Originaltitel: Novocaine__Herstellungsland: USA / Kanada / Südafrika__Erscheinungsjahr: 2025__Regie: Dan Berk, Robert Olsen__Darsteller: Jack Quaid, Ray Nicholson, Amber Midthunder, Jacob Batalon, Betty Gabriel, Matt Walsh, Evan Hengst, Conrad Kemp, Craig Jackson, Lou Beatty Jr., Garth Collins, Tristan de Beer u.a. |

In der Actionkomödie „Mr. No Pain“ will Jack Quaid seine große Liebe Amber Midthunder retten
Mit B-Movies und Independent-Filmen wie „Stake Land II“, „Villains“ oder „Significant Other“ erarbeitete sich das Regieduo aus Dan Berk und Robert Olsen ein immer besseres Standing, ehe sie mit „Novocaine“, hierzulande „Mr. No Pain“ genannt, ihren Hollywoodeinstand geben durften.
Novocaine oder Mr. No Pain, das ist je nach Sprachfassung der Spitzname von Nathan ‘Nate‘ Cain (Jack Quaid) aus Kindertagen. So genannt wurde er wegen der Krankheit CIPA, die ihn unempfindlich gegenüber Schmerzen macht, was aber auch ein extremes Sicherheitsrisiko für den jungen Mann ist. Auf dem Weg zur Arbeit hört der stellvertretende Leiter einer Bankfiliale Audioratgeber über den mentalen Umgang mit der eigenen Behinderung, daheim und im Büro sind alle spitzen Kanten abgesichert, Nahrung konsumiert Nate lieber in flüssiger Form, aus Angst er könne sich selbst unbemerkt die Zunge abbeißen und daran ersticken. Das Regieduo und Drehbuchautor Lars Jacobson („Day of the Dead: Bloodline“) nehmen Nates Nervenkrankheit ernst, machen nicht einfach nur einen Witz oder ein Gimmick daraus, sondern zeigen, was dies für Folgen für ein Leben haben kann.
Ausgerechnet seine Krankheit ist es allerdings, die Nate eine Verabredung mit seiner Kollegin Sherry Margrave (Amber Midthunder) verschafft, die er schon lange anhimmelt. Als diese im versehentlich heißen Kaffee über die Hand schüttet, wovon Nate nichts merkt, lädt sie ihn zwecks Wiedergutmachung zum Essen ein. Es funkt zwischen den beiden, während Nate mehr über sich, seine Erkrankung und sein Leben enthüllt. Zwar sind es nur ein Mittagessen, ein gemeinsamer Abend und eine gemeinsame Nacht, welche die beiden Figuren hier miteinander verbringen, aber Berk, Olsen und Jacobson lassen sich Zeit mit der Etablierung ihrer Charaktere und der Grundsituation, ähnlich wie etwa „The Equalizer“ oder „Nobody“, die im ersten Viertel ebenfalls mehr oder weniger komplett auf Action verzichteten.
Der Actiongenrepart des Films setzt rabiat ein, als ein Räubertrio die Bank am nächsten Morgen überfällt, Nate zum Öffnen des Safes zwingt und Sherry als Geisel auf der Flucht mitnimmt. Die eintreffenden Polizisten werden niedergeschossen, Verstärkung kommt erst mit Verspätung. In seiner Verzweiflung nimmt der ausgerechnet der sonst so behütete Nate die Verfolgung der Schurken auf, wobei seine Erkrankung ausnahmsweise mal eine Hilfe ist…
Schaut euch den Trailer zu „Mr. No Pain“ an
„Mr. No Pain“ ist nicht sensationell innovativ. Den Ansatz des Heldseins durch simples Nichtempfinden von Schmerz gab es beispielsweise auch in „Kick-Ass“, die Darstellung des etwas überforderten Normalos in Actionszenarios in reichlich anderen Filmen. Nates Schmerzunempfindlichkeit ist natürlich das Hauptgimmick, auch wenn der Trailer zu „Mr. No Pain“ leider schon zahlreiche Pointen verrät, wann und wie es eingesetzt wird. Erfreulich ist aber die Sensibilität, welche die Macher dabei an den Tag legen: „Mr. No Pain“ verweist mehrmals darauf, dass Verletzungen für Nate immer noch gefährlich sind, auch wenn er den Schmerz nicht spürt – so ist sein Zustand am Ende des Films auch die logische Konsequenz daraus.
Zudem hätte man „Mr. No Pain“ auch komplett albern erzählen können, doch stattdessen legt der Film eine gewisse Bodenständigkeit an den Tag, obwohl es sich um eine Actionkomödie handelt. So sind einige der Action- und Gewaltszenen nicht einfach nur überkandidelter Spaß, sondern recht hart sowohl in den Bildern als auch im erzeugten Gefühl. Wenn Nates Boss beim Banküberfall regelrecht hingerichtet wird und die eintreffenden Polizisten von den Räubern eiskalt über den Haufen geschossen werden, dann ist das nicht einfach nur Bubblegum-Action-Firlefanz, sondern alles andere als zum Lachen und unterstreicht die Skrupellosigkeit der Schurken.

Nathan ‚Nate‘ Caine (Jack Quaid) ist eigentlich komplett behütet, geht aber zum Äußersten
Genügend Gags besitzt „Mr. No Pain“ trotzdem. Da ist zum einen der Kontrast zwischen Nates sonst so behütetem Dasein und den zahlreichen Gefahren, denen er sich auf der Jagd nach seiner großen Liebe aussetzt. Oft scheint er selbst überrascht davon zu sein, zu welchen Taten er da fähig ist, von Autojagden bis hin zum beherzten Griff in die Fritteuse, um eine Pistole an sich zu bringen. Doch weil Nate all dies in vollem Bewusstsein um die Konsequenzen tut, wirkt „Mr. No Pain“ dabei weder sadistisch noch albern. Handwerklich stimmt das Pointentiming der slapstickartigen (Selbst-)Verletzungen, weiteren Witz zieht „Mr. No Pain“ auch aus dem Kontrast von Schein und Sein, gerade wenn es um Nates besten (Online-)Kumpel geht.
Nach der Exposition und Etablierung der Hauptfiguren ist die Actionkomödie vor allem eine Hatz von Nate durch die Stadt, irgendwo zwischen „Final Call“ und „Crank“ vom Feeling her. Für die Polizei ist er selbst ein Verdächtiger, Hinweise auf den Aufenthaltsort der Schurken hat er kaum, kennt dafür aber die Statistiken, wie weit die Überlebenschancen von Geiseln sinken, je mehr Zeit nach dem Kidnapping vergeht. Das hat ein ordentliches Tempo mit gut gesetzten Verschnaufpausen, auch wenn sich „Mr. No Pain“ im Finale etwas kürzer fassen könnte. Einen Plottwist, der ungefähr zur Filmmitte enthüllt wird, kann man absehen, da dieser schon etwas abgenutzt ist, dafür ist das Ende in mehrerlei Hinsicht erfreulich konsequent, ohne dabei bösartig oder unhappy zu sein. Aber eben konsequent.
Als Actionkomödie muss „Mr. No Pain“ natürlich auch an seinen Actionsequenzen gemessen werden, die gar nicht mal so zahlreich sind. Neben einer der kurzen Autojagd zu Beginn und der Amokfahrt eines Krankenwagens gegen Ende bekommt Nate es nämlich insgesamt mit nur vier Gegnern zu tun. Die Kämpfe nutzen das Kein-Schmerz-Gimmick gut aus (auch wenn es – wie gesagt – einen Großteil der Highlights leider schon im Trailer zu sehen gab) und sind von Radoslav Parvanov („The Princess“) so choreographiert worden, dass der Spagat zwischen Action-Schauwerten und Comedy-Überzeichnung recht gut gelingt. Allerdings sind die auch nicht allzu ausladend, was sicherlich zu Nates Normalo-Status passt, aber „Mr. No Pain“ auch immer etwas kleinformatig wirken lässt.

Für Sherry (Amber Midthunder) nimmt Nate all die Schmerzen und Strapazen auf sich
Jack Quaid spielt ähnlich wie in seiner Durchbruchsrolle in „The Boys“ den liebenswerten Durchschnittstypen, der aber weit über sich hinauswachsen kann, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Amber Midthunder („Prey“) gibt das toughe Love Interest, Nates Seelenverwandte mit ähnlich komplizierter Hintergrundgeschichte. Zusammen haben sie Chemie, agieren über weite Strecken getrennt voneinander, doch egal ob allein oder im Doppelpack – Quaid und Midthunder tragen zum Gelingen des Films bei, da sie ihre Figuren ebenso sympathisch wie glaubhaft verkörpern, zur Erdung der Actionkomödie beitragen.
Jacob Batalon ist seit „Spider-Man: Homecoming“ der beste Kumpel des titelgebenden Marvel-Superhelden und wiederholt diese Rolle hier in ähnlicher Form, zieht sogar eine Parallele zwischen Nate und Wolverine, womit er guten Support leistet. Ray Nicholson („Promising Young Woman“) als sadistischer Adrenalinjunkie-Oberschurke ist schon ziemlich fies drauf, kann aber trotzdem nicht so ganz überzeugen – irgendwie fehlt ihm das letzte bisschen Bedrohlichkeit für einen wirklich memorablen Fiesling. Der Rest vom Fest, darunter Betty Gabriel („Upgrade“) und Matt Walsh („Ted“) als Cop-Duo, ist dagegen kaum der Rede wert.
So ist „Mr. No Pain“ mit seinen schön geschriebenen Hauptfiguren, den beiden gut aufgelegten Hauptdarstellern und seinem komödiantischen, aber nie zu albernen Ton eine grundlegend sympathische Angelegenheit. Es ist aber auch nicht mehr als ein netter, kleiner Film, denn die Geschichte ist simpel, an ein, zwei Stellen etwas vorhersehbar, die Action kompetent gemacht, aber etwas klein skaliert.
Sony, das mittlerweile den Kinovertrieb von Paramount-Titeln in Deutschland übernimmt, hat „Mr. No Pain“ am 20. März 2025 in die deutschen Kinos gebracht, ungekürzt ab 18 Jahren freigegeben.
© Nils Bothmann (McClane)
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