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Flucht oder Sieg

Originaltitel: Victory__Herstellungsland: USA, GB, Italien__Erscheinungsjahr: 1981__Regie: John Huston__Darsteller: Michael Caine, Sylvester Stallone, Max von Sydow, Daniel Massey, Tim Pigott-Smith, Julian Curry, Clive Merrison, Maurice Roëves, Pelé, Bobby Moore, John Wark u.a.
Flucht oder Sieg mit Sylvester Stallone Mediabook Cover

Endlich auch auf Blu-ray im hübschen Mediabook: „Flucht oder Sieg“ mit Sylvester Stallone.

Sylvester Stallone war zwar mit „Rocky“ (1976) und „Rocky II“ (1979) zum Star aufgestiegen, aber noch auf der Suche nach „seinem Weg“. So musste er mit „Vorhof zum Paradies“ oder „F.I.S.T.“ noch herbe Rückschläge hinnehmen. Und auch „Nachtfalken“ sollte 1980 nicht wie gewünscht performen. Trotzdem war der direkt darauf folgende „Flucht oder Sieg“ als Starvehikel für ihn ausgelegt. Man hoffte, mit Stallone trotz des in den USA wenig populären Themas Fußball viele Menschen ins Kino zu locken. Eine Illusion sondergleichen…

Captain John Colby sitzt in einem Kriegsgefangenenlager der Deutschen fest. Hier läuft er eines Tages dem deutschen Major Karl von Steiner über den Weg. Der erkennt in Colby sofort den Profi-Fußballer wieder, der er vor dem Krieg war. Steiner, der selbst einen Hintergrund als Fußballer hat, schlägt Colby ein Fußballspiel vor. Eine von Colby zusammengestellte Mannschaft solle gegen eine Mannschaft der Wärter antreten.

Die Idee schlägt Wellen. So sehr, dass sie von der deutschen Propaganda vereinnahmt wird. Nun soll Colbys Mannschaft in Paris gegen eine Art deutsche Nationalmannschaft antreten – und natürlich gedemütigt werden. Colby sagt dennoch zu und nutzt die Gelegenheit, andere Inhaftierte aus anderen, weitaus scheußlicheren Gefangenenlagern freizupressen und zum Teil seiner Mannschaft zu machen.

Parallel versucht der Inhaftierte Hatch, die Flucht der gesamten alliierten Fußballmannschaft zu organisieren.

Schaut in den Film hinein

Sylvester Stallone als Torwart

In meiner Wahrnehmung machte es sich „Flucht oder Sieg“ – beziehungsweise „Victory“, wie er im Original heißt – schon immer selbst schwer. Früh spürt man, dass Regisseur John Huston („Ein Mann räumt auf“) und das Drehbuch kein Vertrauen in die Story haben. Und wie sollte man das auch? Ein Fußballspiel, das den Zweiten Weltkrieg in ein Fußballstadion verlagert? Die Idee ist schon seltsam – und wirkt durchgehend arg konstruiert. Also kombinierte man den Plot um das Fußballspiel mit einem Plot um einen großangelegten Ausbruchsversuch der Mannschaft der Alliierten.

Dieser übernimmt sehr früh die komplette Kontrolle über den Film. Weder sieht man die Kriegsgefangenen ausführlich trainieren noch bekommen sie Taktiken eingetrichtert. Alles dreht sich um Sylvester Stallones Charakter Hatch, der die Flucht anschiebt. Doch selbst diese greift nie wirklich, da alle Charaktere um Hatch lieber Fußball spielen und die Deutschen besiegen wollen.

Allgemein hat die Fluchtthematik in „Flucht oder Sieg“ eine seltsame Tonalität. In dem Gefangenenlager scheint es zum guten Ton zu gehören, fliehen zu wollen. Wer das nicht tut, muss sich Standpauken von Vorgesetzten abholen. Was freilich verwundert, wenn direkt zu Beginn ein Fluchtversuch tödlich endet. Doch derart rigoros wird es selten, denn vielmehr müht sich „Flucht oder Sieg“ extrem, das Lagerleben zu verklären.

In einem Clip der „Super 8“-Fassung des Filmes, der (auf dem Artwork unerwähnt) in der Extrasektion der schönen Mediabook-Veröffentlichung von PLAION PICTURES zu finden ist, wird dafür auch ein Grund geliefert. Allgemein seien nämlich vor allem britische Kriegsgefangene in deutschen Gefangenenlagern zuvorkommender und beinahe höflich behandelt worden. Es ist schade, dass diese Information in der offiziellen deutschen Fassung unterschlagen wird.

Michael Caine in Flucht oder Sieg

Michael Caine ist der Kapitän der alliierten Mannschaft.

Man kann sich aber selbst mit dieser Ergänzung des irritierenden Eindrucks nicht erwehren, dass die Kriegsgefangenen in „Flucht oder Sieg“ eher in einer Art Ferienlager untergebracht sind. Und in dem probe eben jeder gerne den Ausbruch, vor allem, wenn das Wetter schön sei – heißt es im Film. Die häufig gereichte, leicht abenteuerlustige Filmmusik unterstreicht den verharmlosenden Eindruck nur und stellt den Film in eine Reihe mit Ausbruchsabenteuern wie „Gesprengte Ketten“, die den Zweiten Weltkrieg im Nachhinein zum Große-Jungs-Abenteuer umdeuteten.

Schaut man jetzt auf das Entstehungsjahr des erstaunlich altmodisch erzählten Streifens, schlackert man doch mit den Ohren. Während Huston 1981 den Zweiten Weltkrieg verharmloste, hatte ein gewisser Michael Cimino drei Jahre zuvor die wahre Fratze des Krieges und seine Auswirkungen auf die Menschen in „Die durch die Hölle gehen“ offenbart. „Flucht oder Sieg“-Hauptdarsteller Stallone würde sich bereits ein Jahr später in „Rambo“ ebenfalls sehr kritisch mit dem Vietnamkrieg auseinandersetzen. Kurzum: „Flucht oder Sieg“ war schlicht und ergreifend komplett aus der Zeit gefallen. Was sich auch an den Kinokassen zeigen würde.

Nicht unschuldig an dem finalen Endergebnis ist freilich die problematische Entstehung von „Flucht oder Sieg“. Diese wird im Booklet des Mediabooks sehr ausführlich aufgearbeitet und reichte von Auseinandersetzungen um die grundlegenden Tonalität in der Drehbuchphase über eine Regielegende („Die Spur des Falken“), die zur Entstehungszeit von „Flucht oder Sieg“ eigentlich alles runterdrehte, um ihre Spielschulden bezahlen zu können, bis hin zu einem Hauptdarsteller, der kurz zuvor zum Superstar aufgestiegen war und sich je nach Informationsquelle total nett am Set gab oder sich in zahlreiche Belange der Produktion einzumischen versuchte.

Sylvester Stallone als Hatch in Flucht oder Sieg

Sylvester Stallone soll als Hatch die Flucht seiner Mannschaft organisieren.

Womit wir bei Sylvester Stallone wären, der hier komplett fehl am Platz wirkt. Zwar versucht das Drehbuch, ihn als dummen Ami / Kanadier hinzustellen, der nur Ahnung von American Football, aber eben nicht von Soccer hat, es hilft aber nichts. Was Stallone hier in den Fußballszenen anstellt, ist mit absurd noch nett umschrieben. Da steht ihm der Fluchtpart, den er ja vorwärts treibt, schon deutlich besser. Doch auch hier wirkt er immer mal wieder etwas unbedarft.

Zudem steht ihm der hektisch-überdrehte Einschlag seines Charakters so gar nicht. Sein Hatch wirkt wie eine billige Kopie von Slys ikonischer Rocky-Figur. Der plappert auch ohne Punkt und Komma, allerdings hat Rocky eben zumeist auch etwas zu sagen. Das ist bei Hatch nicht der Fall. Zudem wurde über Stallone früh kolportiert, dass er Fußball eigentlich hasse. Geniale Rollenwahl!

Doch auch die anderen Schauspieler wirken zum Teil nicht wirklich glücklich. Fußballfan Michael Caine („Kingsman: The Secret Service“) gab im Nachgang gerne zu Protokoll, nur an „Flucht oder Sieg“ mitgewirkt zu haben, um einmal mit Fußballgott Pelé zu arbeiten. So spielt er dann auch eher uninspiriert und lustlos. Man sieht den damals fast 50-Jährigen im Übrigen auch nie kicken, obschon er der Kapitän der alliierten Truppe sein soll. Und Max von Sydow („Kursk“) wird als „netter“ Nazi komplett verschenkt.

Der eigentliche Clou des Filmes war aber natürlich, dass er damalige Fußball-Superstars im Dutzend auflaufen ließ. Darunter Bobby Moore, Osvaldo Ardiles, Mike Summerbee oder eben Pelé. Und obwohl letzterer die Fußballszenen gestaltete, wirkt „Flucht oder Sieg“ genau in diesen Szenen seltsam ungekonnt. Aber was will man erwarten, wenn der Regisseur selbst von sich sagt, keine Ahnung von dem Sport zu haben? Dem Kameramann ging es wohl sehr ähnlich. Der scheint durchgehend keine Ahnung gehabt zu haben, was er da eigentlich filmte beziehungsweise filmen sollte.

Pele im John Huston Kriegsfilm

Pele spielt nicht nur mit, er schuf auch die Spielszenen mit.

Man bekommt keinerlei Gespür dafür, wie ein Fußballspiel funktioniert. Welchen Regeln es folgt. Nichts. Sinnlos in den Film geschmissene Zeitlupen bebildern nur vermeintlich spektakuläre Tricks. Ansonsten geht es eigentlich nur darum, dass die eine Mannschaft die andere kaputt tritt. Es kommt keinerlei Dramatik auf und allgemein wirkt das finale Match wie ein schlecht zusammengeschnittener Sportschau-Rückblick auf ein Wochenendspiel.

Man muss sich also mit vielen Problemen arrangieren, hat man das Bestreben, „Flucht oder Sieg“ rundweg gut finden zu wollen. Aber trotzdem ist der Film nicht vollends misslungen. Regisseur John Huston mag zur Entstehungszeit kaum mehr als ein Auftragsregisseur gewesen sein, aber er hatte definitiv ein über die Jahre geschultes Auge für gute Bilder. So sind die Szenen in dem eigens für den Film in Ungarn errichteten Gefangenenlager schon beeindruckend. Auch die Massenszenen beim Finale gefallen. Wie parallel zum Spiel eine Art Tunnel zur Umkleide der Alliierten gegraben wird, sorgt für Spannung.

Dazu sind die Einsprengsel um die Propaganda-fördernde Manipulation des Mediums Radio interessant. Und obschon alles an „Flucht oder Sieg“ immer ein wenig abwegig, konstruiert und abstrus wirkt, eines kann man dem Film nie vorwerfen: Das er langweilig wäre! Ganz im Gegenteil. Kann man sich vor allem mit dem Fakt arrangieren, dass Huston und Co. den Zweiten Weltkrieg zur reinen Staffage verkommen lassen, macht das seltsame Gebräu trotz oder gerade wegen seiner Mängel sogar Spaß.

Fußball ist Krieg in „Flucht oder Sieg“

„Flucht oder Sieg“ ist schon ein reichliches Kuriosum. Fußballer, die keine Ahnung vom Schauspielern hatten, mussten Dialoge aufsagen. Schauspieler, die keinen Plan von Fußball hatten, mussten kicken. Dazu schielte man des besseren Einspieles wegen gen USA als wichtigen Absatzmarkt, buchte dafür Sylvester Stallone und setzte dann auf eine Sportart, die in den Staaten niemanden interessierte. Obendrauf ein Regisseur, der eigentlich keinen Bock auf den Film hatte, und Produzenten, die sich uneins waren, was man eigentlich am Ende für einen Film haben wollte.

Und dieses Chaos merkt man dem Film durchweg an. Stallone schrieb während den Dreharbeiten im Übrigen das Drehbuch für „Rocky III“. Wie bereits erwähnt, erweckte er ein Jahr später mit Rambo eine weitere ikonische Figur zum Leben. Er brauchte sich um seine Zukunft also keine Sorgen machen. Entsprechend war es nicht so wichtig für ihn, dass der verhältnismäßig teure „Flucht oder Sieg“ nicht so wirklich performte. Zu seiner Filmografie gehört er jedoch unumwunden dazu und stellt hier einen zumindest unterhaltsamen Fehlschlag dar.

05 von 10

Der Film lief 1982 in den deutschen Kinos. Danach drehte er seine Runden auf VHS und erhielt von Warner auch eine Auswertung auf DVD. Alle Veröffentlichungen liefen ungeschnitten mit einer Freigabe ab 6. Es gibt Videos, da kommt der Film ungeprüft oder mit FSK-18-Kennzeichnung, dies sollte dann aber auf mitaufgespielte Trailer zurückzuführen sein.

PLAION PICTURES hat den Film am 24. April 2025 in einem wirklich hübschen Mediabook neu veröffentlicht. Hiermit erfuhr er dann auch seine erstmalige HD-Auswertung in Deutschland. Die Blu-ray kommt mit einem tollen Bild, dem einzig ein wenig mehr Schärfe in den Totalen gut getan hätte. Ihr könnt den Film auch streamen.

Neben dem englischen und dem deutschen Trailer gibt es 15 Minuten der Super-8-Fassung zum Film zu sehen. Diese kommt im nochmal deutlich breiteren Format und hat die im Review erwähnten Schrifttafeln zu bieten. In dem informativen Booklet widmen sich Tobias Hohmann und Nicolai Bühnemann der Entstehungsgeschichte des Filmes und dem Werk von John Huston.

In diesem Sinne:
freeman

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