise zu demonstrieren, dass die von ihm erdachte Seuche die Bevölkerung weit über den eigenen Vorgartenzaun hinaus tangiert.
Addiert man nun noch Maske und Effekte hinzu, ergibt sich in der Diskrepanz zwischen niedrig aufgelöster Optik und detailliert verarbeiteten Objekten ein äußerst befremdliches Gesamtbild, zugleich aber auch etwas, von dem viele Regisseure träumen: Eine ästhetische Besonderheit. Gleichwohl man sich immer noch in einem Amateurvideo wähnt, wird man mit immer neuen Permutationen guter alter Handwerkskunst übermannt, und das mit mit einem Tempo, das auf diesem Level seinesgleichen sucht.
Make-Up und etliche der umgesetzten Splatter-Einfälle gehen auch wieder hauptsächlich auf Romero zurück, darunter nicht zuletzt der berühmte „Piñata-Effekt“, wenn sich die Zombies in zufriedener Geselligkeit um einen Menschen versammeln und mit langsamen Kraulbewegungen so lange dessen Bauch bearbeiten, bis die Innereien zum festlichen Bankett ausgebreitet sind; eine immer wieder gern genutzte Sauerei, weil sie wie kaum eine zweite die religiöse Motivik der Selbstaufopferung gegenüber einer höheren Ordnung spiegelt, gipfelnd in dem friedfertigen letzten Blick der Opfer auf den Körper, den sie gaben, auf dass andere existieren können.
Abseits solcher andächtigen Momente des Gore wird aber auch der Geisterbahnspaß nicht vergessen: Blutige Komparsen mit Ganzkörperfäulnis und sogar eine Handvoll animatronischer Puppen sind eher im Geiste von „Return of the Living Dead“ (1985) angelegt und sorgen für ein gehöriges Maß an Abwechslung. All das komprimiert in einem wankelmütigen Filmformat, in dem es sonst vielleicht mal einem Arthaus-Regisseur wie Jim Jarmusch gelingt, das Wahrhaftige zu finden, wohl kaum aber jemand, der vier Jahre an seinen Spezialeffekten gebastelt hat und diese eigentlich nur hübsch ausgeleuchtet präsentiert wissen möchte.

Eine Generation vor „Make America Great Again“.
Natürlich ist das rot glänzende Fachhandwerk bei aller Fingerfertigkeit schamlos von Bestehendem abgepaust, eine wilde Collage von Dingen, die für die Sozialisierung der Macher wichtig gewesen sein müssen. Manchmal wirkt „The Dead Next Door“ deswegen wie ein Super-8-Vorläufer von Robert Rodriguez‘ Grindhouse-Hommage „Planet Terror“, nicht zuletzt aufgrund der relativ hohen Taktfrequenz von Splatterszenen wie auch von inhaltlichen Wendungen, bei denen eher mal eine Szene im Schnitt verschluckt wird als dass zu lange an einer Stelle verharrt wird.
Was diesem flotten, durchaus selbstreferentiellen und zugleich oft unernst-ironischen Zombiefilm hingegen oft abgeht, ist die wirkungsvolle Präsentation des Humors, der in Form eines Dialogs mit dem Zuschauer daraus folgen sollte. Dabei beginnt es so vielversprechend mit den blödsinnigen Schlussfolgerungen der Figuren, ihren fragwürdigen strategischen Entscheidungen und einem Zombiekopf, der einen Finger verknuspert und ihn per Hals wieder ausscheidet; ein niedliches kleines Detail nur, das aber auf subversive Weise auf die biologische Unmöglichkeit des Zombie-Daseins verweist und auf diese Weise sein Genre transzendiert.
Gerne hätte man die Effekte auch langfristig im Dienste solcher Momente gesehen. Irgendwann beschränkt sich das Augenzwinkern aber auf plumpes Namedropping und Running Gags, die wie Accessoires von Szene zu Szene getragen werden (Stichwort Kappe). Raimi leiht seinen Namen sogar der Hauptfigur, Savini, King, Carpenter und andere tauchen immer mal wieder auf, aber was die Interaktion mit dem Betrachter betrifft, geht eine Menge Potenzial verloren. Da hat zum Beispiel ein „Justice Ninja Style“ (1985) für den Martial-Arts-Film mehr geleistet als „The Dead Next Door“ für den Zombiefilm, obwohl er maximal ein Fünftel des Budgets gekostet hat.

Geh aufs Land, haben sie gesagt. Das ist gut für deinen Heuschnupfen, haben sie gesagt.
Die Zeit des Zuschauers darf in letzter Instanz aber auch 36 Jahre später noch als gut investiert bezeichnet werden, nicht zuletzt, weil man spürt, dass auch die Macher viel Zeit, viel Gehirnschmalz und viel Passion investiert haben. „The Dead Next Door“ bietet in seinem Bereich vielleicht den größten Spagat zwischen schundhafter Verpackung und saftigem Inhalt. Sämtliche Erwartungen werden zunächst – wortwörtlich – im Keller eingepegelt, um anschließend durch den ambitionierten Erzählrahmen und die erstklassigen Make-Up-Effekte bei weitem übertroffen zu werden. In einer Welt, in der die Verpackung eigentlich immer hübscher ist als der Inhalt, weckt das Sympathien – und bildet trotz der starken Anlehnung an die Horror-Großmeister in gewisser Weise auch ein Alleinstellungsmerkmal.
Informationen zur Veröffentlichung von „The Dead Next Door“
Limited Collector’s Edition #85
Es dauerte ein wenig, bis die Zombies über den großen Teich geschwommen waren: Erst Ende der 90er, rund 10 Jahre nach Erstveröffentlichung also, erschien „The Dead Next Door“ in Deutschland mit „SPIO/JK: Strafrechtlich unbedenklich“-Siegel auf VHS. Einige Zeit später, im August des Jahres 2002, kam es zur Indizierung. Noch im Dezember desselben Jahres folgte die Beschlagnahmung.
Obwohl seither einige DVD-Auflagen auf den Markt kamen, mühte sich erst Wicked Vision um eine Listenstreichung, die dann im Jahr 2020 erfolgte. Das machte den Weg frei für die deutsche Blu-ray-Premiere des Untergrundklassikers, die jetzt mit frischer 2K-Abtastung als 85. Titel den Weg in die „Limited Collector’s Edition“-Serie gefunden hat… und darin zu den am besten ausgestatteten Ausgaben der gesamten Reihe aufschließt.
Die Verpackung

„The Dead Next Door“ ist exklusiv über dem Wicked-Vision-Shop in drei Mediabook-Ausführungen erhältlich.
Versteht sich von selbst, dass Cover A (limitiert auf 444 Stück) mit dem klassischen schwarzen Poster ausgestattet sein muss. Die Zombiebüste mit dem Maulkorb ziert schließlich seit Jahrzehnten alle möglichen Veröffentlichungen zu dem Film. Das Layout gestaltet sich minimalistisch, aber wirkungsvoll: Das fette, rote „Dead“ aus dem Titel schiebt sich in die vom Schatten in Schwarz getauchte Augenhöhle des Narbengesichts hinein, das mit dem anderen Auge trübe wie eh und je aus der Wäsche guckt. In gelber Druckschrift wird der leere Raum unterhalb des Titels noch mit der Tagline „Wie tötest du etwas, das nicht sterben will? – Wo willst du hin, wenn sie überall sind?“ ausgefüllt, und fertig ist das Meisterwerk.
Wer sich etwas mehr Action wünscht, hat noch zwei Alternativen zur Auswahl. Das auf 333 Stück limitierte Cover B liegt in Hochglanzausführung zur Ansicht vor und richtet sich insbesondere an die Comic-Fraktion. Normalerweise würde man es mit seiner Explosion an Figuren (derer zählt man 18, plus drei Silhouetten aus dem Titelschriftzug, plus ein Streifenwagen) als überladen bezeichnen, doch Comics dürfen so etwas. Deswegen handelt es sich im besten Sinne um Leinwandaction, vollgepackt mit Schwertern, Knarren und modrigen Händen. Der blumige, leicht an Graffiti-Art angelehnte Stil ist Geschmackssache, die leuchtenden Farben aus dem Spektrum Rostrot / Schlammgrün / Matschbraun machen aber etwas her.
Kaum weniger Action bietet Cover C (limitiert auf 222 Stück). Dieses kam bereits 2017 auf der US-Blu-ray von Tempe Digital, Bookwalters eigenem Label, zum Einsatz. Mit seinen leuchtenden Feuereffekten und einem Zombie mit den ausgebreiteten Händen eines Puppenspielers knüpft es ein wenig an die Low-Budget-DVD-Streifen der 90er an, die versuchten, ein Publikum anzusprechen, das auch Videospiele wie „House of the Dead“ konsumierte und sich zwischen den Polen Action und Horror am wohlsten fühlte.
Wofür man sich auch entscheidet, auf die inneren Werte, sprich, auf die Gedärme kommt es an – und die sind bei allen Versionen gleich. Gleich drei Scheiben darf der Filmzombie herauswühlen, und bei keiner davon handelt es sich um ein DVD-Duplikat der Blu-ray, was gleich unser erstes Indiz für ein Überangebot an Inhalten ist.
Das Booklet
Wir wollen aber nicht zu den Discs übergehen, ohne zunächst die Innengestaltung zu würdigen. Hinter den Disc-Trays finden wir doppelseitig die Egoperspektive eines Zombie-Opfers kurz vor der Ausweidung. Ein Klassiker, der ein schickes Panorama ergibt, insbesondere, wenn man mal kurz die Discs herausnimmt und das Booklet in die Vertikale hebt. Jenes wiederum wurde diesmal ausnahmsweise nicht von Christoph N. Kellerbach verfasst, sondern von David Renske, wie schon das Frontcover ankündigt. Eine schöne Überraschung, war Renske doch viel zu lange schon nicht mehr zu Gast in einem Wicked-Vision-Booklet.
Grundsätzlich geht Renske im Aufbau recht ähnlich vor wie üblicherweise Kellerbach, sorgt aber alleine schon durch seinen abweichenden Stil für willkommene Abwechslung. In mehreren Kapiteln vollzieht er eine kurzweilige Mischung aus Aufarbeitung der Produktionsschritte und filmhistorischer Kontextualisierung, indem er etwa Zusammenhänge knüpft zu damaligen gesellschaftlichen Themen, etwa dem Schrecken von AIDS, der gerade auf den Horrorfilm einen massiven Einfluss hatte, oder den Nachrichten über das schreckliche Treiben sektenhafter Vereinigungen, während J.R. Bookwalter mit Sam Raimi austüftelte, wie er seinen Traum vom epischen Zombiefilm erfüllen könnte.
Der Essay reicht bis Seite 13 und wird abschließend von einem ausführlichen Interview mit dem Regisseur aus dem Jahr 2018 abgelöst, indem sich dieser in angenehmem Maße selbstkritisch, selbstironisch, aber auch ein wenig stolz zeigt; eben wie jemand, der zu dem Weg steht, den er eingeschlagen hat, aller falschen Entscheidungen zum Trotz. Wir erfahren in diesem Teil auch viel über Bookwalters Einflüsse wie auch darüber, welche Kultfilme und Klassiker er nicht ganz so gerne mag. Abseits von „The Dead Next Door“ geht es auch viel um seine anderen Werke. Da er Blut geleckt zu haben scheint, was die heutigen Möglichkeiten der Restauration angeht, ist zu hoffen, dass noch weitere seiner Titel in aufbereiteter Form zurückkehren werden. Auf den letzten Seiten folgen noch die Credits sowie Credits zur neu angefertigten Synchronisation.
Der Ton: Alte Synchro, neue Synchro, Originalton
Neu angefertigte Synchronisation? Durchaus. Unter der Dialogregie von Bodo Traber und in Produktion von Wicked Vision entstand eigens für diese Edition eine Neuvertonung, obwohl noch eine aus alten Heimkinotagen existierte. Weshalb man sich für diesen sicher nicht günstigen Mehraufwand entschloss, das erklärt sich wohl dadurch, dass die erste Fassung nicht gerade zu den Highlights der Synchrongeschichte gehört. Erfreulicherweise sind beide Versionen an Bord, so dass man selbst vergleichen und nach eigenem Wunsch auswählen kann.
Sofern man keine nostalgischen Gefühle gegenüber den VHS-Tagen hegt, sei in jedem Fall die neue Synchro empfohlen, die im direkten Vergleich deutlich professioneller eingesprochen ist und dabei nicht wie eine fremdkörperartige Neukreation klingt, sondern durchaus wie etwas, das damals schon hätte entstanden sein können. Zwar fehlen die ganz großen Namen, aber mit Tino Kießling auf Hauptfigur Raimi bekommt man einen durchaus erfahrenen Lead, der von einem soliden Support begleitet wird. Traber sorgte außerdem für gewisse inhaltliche Anpassungen gegenüber der ersten Version. Ferner klingt das Ergebnis im DTS-HD Stereomix räumlicher, gleichwohl hallender als die alte Fassung, die im gleichen Format trockener wirkt.
Beim englischen Ton haben wir diesmal eine ähnliche Situation, denn neben der Spur mit den Stimmen des Originalcasts gibt es auch hier eine offizielle Synchronisation. Die ist auch deswegen erwähnenswert, weil „Evil Dead“-Star Bruce Campbell nicht einfach nur zwei Parts selbst einsprach (darunter die Hauptfigur), sondern auch die Aufnahmen samt Postproduktion überwachte. Qualitativ ist auch hier Campbells Arbeit die bessere Wahl, trifft der Schauspieler für sich selbst und andere Rollen doch in der Regel die besseren Entscheidungen, wenn es um Intonation und Sprachfluss geht. Der englische Ton ist für beide Fassungen sogar jeweils einmal in Stereo- und einmal in 5.1 Surround Sound abgemischt. Letztere hat auf den hinteren Kanälen von Alarmsirenen bis zum Zombie-Gestöhne sogar erstaunlich viel zu bieten.
Die Audiokommentare
Damit alleine landen wir schon bei sechs Tonspuren, doch damit sind wir noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Im Laufe der Zeit fand Regisseur J.R. Bookwalter immer mal wieder anderthalb Stunden Zeit, sich seinen Film in geselliger Runde anzuschauen und das Ganze in einem Audiokommentar festzuhalten. Drei dieser Kommentare sind dabei insgesamt entstanden und lassen die verfügbaren Tonspuren auf neun anwachsen. Der neueste stammt aus dem Jahr 2015 und wurde im Rahmen der 2K-Blu-ray-Neuauflage eingesprochen. Mit an Bord sind Produzentin Jolie Jackunas, die per Telefon zugeschaltet ist, und Produzent Scott P. Plummer.
Die anderen beiden Kommentare stammen noch aus DVD-Tagen: 2005 entstand ein Kommentar unter Beteiligung von Schauspieler Michael Todd und Kameramann Michael Tolochko, Jr., schon 2001 kam es zum Gespräch zwischen Bookwalter und seinem Make-Up-Effektkünstler David Lange. Man braucht nicht viel Fantasie, um vorherzusehen, dass es hier auch mal zu gedoppelten Informationen kommt. Unterschiedliche Perspektiven werden aber schon durch die Gäste aus unterschiedlichen Bereichen geboten, ferner ist es interessant, abzugleichen, wie sich die Beziehung der Macher zu ihrem Werk gerade im Kontext des technischen Fortschritts und der neuen Möglichkeiten zur Konservierung alter Filme verändert hat, derweil die Produktion neuer Filme in all den Jahren nicht versiegt ist.
Das Bild: Widescreen- und Vollbildfassung
Doch nicht nur beim Ton, sogar beim Bild kann man frei wählen. Die beiden Blu-rays aus dem Set sind jeweils mit „Fullscreen Version“ und „Widescreen Version“ gelabelt, das heißt, auf jeder Disc wird der Hauptfilm in einem anderen Bildausschnitt präsentiert, wobei die oben genannten Tonoptionen für beide Fassungen identisch sind. Es ist nicht schwer zu erraten, dass bei einem Super-8-Streifen aus den 80ern die Vollbildversion die ursprüngliche Fassung ist, die sich hier auf 1,30:1 bemisst. Aufgrund der Verdrängung des Röhrenfernsehers durch den Widescreen-TV entschied man sich schließlich dazu, noch eine 1,78:1-Maskierung anzubieten, damit das Bild die komplette Fläche moderner TV-Geräte ausfüllt.
Das bedeutet zwar zwangsläufig, dass bei der Widescreen-Version im oberen und unteren Bereich Bildinformationen wegfallen, weil man so lange reinzoomen muss, bis das Bild den linken und rechten Rand ausfüllt. Weil „The Dead Next Door“ aber ohnehin recht offen gefilmt ist und sich in vielen Einstellungen an den Rändern sowieso nur Hintergründe befinden, gelingt diese Maskierung erstaunlich gut. Das Filmische geht der Kadrierung nicht verloren, teilweise könnte man sogar meinen, die Aufnahmen seien für dieses Format gedreht worden. Dennoch bleibt die Vollbildfassung die Urfassung. Wer sich also an schwarzen Balken links und rechts nicht stört, sollte diese Fassung wählen, da nur sie die vollständigen Bildinformationen enthält.
Die Restauration wurde wohl um 2015 für den US-Release angefertigt, nachdem Bookwalter verfolgt hatte, was bei der Aufbereitung inzwischen alles möglich ist. Auf eine 4K-Abtastung hat man aufgrund des 8mm-Filmmaterials wohlweislich verzichtet, da ein Qualitätsgewinn hier nicht zu erwarten war. Deswegen blieb es bei einer 2K-Abtastung. Wundertaten sollte man sich natürlich nicht erwarten; man kann eben nur das herausholen, was das Ursprungsmaterial hergibt. „The Dead Next Door“ bleibt in seiner äußeren Form ein Billigheimer erster Güteklasse.
Dennoch macht die Bearbeitung einen guten Job darin, den Streifen im besten Sinne filmisch aussehen zu lassen. Die Video-Inserts, mit denen einige fehlende Stellen aufgefüllt werden mussten, sind jedenfalls immer deutlich vom Rest zu unterscheiden. Gerade die zentralen Effektshots wirken in Farben und Kontrast oft angenehm kräftig. Die Widescreen-Fassung wirkt durch das gezoomte Material natürlich ein bisschen weicher als die Vollbildversion. Schön ist es aber, dass man problematische Einstellungen, in denen unerwünschte Elemente (Dolly-Schienen, Statisten etc.) ins Bild ragen, digital bearbeiten konnte, um weitere Zooms zu verhindern.
Die Extras
Aber nicht nur der Hauptfilm wurde für die US-Blu-ray frisch aufbereitet, man erstellte außerdem eine Wagenladung neuer Extras, bestehend aus Material aus der Produktionszeit, aus Zeiten der DVD-Hochphase sowie aus neu erstellten Features. Die sind derart reichhaltig ausgefallen, dass sie in dieser Edition in Kategorien sortiert und auf beide Discs verteilt sind, so dass wir es fast schon mit einer Art kleiner Zombie-Bibliothek zu tun haben.
Featurettes
Beginnen wir zunächst mit der Widescreen-Disc Die erste Kategorie in den Extras besteht aus einer Sammlung von Featurettes. Gerade „Restoration of the Dead“ (19 Min.) sollte man sich keinesfalls entgehen lassen, wenn man sich immer mal gefragt hat, wie so eine Restauration vonstatten geht. J.R. Bookwalter geht teilweise sehr tief ins Detail, präsentiert konkrete Problemstellungen, die bei der Restauration von „The Dead Next Door“ auftraten, sowie die entsprechenden Lösungen. Man bekommt ein konkretes Gefühl dafür, wie viel Aufwand in einer solchen Bearbeitung steckt und was hier inzwischen durch die fortschreitende Technik alles möglich ist. Weil man dabei auch direkt Arbeitsplätze und Material zu sehen bekommt, entsteht ein räumliches Gefühl für die Arbeit.

Regisseur J.R. Bookwalter gibt in den Extras Einblicke in die Restaurationsarbeiten.
„Behind the Scenes“ (19 Min.) ist genau das, wonach es klingt. Die Collage aus Hinter-den-Kulissen-Eindrücken in rustikaler Handkamera-Optik ist relativ schnell geschnitten und dabei mit einem Off-Kommentar von J.R. Bookwalter unterlegt, der ein hohes Tempo halten muss, um die Hintergründe der Aufnahmen zu erläutern, wodurch er indirekt ein Bild von der Atmosphäre am Set zeichnet. Auch hier bekommt man nebenbei wieder Eindrücke von den technischen Herausforderungen am Set und ein Gespür für den Aufwand bei der Realisierung der Szenen, und zwar gerade dort, wo man ihn nicht unbedingt vermuten würde.
Mit dabei ist auch ein Zusammenschnitt eines alten Making Ofs („1995 Making-Of Excerpts“, 9 Min.), sowie ferner eine „1999 Location Tour“ (8 Min.), in der Schauspieler James L. Edwards, der im Film als Statist auftrat, die alten Drehorte wieder besucht und dabei zu dem Fazit kommt, dass sich in kurzer Zeit alles ziemlich stark verändert hat; mal zum Besseren, mal zum Schlechteren. Hinzu gesellt sich die 2005 entstandene Retrospektive „20 Years in 15 Minutes“, in der die Beteiligten auf die Zeit seit der Entstehung des Films zurückblicken. Ein narrativer Fluss kommt hier nicht zustande, es handelt sich ob der schieren Menge an Beteiligten eher um Fragmente von Eindrücken, aber dadurch ist zugleich auch enormer Abwechslungsreichtum geboten. Und dann folgt noch das 5-minütige Interview „Richard Returns!“ mit Scott Spiegel, der noch einmal seine eigenen Gedanken separat formuliert und dabei auch verstärkt auf Produzent Sam Raimi eingeht.

Köpfe können gar nicht genug gebastelt werden für „The Dead Next Door“.
Bildergalerien
Die nächste Kategorie hört auf den Namen „Bildergalerien“ und hat derer insgesamt vier zu bieten. „Around the World“ (4 Min.) ist im Wesentlichen eine Cover-Sammlung alter VHS- und DVD-Artworks vom gesamten Globus; 34 gibt es davon zu bestaunen. Zum Thema „Behind the Scenes“ (9 Min.) sind sogar 100 Fotos zu sehen. Den Vogel schießt aber die „Storyboard“-Galerie ab, die binnen 26 Minuten mehr als 500 Seiten auffährt – das kann man schon als stattlichen Video-Comic bezeichnen. Zum Abschluss winken noch die „Production Stills“ (6 Min.) mit 75 Seiten.
Events
Dann wären da noch die „Events“, auf denen sich Cast & Crew versammelt haben, um den Film vorzuführen und in alten Erinnerungen zu schwelgen. Die „Frightvision Reunion“ (6 Min.) fand im Jahr 2000 statt. Man bekommt da kurze Ausschnitte der Ansprachen einiger Crewmitglieder zu sehen, die von der Regie zu einem Block „gemorpht“ wurden. Hier geht es aufgrund der Kürze also mehr um einen generellen Eindruck vom Treffen als um die Inhalte.
Die anderen beiden Events fanden 2015 in Cleveland bzw. Akron statt. Die zugehörigen Videos lassen die Sprecher etwas länger zu Wort kommen, insbesondere Regisseur Bookwalter bekommt reichlich Screentime, die er vor der Kinoleinwand in Akron auch dazu nutzt, seine Zuhörer für die technischen Feinheiten bei der Produktion seines Films zu sensibilisieren. Spannend ist auch zu hören, dass einige Beteiligte, die in „The Dead Next Door“ als Amateure begannen, anschließend eine Karriere im Filmgeschäft angepeilt haben und immer noch darin tätig sind.
Sonstiges
Das, was sich anderweitig nicht mehr kategorisieren ließ, finden wir dann in der letzten Kategorie „Sonstiges“ vor. Insbesondere die „Deleted Scenes and Outtakes“ (7 Min.) dürften hier interessant sein. Bookwalter klärt im Kommentar auf der Tonspur darüber auf, weshalb die Szenen aus dem Film geschnitten wurden und liefert dann auch noch ein paar Anmerkungen zu den eher in die Kategorie Bloopers gehörenden Outtakes. Ebenfalls amüsant geraten sind die „Auditions“ (14 Min.), in denen mehrere Darsteller sich (inklusive weggepiepter Angabe der privaten Telefonnummer) vorstellen und ein paar Kostproben zum Besten geben; Schreie dürfen bei einem Zombiefilm natürlich auch nicht fehlen.
Die „Video Storyboards“ (8 Min.) sind im Grunde Testläufe für die späteren „echten“ Aufnahmen; einen ähnlichen Zweck verfolgen die „Video Preshoots“ (6 Min.). Hier wurden testweise Aufnahmen auf ¾ Zoll gedreht, anschließend aber wieder verworfen, weil das Ergebnis zu sehr an Soap Operas erinnerte; zu Recht, wie man bei Ansicht der Ergebnisse feststellen muss.
Zum Abschluss winkt noch ein Musikvideo, das aus Filmszenen und Mitschnitten der Performance bei einem der Events zusammengestellt wurde, sowie der Trailer in Originalform sowie im 2015er-Recut.
Alternative Fassungen
Auf Disc 2 lassen sich sogar noch weitere Extras entdecken. Hier sind vor allem zwei weitere alternative Fassungen zum Hauptfilm zu nennen: Dazu gehört die originale deutsche VHS-Fassung sowie die erste DVD-Restauration. Die Laufzeiten (82 bzw. 85 Min.) unterscheiden sich gegenüber der nur 79 Minuten langen 2K-Abtastung. Zumindest teilweise sind die Unterschiede mit den alternativen Credits zu erklären. Ob darüber hinaus weitere Unterschiede im Schnitt bestehen, ließe sich wohl nur durch einen mühsamen Vergleich herausfinden; konkrete Angaben dazu ließen sich jedenfalls nicht finden. In erster Linie kann man die Bonusfassungen ohnehin als Dokumentation der Restaurationsgeschichte betrachten und sich bei der Gelegenheit gleich nochmal ein Bild davon machen, wie sich die Bildqualität von der unbearbeiteten VHS über das DVD-Remaster bis zur Blu-ray verändert hat. Die VHS-Fassung liegt dabei mit deutschem Dolby-Digital-2.0-Ton vor, bei der DVD-Version kann man zwischen Deutsch und Englisch wählen.
Die „Temp Entertainment Trailershow“ bietet eine Sammlung von Trailern aus dem Programm des Bookwalter-Labels, namentlich „Bloodletting“, „Witchhouse 2“, „The Sandman“, „The Vault“, „Stitches“, „Ozone“, „Polymorph“, „Skinned Alive“ und „Horrorvision“. Dadurch bekommt man einen kleinen Ausblick darauf, was Bookwalter abseits von „The Dead Next Door“ sonst noch alles so angestellt hat. Den gleichen Zweck verfolgt das ebenfalls aufgespielte 5-Minuten-Making-Of von „The Sandman“.
Als dritte Disc im Bunde findet der Käufer dann auch noch den Soundtrack auf CD. Dieser enthält bei einer Lauflänge von 77 Minuten den kompletten Score, den der Regisseur höchstselbst in die Tasten gehämmert hat, ferner das Funkrock-Theme „The Answer“ von Tim Prentice, etliche Punk-, Blues- und Countrynummern und als Rausschmeißer die Rock-n-Roll-Ballade „The Dead Next Door“, die den Filmtitel im Chorus mit gereckter Faust zelebriert.
Mit neuen deutschen Untertiteln ist übrigens fast alles auf dieser Edition ausgestattet, abgesehen von den beiden Bonusfassungen (von denen eine sowieso nur mit deutschem Ton abspielbar ist), der Trailershow und dem Making Of zu „The Sandman“. Der Hauptfilm verfügt zusätzlich auch über englische Untertitel.
Goodies
Die gesamte Auflage wird übrigens Shop-exklusiv vertrieben. Als Goodies bekommt man bei einer Bestellung zum Mediabook noch einen Sticker, ein gerolltes Poster und fünf Art Cards frei Haus dazu. Fehlt zur absoluten Glückseligkeit eigentlich nur noch ein Gummi-Zombiekopf, der einen Finger aus dem Hals ausfahren kann, wenn man die Augen eindrückt…
Sascha Ganser (Vince)
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