Originaltitel: Jade__ Herstellungsland: USA__ Erscheinungsjahr: 2024__ Regie: James Bamford__ Darsteller: Shaina West, Katherine McNamara, Mickey Rourke, Mark Dacascos, Steven Michael Quezada, Keith Jardine, Chris Bruno, Emily Eruraviel, … |
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Mal mehr, mal minder gut und/oder erfolgreich, gibt es seit jeher immer wieder Stuntleute, die sich im Laufe ihres Werdegangs irgendwann auch mal als Regisseur versuchen. Während dem einen oder anderen da Herrschaften wie Hal Needham („the Cannonball Run“), Craig R. Baxley („I come in Peace“), David R. Ellis („Cellular“), Ric Roman Waugh („Greenland“), Jesse V. Johnson („Savage Dog“) oder Scott Waugh („Hidden Strike“) in den Sinn kommen, dürften den meisten gegenwärtig dazu aber vor allem zwei Personen einfallen – nämlich Chad Stahelski („John Wick“) und David Leitch („the Fall Guy“). Ein relativ neuer Vertreter dieser Runde ist der Kanadier James Bamford („Air Force One Down“), welcher als Stuntman und Stunt-Koordinator bislang an über 150 Produktionen mitgewirkt hat – darunter solch Werke wie „Firestorm“, „Ballistic: Ecks vs. Sever“, „X-Men 2“, „Blade: Trinity“, „In the Name of the King: A Dungeon Siege Tale“, „Black Christmas“, „Watchmen“ und „Elysium“…
Nachdem er in den Jahren zuvor einige Episoden von TV-Serien á la „Arrow“, „Supergirl“ und „Batwoman“ in Szene gesetzt hatte, lieferte Bamford in Gestalt des 2024 veröffentlichen sowie hier nun zur Rezension vorliegenden Low-Budget-Streifens „Jade“ sein Feature-Film-Regiedebüt ab. Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen 1995er Erotik-Thriller William Friedkins, handelt es sich bei diesem um einen pulpy-gritty B-Movie-Actioner, bei dem sich die Macher unverkennbar u.a. von Seventies-Blaxploitation-Flicks wie „Foxy Brown“ und „Cleopatra Jones“ sowie dem markanten Stil von Regisseuren wie Quentin Tarantino, Guy Ritchie und Robert Rodriguez „inspirieren“ ließen. Als Lead entschied man sich für die 1994 geborene Britin Shaina West: Ihres Zeichens eine geübte Kampfsportlerin, welche bis dato zwar schon Schauspiel-Nebenparts in „Black Widow“ und „the Woman King“ in ihrem Résumé vorweisen konnte – allerdings noch nie eine Hauptrolle verkörpert hatte…
Eröffnet wird mit einer solide animierten Pre-Credits-Sequenz, die einem (parallel zu den Ausführungen eines Voiceovers) aufzeigt, wie Jade (West) nach der Ermordung ihrer Eltern gemeinsam mit ihrem Bruder von London her nach Albuquerque gereist war, um dort ein neues Leben zu beginnen – doch zwang sie vorherrschende Gewalt zwischen rivalisierenden Gangs relativ zügig dazu, sich selbst einer anzuschließen. Eines Tages kam es dann zu einem tragischen Vorfall Schrägstrich Versehen: In dem Chaos eines Shootouts starb Jade’s Bruder durch eine von ihr abgefeuerte Kugel! Aufgrund von Trauer und Schuldgefühlen entsagte sie sich stracks jeglicher Vereinigung sowie des Gebrauchs von Schusswaffen. Details darüber, wie genau es dazu kam, erfährt man ebenso wenig wie über den Tod ihrer Eltern oder warum es sie ausgerechnet nach New Mexiko verschlug. Nunja, fortan weiterhin (als Einzelgängerin) in der Stadt ansässig, bemüht sie sich seither darum, etwaigem Trouble nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen…
Nur zu Layla (Katherine McNamara) sucht Jade noch Kontakt – der damaligen Freundin ihres Bruders, welche von jenem schwanger sowie von daher (nachvollziehbarerweise) nicht sonderlich positiv auf sie zu sprechen ist. Im Rahmen eines abendlichen Fußmarschs zurück zu sich nach Hause tritt auf einmal ein früherer Kumpel (Mathew Yanagiya) an sie heran und überreicht ihr eine Festplatte mit wertvollen Informationen drauf. Binnen Minuten werden beide von einigen Männern angegriffen, die der lokale Unterwelt-Boss Tork (Mickey Rourke) entsandt hat, um ihm den MacGuffin… ähm, das „Objekt der Begierde“ zu beschaffen, hinter dem überdies ein engagierter Interpol-Agent (Mark Dacascos) sowie Ortiz (Marcus Vincios Maciel), der Chef von Jade’s einstiger Bande, her ist. Ab einem bestimmten Punkt ist sie schon bald die alleinige Person, die weiß, wo das Speichermedium versteckt ist – also muss sie da „taktisch klug“ agieren; was aber rasch eher dem Motto kill ‚em all weicht…
„Jade“ ist ein schwacher, mitunter ärgerlicher Film. Für Bamford war es mit Sicherheit nett, zusammen mit mehreren Kollegen aus dem Stunt-Bereich ein eigenes Projekt zu stemmen – allerdings merkt man dem Ergebnis arg unvorteilhaft an, dass es vielen von ihnen (in ihren neuen, ungewohnten Tätigkeitsfeldern) sowohl an der betreffenden Erfahrung als auch am nötigen Talent gemangelt hat. Bamford und Lynn Colliar waren Newcomer in Sachen Skript-Schreiben – während der Dritte im Bunde, Stuntman Glenn Ennis („Cold Pursuit“), zuvor zumindest bereits mal an einem Drehbuch beteiligt war: An dem des 2015er Horror-Streifens „Gnome Alone“ (mit Verne Troyer). Innerhalb des sehr formelhaft-simpel gestrickten Ganzen lassen sich durchaus ein paar anständige Ansätze und Ideen ausmachen – bloß vermochten es die Verantwortlichen nicht, diese ergiebig miteinander zu verknüpfen, so dass das Präsentierte unentwegt den Eindruck von gewollt, aber nicht gekonnt heraufbeschwört…
Die Handlung ist oberflächlich-banal – voller unklarer Motive, eindimensionaler Charaktere und Plot-Löcher. Am Ende bleiben verschiedene „Fragezeichen“ bestehen – bspw. hinsichtlich der Umstände der Tode von Jade’s Eltern und Bruder, der Struktur der Gangs und kriminellen Organisationen (samt korrupter Polizisten) oder was sich eigentlich auf der Festplatte befindet: Warum interessiert sich Interpol derart dafür – für etwas im Kreise irgendwelcher Typen in Albuquerque? Eklatant schlimm sind derweil die Dialoge, die man hier zu ertragen hat. Ich weiß, dass Chris Bruno („5-Headed Shark Attack“) und Steven Michael Quezada („Strange Darling“) bei ihren Auftritten als Cops eine Menge improvisierten – woraus einige blöde Witze hervorgingen – doch kann ich mir vorstellen, dass sie damit nicht allein waren – schließlich hört sich so manches nicht ernsthaft so an, als hätten sich drei Erwachsene beim Verfassen ein als vernünftig zu bezeichnendes Maß an Mühe gegeben…
Was im Vorhinein gewiss als badass gedacht war, kommt häufig letztendlich einfach nicht so rüber – wobei gelegentliche Zusätze von Humor und Augenzwinkern dieses uninspirierte „tonale Kuddelmuddel“ nur noch weiter verstärken. Als Jade zu einem sie gefangen haltenden Henchman (aus dem Kontext heraus nur bedingt passend) „Always bet on black!“ meint, und jener sie im Gegenzug wiederum recht verwirrt wirkend anschaut, erläutert sie ihm prompt, dass das ein Wesley-Snipes-Zitat sei und sie den Satz immer mal raushauen wollte: Lahm – sowie eher nach der dahinter steckenden Intention der Autoren klingend. Mal muten Momente cheesy oder cringy an, mal gritty-realistisch, mal schlichtweg dumm – á la als einer der Bewacher Jades zum Zeitvertreiben das „Pinfinger Game“ (siehe Bishop in „Aliens“) spielt, er nicht allzu gut darin ist sowie ihr dann nach einer Weile gestattet, ihm zu zeigen, wie das richtig klappt. Dazu bindet er eine ihrer Hände los und gibt ihr das Messer…
Als zwei Schergen einen Mann brutal foltern, indem sie zuerst mit Fäusten auf ihn einprügeln, bevor sie zur Verwendung eines Hammers hin wechseln – nur um danach obendrein auch noch eine Zitrusfrucht über seine offenen Wunden auszudrücken, war ich mir nicht sicher, ob das irgendwie edgy-amüsant oder besonders fies gemeint war. Was mir jedoch tatsächlich ein Schmunzeln entlockte, war als Jade ihren Afro-Kamm spontan quasi als Shuriken nutzt – sie ihn wirft und er sich tief in die Stirn eines Angreifers bohrt. Bamford ahmt Größen wie die drei oben genannten nach – beweist dabei allerdings keinerlei „Fingerspitzengefühl“; kommt einem wie einer der zig Wannabes in der Beziehung vor. So z.B. erfolgt nach knapp fünf Minuten urplötzlich (zusammenhangslos mitten in einer Szene) ein überflüssig-sinnfreier 24-hours-later-Einschub, der einem flüchtige Ausschnitte des weiteren Verlaufs zeigt…
„Jade“ markierte das Hauptrollen-Debüt Shaina Wests – welche ihrerseits über eine deutlich reizvollere Backstory verfügt als ihre Film-Figur: Mit 20 erlitt sie einen Motorrad-Unfall – woraufhin sie das Erlernen von Kampfsport umso beherzter intensivierte; getreu des Spirits, dem sie regelmäßig in Animes begegnet, von denen sie ein immenser Fan ist. Sie gab sich selbst den Spitznamen The Samurider und schlug eine Karriere als Actor, Personal Trainer, Stuntwoman, Martial Artist, Influencer and Brand Ambassador ein. Im Vorliegenden überzeugt sie von ihrem Look and Attitude sowie von ihren Asskicking-Skills her – leider aber nicht so beim Vermitteln von Emotionen; weswegen man insgesamt keine ergiebige Connection zu Jade herzustellen in der Lage ist. Für Lead-Parts scheint West noch nicht soweit zu sein – doch sie ist ja noch jung. Unabhängig dessen gehört ihre erbrachte Performance keineswegs zu den schlechtesten hier, wo sich wahrlich niemand dahingehend mit Ruhm bekleckert…
Wie schon bei ähnlichen „Billig-Produktionen“, in denen er in den vergangenen Jahren aufgetreten ist, verkörpert Mickey Rourke („the Wrestler“) den Ober-Baddie Tork strikt auf Autopilot – was man ihm angesichts des Materials, welches ihm das Drehbuch vorgegeben hat, nicht einmal wirklich verübeln kann (an sein Aussehen dürften sich umtriebige B-Movie-Konsumenten inzwischen ja bereits einigermaßen gewöhnt haben). Katherine McNamara („Maze Runner: The Death Cure“) agiert indes okay – ebenso wie Mark Dacascos („Crying Freeman“) als Ermittler und alter Bekannter Jades – wohingegen man über den Rest – darunter Stuntleute wie Mathew Yanagiya („the Predator“) und Keith Jardine („Hot Seat“) – besser den Mantel des Schweigens bewahren sollte. Erwähnenswert ist übrigens noch, dass Bamford beim „Get Carter“-Remake Rourke’s Stunt-Double war sowie er in jener Funktion auch an der TV-Serie „the Crow: Stairway to Heaven“ (mit Dacascos als Eric Draven) mitgewirkt hatte…
Das geringe Budget will ich nichtmal zu den entscheidenden Problemen des Streifens zählen: Die Mehrzahl der Locations sind zweckdienlich-ordentlich ausgewählt worden, die Einrichtungen und Outfits harmonieren mit dem jeweiligen „Drumherum“ und mit Hilfe der Ausleuchtung war es überdies möglich, ab und an eine durchaus brauchbare Atmosphäre zu generieren. Unglücklicherweise strebte Bamford keinen reinen rauen Crime-Flick an – sondern einen Stil- und Genre-Mix, bei dem Elemente des Blaxploitation-Cinemas mit solchen vermengt wurden, wie sie einem bspw. aus Werken wie „Kill Bill“, „Once upon a Time in Mexico“ oder „Polar“ vertraut sind. Unsubtil wird einem da reichlich aufgetischt. Ein animierter Einstieg? Check. Projektile, die in Zeitlupe durch die Luft fliegen? Check. „Kreative“ Szenen-Übergänge; etwa in Gestalt auflodernder Flammen? Check. Abrupte Needle-Drops und Sounds á la Western-artiges Pfeifen und Pan-Flöten? Check. Et cetera pp…
Das Schlimmste ist, dass Bamford so ziemlich jedes Action-Setpiece mit Gimmicks bestückt hat – was jenen des Öfteren jegliche Wucht nimmt sowie simultan nicht halb so hip und cool ist, wie man sich das wohl eigentlich ausgemalt hat. Speziell bei den Fights und Shootouts hätten die exakt darin geübten Beteiligten glänzen können – ja gar müssen! Die Choreographien sind gut – das ist so erkennbar wie West’s Befähigung, sie glaubhaft zu meistern – allerdings lässt Bamford die Auseinandersetzungen sich überwiegend bloß bedingt (in einzelnen kurzen Passagen) roh, direkt und geschmeidig entfalten: Stattdessen werden sie einem „gern“ prominent in wechselnden Abspiel-Geschwindigkeiten dargeboten – bisweilen in Kombination mit suboptimaler Editing- und Kamera-Arbeit. Ausgerechnet Dacascos‘ großer Auftritt krank erheblich daran – wie auch eine ausgedehnte faux-Onetake-Sequenz (check), im Zuge derer sich Jade mit vollem Einsatz durch die Reihen von Tork’s Leibgarde kämpft, von denen ihr keiner gewachsen ist…
Immerhin wusste mir das unerbittliche (kompetent eingeübte sowie effektiv präsentierte) Aufeinandertreffen von Jade und Gang-Leader Ortiz (Marcus Vincios Maciel aus „Luchador“) prächtig zu gefallen – zumindest bis hin zu dem Punkt, an dem sie ihm die Kehle durchschneidet und sein Blut in Form des Wortes FATALITY gegen die Wand spritzt (begleitet von einem zugehörigen Voiceover, so wie im „Mortal Kombat“-Game). An zwei anderen Stellen gibt’s außerdem mal einen eingeblendeten Kill-Counter sowie die Übersetzung eines spanischen Satzes per Text mitten im Bild (und nicht als Untertitel) zu verzeichnen: Totally random. Obendrein schießen die Bösen stets mieser als Stormtrooper und ist eine Situation, in der aus maximal drei Metern Entfernung kräftig auf Jade geballert wird, während sie sich unter einer dünnen Tischplatte „verbirgt“, aus gleich verschiedenerlei Gründen einfach nur lächerlich-doof…
Sporadisch kommen einem gewisse Momente geradezu unbeholfen arrangiert und gefilmt vor – so wie die rund um Jade’s Inbesitznahme der Festplatte (wie ihr Kumpel sie anspricht, ihre Konversation im Wagen, das Auftauchen der Verfolger sowie der Start der Jagd auf sie) – und tendiert es unweigerlich hin ins LOL-ige, dass der Keller von Tork’s Luxus-Villa genauso aussieht wie das Innere eines schäbigen, verlassenen Büro-Gebäudes (samt eines komplett anderen Looks und Layouts). In Anbetracht der mitunter offensiv eingesteuerten Musik sowie einiger damit verbundener Augenblicke, in denen die Dialoge nicht richtig zu vernehmen sind, ist der Sound-Mix phasenweise unvorteilhaft geraten – was (neben anderen Dingen) auf mangelnde Zeit, finanzielle Mittel und/oder investierte Mühe hindeutet – worüber hinaus Einschuss-Schäden, Mündungsfeuer sowie das Blut aus zugefügten Wunden (erwartungsgemäß) fast ausschließlich „aus dem Rechner“ stammen (check)…
Bamford hat denselben Fehler begangen wie z.B. Stunt-Profi und Regisseur Art Camacho bei „Assassin X“ – nämlich die eigentlich achtbar abgelieferte Action fähiger Akteure durch unnötige „inszenatorische Mätzchen“ zu verschandeln. Herrje, an einer Stelle werden sogar Anime-eske „Bewegungs-Striche“ eingeblendet, wie ich sie u.a. von YouTubern her kenne. Die Mischung aus gritty-dramatisch und cartoonish-absurd ist so unbefriedigend wie der Post-Showdown-Ausklang, bei dem das Ganze plötzlich auch noch twisty zu sein versucht. Frei von Suspense sowie eines aktiven Mitfieberns mit jemandem kann einem der Streifen kaum etwas bieten, das einen bei Interesse hält – zumal selbst die reizvolle Maxime Jades, nach dem Tod ihres Bruders keine Schusswaffen mehr zu verwenden, irgendwann inkonsequent aufgegeben wird. Ohne einen durchaus coolen Splitscreen-Bildübergang gegen Ende (mit seinem Schwert im Zentrum) hätte ich übrigens eine noch schlechtere Wertung gezückt…
gnädige sehr knappe
Während „Jade“ in Brasilien bereits auf DVD erschienen sowie in weiteren Ländern (u.a. in GB und den USA) bei verschiedenen Anbietern als Video-on-Demand verfügbar ist, sind mir bis heute (12/2024) indes noch keine Veröffentlichungs-Pläne für Deutschland bekannt….
Stefan Seidl
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zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright des „Jade“ Postermotivs und der Pics: Tetrad Studios / Windy Hill Pictures / 120db Films / 13 Films / Synapse Distribution / Redbox Ent. (US) / 101 Films (UK)__ Freigabe der britischen VÖ: BBFC 15 (UK)__ DVD/BluRay: ja*/nein (*in Brasilien unter dem Titel „Jade: Guerreira Solitária“) |